einfach unverschämt zuversichtlich. Группа авторов

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Название einfach unverschämt zuversichtlich
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Жанр Документальная литература
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Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783290177942



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Entwicklungen und Facetten feministisch-theologischer Denkarbeit und konkreter Handlungsfelder. Wir hoffen, dass beim Lesen der ausgewählten Beiträge aus 30 Jahren FAMA mehr deutlich wird, als die Zeit, die vergangen ist – aha, das hat die Frauen damals beschäftigt: wie interessant, kurios, eigenartig … na ja, da sind wir heute doch an einem ganz anderen Ort. Sicher, es hat sich vieles verändert, aber so vieles denn leider auch wieder nicht. Feministische Theologie fristet noch immer ein Mauerblümchendasein an den theologischen |15| Lehranstalten, von feministischer Aufbruchsstimmung und Frauenpower ist nicht mehr viel zu spüren, und manches, wofür wir gekämpft haben, ist schon wieder verschwunden wie etwa kirchliche Frauenstellen, die allenthalben abgeschafft werden.

      So ist zu hoffen und zu wünschen, dass die FAMA weiterhin ein gutes Gerücht bleibt, dass sie zu denken und zu reden und weiterzuerzählen gibt. Wie die geflügelte Göttin, als die sie in der darstellenden Kunst erscheint, möge sie sich ihre Flügel nicht durch den scharfen Gegenwind und durch das nur schwer zu überwindende gesellschaftlich-kirchliche Desinteresse an feministisch-theologischen Fragen stutzen lassen. Aber die FAMA ist ja noch jung. Erst 30 Jahre alt. Und das stimmt uns unverschämt zuversichtlich!

      Silvia Strahm Bernet und Doris Strahm

       |16|

      Leidenschaft für das Leben

      Erkundungen zu Spiritualität

      «Mich macht die Musik und die

       Atmosphäre an bestimmten Orten,

       wo Spiritualität vermarktet und

       feilgeboten wird, kribblig.»

      Barbara Lehner

       in FAMA 3/1999: «Erkundungen zu Spiritualität» |17|

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      Fragiler Ball deiner Liebe

      Tango mit Gott

      Moni Egger

      Schon wieder bist du mir abhanden gekommen. Klammheimlich. Erst jetzt bin ich aufgeschreckt und suche dich. Dabei erzähle oder schreibe ich fast täglich von dir. Aber ach, ich kann dich nicht halten. Und ich verliere mich ohne dich. Das hab ich mir anders vorgestellt – wenn doch jetzt Tag für Tag du mein Thema bist, hab ich gehofft, dass unsere Beziehung stabiler würde, weniger flüchtig. Aber es geht wohl nicht nebenbei, en passant. Ich muss mich von innen her und ganz bewusst um dich in mir kümmern, damit ich uns beide nicht verliere. Muss meine Füsse fühlen, wie sie den Boden tasten. Muss mein Zentrum fühlen, in meiner eigenen Achse bleiben, selbst stehen, damit ich mich führen lassen kann von dir. Ich halte, so gut es geht, das Gleichgewicht, Stabilität trotz hohen Absätzen. Du! Tanz mit mir. Tanz wieder! Ich bin bereit. Meine Schuhe glitzern, mein Herz – bitte, wart nicht so lang, komm auf mich zu! Schau mich an, nimm mich in den Arm, tanz mit mir! Und ich will auf dich lauschen. Will und werde fühlen, wo du mich hinführst. Werde meine Schritte setzen, selbst und stark und stabil. Werde nicht wanken. Werde in meiner Achse bleiben oder, wenn’s die Musik erlaubt, mein Zentrum aufgeben und mich auf unsere gemeinsame Mitte verlassen. Wenn wir uns finden, wird der Tanz schwerelos. Voll Energie, lebendig bis ins Innerste, lebendig bis in die äusserste Faser. Unser Tanz, ein «lustiger Ball deiner Liebe» (Madeleine Delbrel):

      Will einer ein guter Tänzer sein, mit dir oder sonstwie, darf er nicht wissen, wohin es führt. Nur folgen muss man, aufgelegt sein und schwerelos, und vor allem sich nicht versteifen. Man soll dir keine Erklärungen abverlangen über die Schritte, die du zu tun beliebst, sondern sein wie eine Verlängerung deiner, behende und wendig, und durch dich hindurch den Takt des Orchesters aufnehmen. Man darf nicht um jeden Preis vorankommen wollen, sondern soll zufrieden sein, sich zu drehen, seitwärts zu steppen, anzuhalten, wenn nötig, und zu gleiten, anstatt zu schreiten. Und all das wären nur idiotische Schritte, machte nicht die Musik daraus eine Harmonie. Wir hingegen vergessen die Musik deines Geistes, und machen aus unserem Leben eine Turnübung; wir vergessen, dass es in deinen Armen getanzt wird, dass dein |20| Heiliger Wille von unvorstellbarer Phantasie ist, dass es monoton und langweilig nur für ältliche Seelen zugeht, die als Mauerblümchen sitzen am Rand des lustigen Balls deiner Liebe.1

      Tango ist Seiltanz zwischen Folgen und Selbstbestimmung. Tango verlangt, genau wie du, ganze Hingabe bei vollkommenem Bei-mir-Sein. Leichtigkeit und Bodenhaftung. Ich lasse mich führen. Und ich tanze selbst. Grundbedingung 1: der Boden. Ich muss mich auf den Boden einlassen, mich seiner Beschaffenheit anpassen. Oder vielleicht die Schuhe wechseln. Oder aufhören zu tanzen. Grundbedingung 2: die Musik. Ganz ähnlich, aber emotionaler und darum noch schwieriger damit umzugehen. Manchmal genügt es, einen Tanz auszulassen. Manchmal aber gibt es lange Phasen, da erreicht die Musik mich nicht und ich kann mich zu keinem eigenen Schritt aufraffen. Grundbedingung 3: das Gegenüber. Ich bin zunächst Geführte, Empfangende, aber Führen und Folgen verschwimmen. Meine allerwichtigste Aufgabe ist, in meiner eigenen Achse zu bleiben, fest auf meinen Füssen zu stehen. Dabei die Impulse von Musik und Gegenüber als Bewegungen aufnehmen, leicht werden und standfest zugleich, mich in die Fliehkraft angstlos hineingeben, Nähe nicht scheuen. Grundbedingung 4: die anderen. Für den perfekten Tanz gehören die anderen mit dazu. Alle Paare auf der Fläche tanzen nicht nur den eigenen, sondern auch den gemeinsamen Tanz.

      Manchmal stimmt alles zusammen und die Zeit setzt aus. Aber wie oft … seufz. Verletzlich bin ich. Mir ausgesetzt. Den Blicken ausgesetzt. Den Energien. Den Männern, die die Nähe ausnutzen, deren Arme wie Schraubstöcke sind. Verwundungsgefahr. Ich bin offen, ganz da und so leicht zu verletzen. Eine härtere Schale aber will ich nicht. Das macht Mauerblümchen. Ich aber will nicht zuschauen, ich will tanzen. Komm! Rühre mich an, fordere mich auf, nimm meine Einladung an!

      Nun habe ich mich wieder ein Stücklein an dich herangeschrieben. Du, du, du. Mein Boden, meine Musik, meine Führung. Du, die du mir Raum lässt, die du mich auf die Füsse stellst. Tanz mit mir.

      Erschienen in FAMA 4/2012: «fragil»

       |21|

      Zur Spiritualität des Coming-out

      Antoinette Brem

      Mein öffentliches Coming-out begann mit einer intensiven und tiefen Liebe zu der Frau, mit der ich auch heute noch, beinahe zehn Jahre später zusammen bin. Spiritualität im Coming-out habe ich seither zur Fülle erfahren: Nie zuvor schien mir das Göttliche so durch meinen Körper und alle Poren zu fahren wie in der Anfangszeit unserer Beziehung und seither immer wieder, nie zuvor öffnete mir eine alles durchwehende Geistkraft mehr die Augen für mein eigenes Selbst, und nie zuvor hatte eine klärende Hand mir den Schleier zwischen meinem inneren Empfinden und dem Aussen der Welt weggefegt wie durch das Entdecken meiner Liebesfähigkeit – als Frau für eine Frau. Und damit endete ein jahrelang tief empfundener Schmerz, weil ich bisher geglaubt hatte, der Liebe nicht fähig zu sein.

      In dieselbe Zeit fiel mein Studiumsabschluss. Ein Zitat zum Zusammenspiel von Selbst- und Gotteserkenntnis in einer Vorlesung hatte mich derart berührt, dass ich beschloss, darüber meine Lizentiatsarbeit zu schreiben. Der Mystiker Nikolaus von Kues versuchte im 15. Jahrhundert Mönchen aufzuzeigen, wie sie zur Erkenntnis Gottes gelangen können. Durch alle damals bekannten spirituellen Übungswege hindurch führt Cusanus die Mönche an den einen Punkt, wo er Gott zum Menschen sagen lässt: «Sei du dein und ich werde dein sein!»2 Das heisst so viel wie: An dir vorbei kannst du mich nicht finden. Oder auch: Nimm dich und das, was in dir leben will, radikal ernst – sonst geht dein Leben in die Leere.

      Ungefähr zeitgleich mit Cusanus entdeckte ich eine moderne Mystagogin: die schwarze lesbische Dichterin Audre Lorde. Sie nimmt meiner Ansicht nach in ihrer Sprache das Thema des «Sei du dein» auf, weitet es aber vom individuellen Sich-Finden aus auf die Dimension des Gemeinschaftlichen und des Kampfes für soziale Gerechtigkeit. Audre Lorde spricht von den «erotischen Wegweisern in uns selbst», die