Rücken an Rücken nahmen die beiden Duellanten Aufstellung – Philip Hasard Killigrew und Sir Andrew Clifford. Jeder hatte eine Pistole in der Faust. Auf Old Shanes Befehl entfernten sie sich voneinander. Clifford schien Blei an den Füßen zu haben, Hasard marschierte aufrecht und ruhig. Dann geschah es, für alle völlig unerwartet. Clifford warf sich herum, nach vier Schritten, riß die Pistole hoch und drückte ab. Der Feuerblitz zuckte über den Strand, die Kugel erreichte im Aufschreien seiner Kameraden den Seewolf und traf ihn in den Rücken. Clifford stieß einen triumphierenden Schrei aus. Hasard bäumte sich auf, die Pistole entglitt seinen Fingern…
Niemand hatte etwas gesehen oder gehört. Völlig unbemerkt waren die zwanzig spanischen Kriegs-Galeonen in die Hafenbucht von El Triunfo gesegelt – klar zum Gefecht. Und dann brach die Hölle los, als sich die ersten Breitseiten entluden und ein Eisenhagel auf die Siedlung niederging. Wer von den Siedlern nicht mehr rechtzeitig genug ins Freie gelangte, der wurde unter den Trümmern der Hütten begraben, die krachend und berstend in sich zusammenfielen. Keiner dachte an Gegenwehr. Jeder wußte, daß sein Heil nur noch in der Flucht lag. Der Turm der Missionskirche zerbröckelte unter dem Einschlag der Kugeln. Es dauerte nicht lange, und dann krachte eine ganze Kirche in sich zusammen. Von den herumfliegenden Steinbrocken wurden die Männer reihenweise umgemäht. Ihre Schreie gingen unter im Donner der Schiffsgeschütze…
Hasard hatte keine Veranlassung, als Richter über drei Mörder aufzutreten, und die Crew der «Isabella» war ganz seiner Meinung. Es war Sache der Spanier, die drei Schuldigen abzuurteilen – und das taten sie, als sie am Strand von Great Abaco zusammentarten, um Recht zu sprechen. Eins stand fest: Don Ignatio Churruca, der Kapitän der «Golondrina», Carlos Antibes, sein Zweiter Offizier, und der Decksmann Gomez Segura hatten heimtückisch und um des eigenen Vorteils willen gemordet. Dafür gab es Zeugen. So lautete denn der Urteilsspruch der Geschworenen, daß die drei Männer schuldig seien und für ihre Untaten hängen sollten…
Die Piraten auf der «Sans Pareil» eröffneten das Gefecht. Eine volle Breitseite raste der «Isabella» entgegen. Hasard und seine Männer warfen sich platt auf die Planken. Zwölf 17-Pfünder-Kugeln orgelten auf die «Isabella» zu. Drei lagen zu kurz und rissen nur Wasserfontänen hoch, zwei andere fegten über die Kuhl, ohne Schaden anzurichten. Die anderen saßen. Die «Isabella» erbebte unter den wüsten Schlägen. Es knackte und knisterte, brach und barst. Holztrümmer flogen den Seewölfen um die Ohren…
Am Abend dieses Kampftages schlugen die Naturgewalten zu. Aus Osten fegte der Hurrikan heran und raste über die Schlangen-Insel weg. Nur wenig später erreichte er auch die beiden letzten spanischen Kriegsgaleonen, die von den letzten Gefechten schwer angeschlagen waren. Dies war der Zeitpunkt, zu dem Capitän Cubera auf dem Achterdeck der « San Jose» ein Gebet sprach, denn er wußte jetzt, daß es keine Hoffnung mehr gab. Aus Osten näherte sich ein Dröhnen, das die Wind – und Wassergeräusche noch übertönte – der Hurrikan. Es gab kein Ausweichen. Sie waren dem Untergang geweiht…
Die Bordwache der «Pride of Galway» schlief. Das bemerkten die Seewölfe, als sie mit den Booten längsseits gingen und sich vorsichtig auf die niederbaumelnde Jakobsleiter zubewegten. Spätestens jetzt hätte ein Alarmruf ertönen müssen, doch es blieb immer noch still. Hasard enterte auf, Dan und Big Old Shane folgten ihm. Batuti wartete auf die beiden anderen Boote. Hasard kletterte, vorsichtig um sich bllickend, über das Schanzkleid und entdeckte bei der Kuhlgräting einen Posten, der den Schlaf des Gerechten schlief. Er nahm einen Belegnagel aus der Nagelbank des Großmastes, schlich zu dem Kerl und schlug zu. Somit war der Schlaf des Mannes für einige Zeit verlängert…
Rücksichtslos hatte der spanische Kapitän den kleinen Hasard und Batuti, den Gambia-Neger, niedergeschossen, und jetzt hatte er alle Trümpfe in der Hand – mit einer Pistole, die er dem Seewolf an die Schläfe drückte. Die Männer verharrten wie gelähmt, zu Ungeheuerliches war geschehen, Hasard war bleich wie ein Laken, Totenstille breitete sich auf dem Deck der «Isabella» aus. Der spanische Kapitän kicherte irre und sagte: «Dieses Schiff steht jetzt unter meinem Kommando, ihr englischen Hunde, unter dem Kommando Don Mariano José de Larras, des größten Entdeckers aller Zeiten…»
Rasch schrumpfte der Abstand zwischen der «Isabella» und der spanischen Handelsgaleone «Santa Clara», die mit wertvoller Ladung heimwärts segelte, zusammen. Immer noch schöpften die Spanier keinen Verdacht, zumal an der Besangaffel der «Isabella» die portugiesische Flagge wehte, und die Arwenacks freundlich zur «Santa Clara» hinüberwinkten. Dann geschah es: Unmittelbar hinter dem Heck der «Santa Clara» halste die «Isabella» und ging über Backbordbug an den Wind. Gleichzeitig donnerten ihre vorderen Drehbrassen die Ladungen hinaus. Sie zerschmetterten die Ruderanlage der «Santa Clara», die in den Wind schoß. Die Seewölfe standen zum Entern bereit…
Das schlimmste von allen Übeln aber war die Wasserhose, die als schwarze Säule zwischen Himmel und See stand, sich hin und her wiegte und donnernd und rauschend in einem grotesken Tanz auf die «Isabella» zuwirbelte. Einem apokalyptischen Reiter gleich, der mit den teuflischen Heerscharen dahingaloppierte, raste sie inmitten der Schlechtwetterfront auf die Galeone zu. Zwar hatte Hasard die Sturmsegel setzten und alle anderen Segel bergen lassen, Manntaue waren gespannt und die Luken verschalkt, aber hier konnten die Seewölfe nur noch beten…
Barbante schwenkte die Drehbasse mit einem mörderischen Fluch so weit herum, daß ihre Mündung auf das Vorschiff der «Isabella» wies. Er zündete. Der Schuß raste brüllend aus dem Lauf und stach auf die Galion der «Isabella» zu. Es krachte und knirschte, Splitter flogen. Barbante lud mit flinken Fingern nach, während seine Kumpane das Musketenfeuer auf den Gegner eröffneten. In diesem Augenblick schlugen die Seewölfe zurück. Carberry, der eiserne Profos, schleuderte eine der Höllenflaschen zu den Piraten hinüber…