Unverzeihlich! Hauke Steiners Ehe ist noch nicht ganz am Ende, da lässt sich der Pfarrer mit einem Schäfchen aus seiner Pfarrei ein. Und verwendet keine Sorgfalt darauf, dass dies unbemerkt bleibt. Die Folge: Der Hirte wird von seinen Schutzbefohlenen verscheucht und darf sich da, wo Meer und Land einander begegnen, eine neue Herde suchen. Eine Verbannung in die Ödnis, gar eine Odyssee? Aber flugs wird aus der platten, alles andere als anheimelnden Landschaft der Verbannung mit ihren auf den ersten Blick so drögen Menschen ein blühender Garten, wo Mitmenschlichkeit, augenzwinkernde Nachsicht und das Sich-umeinander-Kümmern wuchern. Wie der Hirte im nördlichsten Norden Norddeutschlands eine Herde findet, die ihn einhegt, und wie er dies allmählich bemerkt und zulässt, wird großartig erzählt. Der Hirte von Norderbüll ist die zugleich verwirrende wie zutiefst menschliche und heimatstiftende Pastoral eines Ungläubigen, der keinen Gott für Mitmenschlichkeit benötigt.
… ein seltsam ortloses, Schnitzler'sches Traumspiel. Für den namenlosen Werbemenschen und Ich-Erzähler beginnt ein Taumel durch die Nacht, in der immer wieder der geisterhafte Fremde mahnend auftaucht – und Schiller, Zarathustra und C.D. Friedrichs Mönch am Meer sich als verlässliche Fremdenführer erweisen. Unser Held durchmisst einen illustren nächtlichen Personenkreis und wird am Ende seiner Selbsterfahrung, in einer Art Katharsis, jenen «tanzenden Schritt» wagen, den schon Nietzsches Zarathustra zur geistigen Reifung so dringend empfiehlt. Tanzen wir also mit ihm. Schritt für Schritt.
Julian Mailen ist Anfang dreißig und Gamedesigner. So erfolgreich er in seinem Beruf ist, so schwer tut er sich manchmal mit den Anforderungen des alltäglichen Lebens. Als seine Eltern in einen Autounfall verwickelt werden, den die Mutter nicht überlebt, stellt dieser Alltag den jungen Mann vor Herausforderungen, denen er kaum gewachsen zu sein scheint. Der in Folge des Unfalls an Aphasie leidende Vater entgleitet in eine stumme Parallelwelt, die sich dem Sohn verschließt und die er sich in seinen ausgefallensten Fantasien kaum hat vorstellen können. Aber sein japanischer Freund Akuma und die Erinnerung an die vielen Geschichten, die ihm seine Eltern als Kind erzählten, die überbordende Phantasie seines Vaters, der Rückblick auf sein Leben und nicht zuletzt eine sehr ungewöhnliche Idee der beiden Freunde weisen Vater und Sohn den Weg in eine Welt, die schon immer gesucht wurde und aus einer Welt, die man niemals hätte finden wollen …
Hamburg, 2013. Wiebke Andresen, Tochter des seinem siebzigsten Geburtstag entgegensehenden Familienpatriarchen Hans-Peter Boettiger steckt mitten in den Vorbereitungen eines Festes für ihren Vater, zu dem die ganze Familie anreisen wird. Ein Eklat scheint vorprogrammiert, denn hinter der Fassade aus Bürgerlichkeit und hochgehaltener Tradition zeigen sich Risse, und vor dem Spiegel der Vergangenheit verblassen noch immer klar umrissen geglaubte Familienbilder.
England 1896. In Südwales ereignet sich eines der unzähligen Bergwerksunglücke jener Zeit. Die Katastrophe wird zur Geburtsstunde eines bis in die heutige Zeit überdauernden Hamburger Familienunternehmens, den Quartiersleuten Boettiger & Consorten. Der Bergarbeiter John Buttger konnte nicht ahnen, dass eher die Wirren der Zeit und ein äußerst obskurer Vorfall ihn zum Gründervater einer Hamburger Firma machen würden. Er und sein Sohn Oskar kämpfen mit ihren Familien vor allem gegen die Verwerfungen zweier Kriege und die Schwierigkeiten wirtschaftlich und politisch chaotischer Zeiten. Oskar wird seine beiden Frauen und Eltern verlieren und nach dem Krieg mit drei kleinen Kindern von vorne anfangen: Hans-Peter, Lisbeth und Bernhard. Lisbeth, die unermüdlich versucht, das Gestern mit dem Heute zu verbinden und Bernhard, genannt Fletch, der nach den Wirren des Zweiten Weltkrieges als Erster mit der Tradition bricht und Kapitän zur See wird. Da sind Hans-Peters grundverschiedene Töchter Wiebke und Lilly und ihre Familien. Wiebke, die mit einer nicht immer beherrschbaren Eifersucht auf die Schwester und der Herkunft ihres ersten Sohnes kämpft und Lilly, die mit dem Zerbrechen ihrer Ehe ringt. Und nicht zuletzt ist da Malte, der Enkel Hans-Peters, der ganz andere Pläne hat als sein Großvater.
"Die Abendgesellschaft der Quartiersleute" ist ein Tableau miteinander verwobener Biographien und eines außergewöhnlichen und in der ursprünglichen Form ausgestorbenen Berufsstandes vor dem Hintergrund die Stadt Hamburg prägender Geschichte.
… und dann gibt es die, die suchen und verloren gehen. »… für immer?«, fragte er. »Ein mutiger Entschluss. Und ich will Ihnen auch sagen, warum ich das glaube. Ich glaube, dass man sich ändern muss, wenn man – so wie Sie – endgültig von hier nach dort geht. Hier will man nicht bleiben. Das Dort kennt man nicht. Ja, ich glaube, man muss sich ändern. Sonst ist das Dort über kurz oder lang wie das Hier. Jetzt hätte ich erwartet, dass Sie lachen! Das Leben ist wie ein flüchtiger Blick aus dem Seitenfenster eines fahrenden Autos. Alles zieht rasend schnell vorbei. Nichts, das man festhalten kann. Lichter, Schatten, graue und bunte Streifen. Reflexe. Nur im Rückspiegel erkennt man einen kleinen, klaren Ausschnitt …« Sechzehn Geschichten über das Verlorengehen. Über die Dunkelheit, der man zu entrinnen versucht. Über Lichter in der Ferne und die Schatten des Alltags. Über den Verlust der Worte und die Suche nach einem Sinn. Über Eitelkeit, Wahn und Selbsttäuschung.