einfach unverschämt zuversichtlich. Группа авторов

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Название einfach unverschämt zuversichtlich
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Жанр Документальная литература
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Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783290177942



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Leben lang hatte er nicht nur den Dreck der Strassen gesammelt, sondern auch Erfahrungen. Er hielt sie offen-versteckt in den unzähligen Falten seines viel zu schnell gealterten Gesichts. Woher er beim Dreckputzen die Kraft bekam, diese Arbeit sogar mit Dank weiterzuführen, wurde mir später klar. Mehmet Efendi kam an diesem Tag wie an andern zu uns, um in seiner Freizeit im Garten zu arbeiten und Unkraut zu jäten. Jeder, der bei uns Arbeit verrichtete, bekam das Mittagessen. Dies war eine Tradition. Ich spürte jedesmal, wenn ich Mehmet Efendi das Essen brachte, eine unendliche Zufriedenheit |35| in mir. Dass dieser Mann satt wurde, bereitete mir Freude. Scheu und mit einem leise ausgesprochenen «Allah razi olsun» (Gott möge zufrieden sein), nahm er das Tablett aus meinen Händen. Ein anderes Bild: Eines Tages klopfte es an der Tür. Es war ein regnerischer Tag. Als meine Mutter öffnete, stand der Kümmelstengel-Verkäufer davor und in seiner roten Hand blitzte eine 5-Kurus-Münze. «Sie haben mir fünf Kurus zu viel gegeben», sagte er, «das gehört nicht mir». Wir standen sprachlos vor diesem Mann, vor diesen ehrlichen, genügsamen, braunen Augen. «Hast du deswegen den langen Weg bei diesem Wetter zurückgelegt?», fragte meine Mutter. «Natürlich! Ich bin Allah Rechenschaft schuldig. Wie kann ich sonst später vor Allah stehen?»

      «Sind wir doch alle eins»

      Ich denke zurück und erinnere mich voller Dankbarkeit an all diese Bäcker, die dazu beigetragen haben, meinen Teig zu kneten und zu formen, und hoffe für den weiteren Weg auf andere Begegnungen, die mir helfen, auf dem Weg zu bleiben. Ich gehe meinen Weg seit zwanzig Jahren in einem fremden Land, wo ich Seelen getroffen habe, die mir sehr viel bedeuten. Sie gehen zum gleichen ewigen Licht von Christus. Auch ihre Seelen sind lichterfüllt. Die Begegnung mit ihnen erlaubte mir, die folgenden Worte Omar Chayyams besser zu verstehen: «Der Tropfen Wein: ‹Wie bin vom Meer ich weit!› Das Weltmeer lacht. ‹Vergeblich ist dein Leid!› Sind wir doch alle eins, sind alle Gott – uns trennt ja nur das winzige Pünktchen Zeit.»

      Erschienen in FAMA 2/1994: «Fatimas Töchter»

       |36|

      Die leere Kammer oder das, was unser Leben offen hält

      Zur Frage nach Gott

      «Ohne Freundinnen und Freunde

       ist Gott genauso miserabel dran

       wie wir.»

      Dorothee Sölle

       in FAMA 4/1992: «Theodizee – oder der Riss in der Schöpfung» |37|

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       |39|

      Eigentlich

      Dorothee Dieterich

      Eigentlich wollte ich über Dich schreiben,

      von der sie sagen,

      dass sie die Planeten in Bewegung hält,

      die Bäume blühen lässt

      und die Kinder lachen.

      Sie sagen,

      dass Du im Glitzern der Sonne auf dem Wasser

      genauso wohnst

      wie in den Tränen

      meiner wütenden Kinder,

      die ich zu Unrecht zurechtwies.

      Eigentlich wollte ich über Dich schreiben.

      Dass es mir gefällt,

      dass Du Dir allzu konkrete Bilder

      verbittest – ich lasse mich auch nicht gerne festschreiben

      und wie solltest Du

      einfacher einzuordnen sein

      als ich?

      Eigentlich wollte ich davon schreiben,

      dass ich denen glauben möchte,

      die sagen,

      Du seiest mitten unter uns,

      erfahrbar für jede,

      in der Kraft, die zwischen uns wirkt – wenn wir sie lassen.

      Davon, dass es so eine Sache ist

      mit der Sehnsucht der Menschen

      nach Gebeten und

      Riten und

      Feiern und

      Verbundenheit

      und Dir,

      bild- und namenlos. |40|

      Davon,

      dass es uns doch gelingen sollte,

      von Dir so zu reden,

      dass Dich die Namen nicht einfangen,

      aber auch nicht fernhalten.

      Von meiner Sehnsucht nach etwas,

      das trägt

      oder zieht

      oder schiebt

      und davon, wie gut es ist,

      dass Du in und zwischen uns

      und nicht nur im Himmel wohnst.

      Von meinem Verlangen,

      dass da etwas sei,

      das leise dazwischentritt,

      wenn der Lärm

      unsere Ohren verschliesst,

      und singt,

      wenn alles verstummt.

      Nun aber merke ich:

      ich fülle Seite um Seite

      und denke immer nur nach

      über mich:

      Über meinen Zweifel,

      der immer grösser war

      als mein Glaube,

      der mich zog

      und schob

      durch die Bilder hindurch,

      die sie von Dir machten,

      und mich

      nicht stehenbleiben lässt

      bei den neuen Bildern. |41|

      Über die Scham,

      die in mir aufsteigt,

      wenn andere Neugier

      und Lust am Denken

      mit Glauben verwechseln.

      Über mein unbegründetes Vertrauen,

      dass mir mein Teil

      zufallen wird

      und die Gewissheit,

      dass es gut ist zu leben.

      Über meine Furcht,

      es könnte mir etwas

      zu nahe treten –

      auch Dich

      halte ich lieber

      in sicherer Distanz.

      Während ich von mir schreibe,

      denke ich immerzu nach

      über Dich

      und hoffe,

      dass ich Dich erkenne,

      im Glitzern der Sonne auf dem Wasser

      und in den wütenden Tränen

      meiner