Название | Paul McCartney - Die Biografie |
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Автор произведения | Peter Ames Carlin |
Жанр | Изобразительное искусство, фотография |
Серия | |
Издательство | Изобразительное искусство, фотография |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783854456315 |
Eines Nachmittags saß er über die Gitarre gebeugt da und spielte immer wieder dieselben Akkorde. G, G7, C. Nichts Besonderes, eine ganz schlichte Akkordfolge. Als er sie mit dem Rhythmus eines Country-Shuffle versah, erinnerte es ihn an etwas, das Buddy Holly hätte schreiben können – eine lebhafte Melodie über ein ganz normales Mädchen, dessen gewinnendes Lächeln einem unvermittelt das Herz brechen kann. Daraus konnte man doch einen Song machen, einfach so! Also blieb er dran, schlug die Akkorde, sang den Text, der ihm schon eingefallen war, und summte an den Stellen, wo ihm noch die Worte fehlten. „Irgendetwas brachte mich dazu, ob ich nun wusste, wie es ging, oder nicht.“31
I woke up this morning, my head was in a whirl …
Paul spielte es immer wieder und wieder, sang die Strophe zunächst mit einer aufsteigenden Melodie, dann mit einer absteigenden. Was hörte sich besser an? Er konnte sich nicht entscheiden, daher nahm er die erste Variante für die erste Strophe und die andere für die zweite. Was konnte er sonst noch hinzufügen? Paul dachte an seine Lieblingsplatten. Der abrupte Rhythmus von „Twenty Flight Rock“, Buddy Hollys wortlose, abgehackte Seufzer. Auch die brachte er in den Song ein, und obwohl er nie dazu kam, einen kompletten Refrain zu schreiben (die Strophen erreichen ihren Höhepunkt, indem die Titelzeile wiederholt wird, und dann folgt ein langer Seufzer von vier Taktschlägen) – er wusste doch, dass er etwas geschaffen hatte, als er fertig war. Nicht viel vielleicht. Aber immerhin etwas.
„Es ist ein komischer, platter kleiner Song“, sagte Paul viele Jahre später32. Aber er vergaß ihn nie, und selbst Jahrzehnte später spielte er ihn gern neben seinen vielen Klassikern, wenn er auf einer der Bühnen irgendwo auf der Welt auftrat. Es war natürlich eine nostalgische Geste, und er legte stets Wert darauf, selbst eine gewisse ironische Distanz zu seinem unreifen, jungen Ich zu schaffen. „Her hair wouldn’t curl – Ihr Haar wollte sich nicht locken?“, sagte er kopfschüttelnd. Aber das Spielen seiner allerersten Komposition brachte ihn wieder zu seinen eigenen Wurzeln zurück, zu jenen Augenblicken, als der trauernde Teenager zuerst versuchte, seine Gefühle in Musik zu fassen. Ganz gleich, wie substanzlos der Song sein mag, die Bedeutung des traurigen Titels ist nicht zu übersehen: „I Lost My Little Girl“.
Wie bei so vielen großen Dingen begann auch hier alles mit einer kleinen, spontan geäußerten Idee. Ivan Vaughan schlug vor, dass Paul zu einer Party mitkommen sollte, um sich dort die Band seines Freundes anzuhören. Es war nicht weit, die steinernen Mauern der Gemeindekirche St. Peter’s Parish Church erhoben sich auf dem Hügel ganz in der Nähe von Ivans Haus in Woolton. Er ging schon seit Jahren zu den samstäglichen Gartenfesten dort, machte bei den Karnevalsspielen mit, sah der Parade zu und kaufte sich Süßigkeiten und Limonade, die auf dem Kirchhof angeboten wurden. Aber für die älteren Jungen war dieses Fest auch aus anderen Gründen interessant. Es würden Mädchen da sein, ganze Schwärme von Mädchen, und es gab auch Musik. Es spielte zum Beispiel, fügte Ivan hinzu, auch die Skiffleband von seinem Nachbar John Lennon. Kannte Paul ihn vielleicht schon? Die Band hieß The Quarrymen, nach der Quarry Bank Grammar School, jener Oberschule, die der Großteil der Bandmitglieder besuchte. Ivan spielte gelegentlich auch mit, wenn Len Garry, der normalerweise den Bass übernahm, keine Zeit hatte. (Auf den Riemen seiner Bassgitarre hatte er geschrieben: Jive with Ive – Jive mit Ive. The Ace on the Bass – Das Ass am Bass.) Also, wie wäre das?
Paul hatte immer Lust auf Partys – auch das war eine Eigenschaft, die er vom Gründer der Jim Mac’s Band geerbt hatte – umso mehr noch, wenn dort viele Mädchen sein würden. Die Aussicht, ein paar andere aufstrebende Musiker zu treffen, machte die Sache noch spannender. Die Quarrymen hatten ihren ersten Auftritt um viertel nach vier, also machte sich Paul am frühen Nachmittag langsam fertig, schlüpfte in die besonders engen, schwarzen Röhrenjeans und zog seine weiße Sportjacke an, deren Taschen mit modischen Klappen versehen waren und deren Stoff aus reflektierenden, fast silbernen Fäden bestand, die im Licht schimmerten. Da es ziemlich warm war, fixierte Paul seine Haare mit einer zusätzlichen Portion Pomade und fuhr dann mit seinem Dreigang-Fahrrad der Marke Raleigh die Forthlin Road hinunter zur Mather Avenue, vorbei an Calderstones Park und dann den kleinen Hügel zur St.-Peter’s-Kirche hinauf. Er kam ein bisschen zu spät – die Quarrymen spielten schon auf der draußen errichteten Bühne, der Ladefläche eines Lastwagens. Als er sich unter die Zuschauer mischte, war er weniger beeindruckt von der Band, deren Mitglieder nicht gerade versierte Musiker waren, als von dem Charisma des Jugendlichen, der vorn in der Mitte stand und das einzige Mikrofon der Bühne für sich beanspruchte.
Das also war John Lennon! Paul erkannte ihn, obwohl sie sich zuvor nie wirklich begegnet waren. Er war jener ältere Typ mit der großen Klappe, den er in Allerton und Woolton schon öfter gesehen hatte, wie er im Bus mit einem Freund lachte oder großspurig die Mather Avenue entlangstolzierte – einer von genau jenen großmäuligen, aufsässigen Halbstarken, von denen er während seiner Schulzeit in Speke sich fernzuhalten gelernt hatte. Und das war kein Wunder: John sah aus wie ein Teddyboy. So nannte man damals die harten Jungs, die sich ein wenig nach der edwardianischen Mode kleideten und die man gelegentlich sah, wie sie lässig an eine Wand gelehnt dastanden und jeden anpöbelten, der des Weges kam. Allerdings war er ein Freund von Ivan, und das bedeutete, dass er nicht ganz verkehrt sein konnte. John stand da, trug ein kariertes Hemd und dunkle Hosen, und eine widerspenstige Locke seines kastanienbraunen Haars fiel ihm in die feuchte Stirn, während er seine Akustikgitarre spielte und in das Mikrofon sang.
Die anderen Quarrymen – ein weiterer Gitarrist, ein Teekistenbassist, ein Waschbrettspieler, ein Schlagzeuger und ein Typ mit einem Banjo – folgten dem, was er vorgab. Sie waren allesamt ganz ordentliche Musiker, aber Lennon war der Kerl, der alle Blicke auf sich zog. Er war kein großartiger Gitarrist, das konnte man nicht sagen. Seine Art zu spielen war sogar ziemlich seltsam: Sein Fingerpicking war daneben, und er spielte mit drei Fingern Akkorde, die Paul überhaupt nicht kannte. Die Worte, die er sang, hielten sich nicht an das Original. In Johns Version von „Come Go With Me“ lud der Erzähler seine große Liebe in eine Vollzugsanstalt ein. In einem anderen Song baute John die Zeile ein, dass eine gewisse Mimi gerade den Weg entlangkam, und offenbar war das an die streng wirkende, ältere Frau am Rand der Menge gerichtet, die er breit angrinste. Aber egal, was er mit seiner rauen, kraftvollen Stimme sang – „Puttin’ On The Style“, „Maggie Mae“, „Railroad Bill“, „Be-Bop-A-Lula“ – Lennon vermittelte eine anarchistische, zu allerlei Streichen aufgelegte Freude.
Die Band spielte eine Weile, vielleicht eine halbe Stunde, dann packten die Musiker hastig ihre Sachen zusammen und machten die Bühne frei. Eine Bekanntmachung über die Tanzveranstaltung im Gemeindehaus am Abend, bei dem die Quarrymen zwei Mal auftreten sollten, hallte über den Platz. Paul ging nun zu Ivan hinüber, der ihm auf den Rücken klopfte und auf die kleine, hölzerne Pfadfinderhütte deutete, in denen die Quarrymen, wie auch alle anderen Musiker an jenem Tag, ihre Sachen zwischen den einzelnen Shows aufbewahrten. Sagen wir doch einfach mal Hallo. Ivan führte Paul auf direktem Weg zu der Hütte, und als sie sich unter dem Türrahmen hindurchgeduckt hatten, sahen sie die Gruppe in einer Ecke stehen; offenbar wollten die Musiker etwas Abstand von den Pfadfinderjungen halten, die gerade in ihre Trompeten bliesen. Der Schlagzeuger der Quarrymen, Colin Hanton, sah von seinen Trommeln auf und nickte ihnen zu. „Ich sah, wie Ivan mit diesem anderen Jungen reinkam“33, erinnerte er sich. „Dieser Typ, den wir alle nicht kannten. Und dann redeten sie mit John.“
Zuerst zeigte der oberste Quarryman eine relativ verächtliche Haltung. Er zuckte die Achseln, sagte nicht viel, machte eine Bemerkung dazu, dass Paul so jung aussah – das letzte bisschen Babyspeck ließ ihn tatsächlich jünger wirken als fünfzehn. Paul erinnerte sich später, John sei betrunken gewesen (wobei er zugab, selbst auch ein bisschen „angeheitert“34 gewesen zu sein). Aber Rod Davis, der Banjospieler der Quarrymen, tut das als eine „sehr blumige“ Ausschmückung der Geschichte ab. „[Pastor] Pryce-Jones hätte uns nie auf sein Fest gelassen, wenn wir nach Bier gerochen hätten oder sogar betrunken gewesen wären.“35 Und woher hätten sie das Bier auch haben sollen? Keiner von ihnen hatte Geld genug, in einem Pub ein paar Runden zu schmeißen. Und welcher Pub in Woolton hätte eine Gruppe Jugendlicher aus der Nachbarschaft überhaupt bedient? „Die kannten uns doch alle, das war unmöglich. [Waschbrettspieler] Pete Shotton und ich könnten uns höchstens vorstellen, dass irgendjemand John eine Flasche Bier gegeben hatte.“