»Wortlust« habe meinen Freund H. S. gepackt. Ja? Und wie? Eine wundersame Geschichte hat er erlebt, drei Jahre vor dem grassierenden Virus, das alles gesellschaftliche Leben, so in erster Linie aber das wirtschaftliche, für einige Wochen in den Ruhestand tauchen ließ. Schöpferisch, wie H. S. ist und in leidenschaftlichem Drang, sich Gehör zu verschaffen, hat er seine kreative Kraft in eine »augenzwinkernde« Erzählung investiert. Jetzt, da alle üblichen Investitionen, wenigsten diejenigen der kleinen Coiffeusen, Detailhändler und Schuhmacher bedroht sind durch einen viralen Hagelschlag aus der dunklen Wortgewitterwolke »Konkurs«. Jetzt, in der Zeit verordneten Stillstandes, schreibt sich H. S. heraus aus der Risikogruppen-Quarantäne und hinein in seine Wortlust. Er, der zu wenig Gehörte, der nur im Familienclan und im Freundeskreis Wahrgenommene, sucht im allgemeinen »Lockdown« Resonanz und Öffentlichkeit. Seine Geschichte der Begegnung mit einer hübschen, gerissenen Frau aus dem Balkan zeigt ihn als offenen, neugierigen, undogmatischen, weitherzigen Mann. Am längsten Tag vor drei Jahren hat ihn diese bemerkenswerte Person in ihren Cowboystiefeln offen, aber nicht unkonkett (H. S. meinte »nicht unattraktiv«) berührt, hypnotisiert, und in ihr bedrängendes Geheimnis eingeweiht. So hat die Zauberin ihn um den Betrag ihrer geschuldeten Monatsmiete gebracht. Sein Verlust ist verschmerzbar. Er ist wettgemacht durch diese pralle Geschichte. Sie ist das Gegengeschenk. Jetzt wird die Erzählung selbständig. Mit Hilfe des Autors drängt und dringt sie hinaus in den erweiterten Freundeskreis, gewinnt Eigenleben. Zeugt Leben. Wortlust eben.