Bibliotheca Germanica

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    Versnovellen im Kontext

    Margit Dahm-Kruse

    Mittelhochdeutsche Versnovellen sind überwiegend in thematisch und texttypologisch heterogenen Sammelhandschriften überliefert. Die Untersuchung nimmt ein repräsentatives Korpus dieser Kompilationen in einer Zusammenschau überlieferungsgeschichtlicher, philologischer und hermeneutischer Fragestellungen in den Blick. An Konrads von Würzburg Herzmaere als Modellfall einer vergleichenden Text-Kontext-Analyse wird gezeigt, dass die Sammlungsverbünde einen maßgeblichen Faktor für die Sinnkonstitution der inkorporierten Versnovellen darstellen, indem sie als Rezeptionskontexte den Einzeltext durch divergente Profile jeweils unterschiedlich semantisieren. Gleichzeitig ist die Sammlung als Produktionsrahmen des einzelnen Textes auch ein zentraler Parameter für dessen individuelle Formgebung. Zahlreiche sinnstiftende Korrelationen zwischen spezifischen Textvarianten und tradierender Sammlung machen eine intentionale Anpassung an das textuelle Umfeld plausibel, wodurch sich neue Perspektiven auf textkritische Überlegungen und die Rolle des Schreibers im mittelalterlichen Textmodell ergeben.

    Raum in Bewegung

    Thomas Poser

    Die spezifische Strukturlogik des Mythos erlaubt es, komplexe Sachverhalte in eine narrative Gestalt zu bringen, die andernfalls als bloß selbstwidersprüchlich und inkonsistent erscheinen müssten. Mythisches Erzählen im Modus literarischer Rede erweist sich so als veritables Instrument kultureller Selbstbeobachtung. Das Buch verfolgt dies mit Blick auf die räumlichen Strukturen der untersuchten Texte. Im Mittelpunkt stehen Schlüsselepisoden zweier Artusromane, des Erec Hartmanns von Aue und des Lanzelet Ulrichs von Zatzikhoven, flankiert von zusätzlichen Vergleichstexten aus dem weiteren Umfeld höfischer Literatur. Die These lautet, dass Raum nicht allein von der Bewegung der Figuren im Raum abhängt, sondern seinerseits als veränderlich und beweglich zu denken ist. Räumliche Strukturen werden durch die literarische Arbeit mit mythischen Erzähllogiken dynamisiert und die ihnen zugrundeliegenden Ordnungsvorstellungen so in je neuen literarischen Versuchsanordnungen auf ihre Tragfähigkeit hin befragt.

    Scurrilitas

    Hans Rudolf Velten

    Die interdisziplinäre Studie befasst sich mit komischen Inszenierungen des menschlichen Körpers in der Vormoderne. Sie beschreibt Ansätze zu einer Theorie des Lachens über körperliche Komik; sie zeichnet Aufgaben und Funktionen von Possenreißern (scurrae) im Übergang von der antiken zur christlich-mittelalterlichen Kultur nach; sie arbeitet verschiedene Handlungsmuster körperlicher Komik in theatralen Gattungen wie Neidhart- und Fastnachtspiel, Geistlichem Spiel, Farce und Commedia dell'arte sowie in Erzähltexten der deutschen und europäischen Schwank- und Novellenliteratur des Spätmittelalters heraus. Im Zentrum steht ein performatives Verständnis dieser historischen Komikformen, das die Wechselbeziehung des komischen Vorgangs mit dem gemeinschaftlichen Lachen der Rezipienten profiliert und die grundlegende Verkörperung komischer Semantik in Aufführungen und Texten aufzeigt. Forschungsgeschichtlich erweitert sie das bislang geltende Paradigma sprachlicher Komik auf den Körper und macht seine Bedeutung für die Literatur- und Theatergeschichte in der Epoche zwischen 1300 und 1550 greifbar.

    Jesus und das Landrecht

    Henrike Manuwald

    Gegenstand der Studie sind mittelhochdeutsche Versbearbeitungen des Nikodemusevangeliums (Konrad von Heimesfurt: Diu urstende; Gundacker von Judenburg: Christi Hort; Heinrich von Hesler: Evangelium Nicodemi) und deren Rezeptionszeugnisse. Ausgehend von der darin erfolgten partiellen Umgestaltung des Prozesses gegen Jesus nach Konventionen des 'deutschen' Rechts wird die grundsätzliche Frage nach der Funktion solcher Bezüge auf die zeitgenössische Erfahrungswirklichkeit gestellt. Eine umfassende Untersuchung der komplexen Vernetzungen von Text und Kontext erschließt deren inhaltliche Implikationen für die narrative Sinnkonstitution wie auch die Stellung der Erzähltexte im Rechtsdiskurs: Wie lässt sich davon erzählen, dass in der Gestalt Jesu Gott vor Gericht steht, den die Texte zugleich als Legitimationsgrund allen Rechts inszenieren? Über die Analyse des Verhältnisses von 'Literatur' und 'Recht' werden außerdem die Möglichkeiten und Grenzen der kulturellen Aneignung eines heilsgeschichtlichen Stoffes erkundet. Damit eröffnen die Ergebnisse auch neue Perspektiven auf die Poetologie bibelepischen Erzählens.

    Der Natureingang im Minnesang

    Daniel Eder

    Der sogenannte Natureingang ist in der Minnesang-Forschung schon früh und anhaltend auf ein breites Interesse gestoßen, allerdings ohne dass dies zu eindeutigen Vorstellungen über Vorkommen und Bedeutung des Topos für die Gattung der Minnekanzone geführt hätte. Diese Lücke sucht der Band zu schließen, indem er zum einen eine Arbeitsdefinition für den saisonal organisierten Natureingang absteckt und diesen hinsichtlich seiner Typenausprägungen kategorisiert, andererseits auch der Funktion der Topik im Kontext der Poetik des Werbungsliedes anhand zahlreicher Einzelinterpretationen nachgeht. Hierbei ergeben sich – etwa im Vergleich mit den anderen europäischen Liebeslyriktraditionen des Mittelalters – ertragreiche Deutungsperspektiven im Rahmen einer kulturwissenschaftlichen Formatierung des Forschungsfeldes.

    Wettkampfkulturen

    Bent Gebert

    Wie bringen Gesellschaften der Vormoderne, die keine generalisierten Konzepte von Diversität im modernen Sinne ausbilden, dennoch Vielfalt zur Geltung? Die Untersuchung verfolgt diese Frage anhand deutschsprachiger Wettkampferzählungen des 9. bis 15. Jahrhunderts und ausgewählter Bezugstexte der lateinischen und französischen Literatur. Die gattungsübergreifenden Studien arbeiten heraus, welche Differenzlogiken in Streitdialogen und Narrativen vom Seelenkampf, in Heldenepen, höfischen Romanen, Märtyrerlegenden, allegorischen Dichtungen und Exempelerzählungen greifbar werden. Ausgelotet werden erzählerische Spielräume der Vervielfältigung, die nicht nur Alternativen eröffnen, sondern insbesondere interne Möglichkeiten von Unbestimmtheit kultivieren.