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Название einfach unverschämt zuversichtlich
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Жанр Документальная литература
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Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783290177942



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Perspektive von oben auf die Dinge, von denen man annimmt, dass sie auf diese Art beherrscht werden können.19 Aber sie lassen sich nicht beherrschen. Und Frauen beanspruchen ihrerseits längst einen Subjektstatus. Subjekt wird aber heute verstanden als beziehungsreiche Grösse. Der Mensch, auch der Mann, lebt in einem Geflecht von Beziehungen und Abhängigkeiten, die die eigenen Entscheidungen und das Handeln massgeblich beeinflussen und auch beeinflussen sollen. Eine Ethik, die sich nicht daran orientiert, droht in eine abstrakte Normativität abzudriften, etwa wenn Fragen des Embryonenschutzes ohne die konkreten Erfahrungen von Frauen behandelt werden. Ökologische Verantwortung berücksichtigt die Folgen jedes Handelns für die gesamte Schöpfung, Tiere, Pflanzen und Menschen, und das nicht nur in der unmittelbaren Umgebung. Eine Ökonomie der Bezogenheit orientiert sich nicht am totalen Markt und dem Gewinnstreben einzelner Grosskonzerne, sondern immer noch an den Grundsätzen sozialer Gerechtigkeit.20

      Das so verstandene Subjekt nimmt Abschied von kontextlosen und geschichtsübergreifenden Allgemeingültigkeiten. Es setzt auf dialogische Prozesse, auf Demokratie, auf Veränderbarkeit auch der eigenen Identität und schliesst Irrtum und selbst Scheitern mit ein. Feministische Analyse macht allerdings auch auf die Brüchigkeiten weiblicher Subjektivität in den bestehenden Verhältnissen aufmerksam. Nomadisierend zwischen herrschenden Zuschreibungen von FrauGeliebteMutter und eigenen Wegen, weibliche Existenz zu leben, versucht Frau, quer zu Normen, Klischees und Rollenerwartungen, die weiblichen Muster nicht erneut zu bedienen – allenfalls mitunter aus taktischen Motiven –, sie letztlich aber aus den Angeln zu heben.

      Gott als «Macht in Beziehung»

      Es liegt nahe, dass die Veränderung des Subjektbegriffs auch zu einer Veränderung von Gottesvorstellungen führt. Bereits die Trinitätslehre benennt Gott nicht als einsames, sondern als dreieiniges Sein. Und so wie es zwischen Vater, Sohn und Heiligem Geist ein Beziehungsverhältnis gibt, ist auch das Wirken Gottes nach aussen beziehungsreich, kommunikativ und lebendig: durch die Schöpfung, durch einen Mensch gewordenen Gott, durch Gott als Leben und Gemeinschaft stiftendes Wirken. Und so kennt doch auch die klassische Theologie Bezogenheit als tief verankert im Gottesgedanken. Doch die Trinitätslehre vermittelt sich nicht so einfach, zumal alle drei göttlichen «Personen» immer noch als männlich gedacht werden und die Vorstellung des einen Vater-Gottes alles andere stets überschattet hat. |54|

      Die feministische Theologie hat dieses Modell bislang noch kaum für sich entdeckt, aber einzelne Aspekte daraus übernommen und verändert. So wurde z. B. stark die Bezogenheit von Jesus und seinen Mitmenschen in dem Begriff der «Gegenseitigkeit» (Moltmann-Wendel) herausgestellt. Darauf aufbauend hat Carter Heyward bereits in den 1980er Jahren ihre sehr bekannt gewordene Definition von Gott als «Macht in Beziehung» entwickelt. Bis heute stellt sie ein wirksames und wichtiges Gottessymbol dar, das Gott nicht als ein Gegenüber zum Menschen versteht, sondern Gott selbst in den menschlichen Beziehungen ansiedelt. Gott ist nicht mehr eine Macht über uns, sondern «eine Macht unter uns, eine Macht, die wir teilen».21 Diese Macht ist nicht irgendeine, sondern inhaltlich bestimmt als Gerechtigkeit. Da, wo Menschen gerecht handeln, in liebevollen und gerechten Beziehungen miteinander leben, da sind sie wie Gott bzw. handeln sie göttlich. Aus dem Subjekt Gott wurde hier das Verb «to god» als der angemessene Ausdruck für das göttliche Wirken unter uns Menschen. Es ist letztlich eine menschliche Tat. Heyward erinnert in ihren Ausführungen daran, dass wir Frauen alle bereits diese Macht oder Energie gespürt haben: bei Protesten, in politischen Aktionen, in der gemeinsamen Arbeit, im gemeinschaftlichen Lernen, in Freundschaften, in der Liebe. «Göttliches Wesen treibt uns, sehnt sich nach uns, bewegt sich in uns und durch uns und mit uns, indem wir uns selbst als Menschen erkennen und lieben lernen, die von Grund auf in Beziehung stehen und nicht allein sind.»22 Wir haben also bereits unsere Macht in Beziehung erlangt, und sie ist es wert, Gott genannt zu werden.

      Diesseitig und abhängig

      Heyward gelingt es in ihrer Gottesdefinition, uns Menschen, besonders uns Frauen, aus einer Defizitposition herauszuholen. Was wir bereits erfahren und tun, darf göttlich genannt werden. Das Verständnis von Sünde wird hier geradezu auf den Kopf gestellt. Nicht das Sein-Wollen-wie-Gott ist Sünde, sondern ganz im Gegenteil wird genau dazu aufgefordert. Von Sünde kann nur dann die Rede sein, wenn Beziehungen nicht gerecht sind, wenn sie zerstört sind oder zerstört werden. Die Bestimmung von Gott als «Macht in Beziehung» ist ausserdem nicht mehr vereinbar mit der klassischen Unterordnung des Menschen – und besonders der Frau – unter Gott und der unheilvollen Verknüpfung von Liebe und Gehorsam. Denn Liebe ist gar nicht anders denkbar und lebbar als in gegenseitiger Abhängigkeit. Und so sind auch Gottesliebe und Nächstenliebe nicht mehr voneinander zu trennen, ja sie sind ununterscheidbar. Aus einem jenseitigen, allmächtigen Gott ist ein ganz diesseitiger Gott geworden, der letztlich über keine Macht verfügt, die über das hinausginge, was Menschen selbst tun. Und wiederum erfahren Menschen Gott nur in ihren gerechten |55| Beziehungen und in ihrem gerechten Tun. «Wir erfahren Gott gemeinsam oder gar nicht.»23 Solche Erfahrungen können zugleich als Wahrheitskriterium für die Existenz Gottes angesehen werden.

      Aus einer Abhängigkeit der Menschen von Gott ist hier umgekehrt eine Abhängigkeit Gottes von den Menschen geworden. Heyward bezieht diese Gedanken auch auf die Erlösung. Sie ist in dem Masse verwirklicht, als wir bereit sind, Liebe und Gerechtigkeit in dieser Welt zu verwirklichen. Der Glaube wird ganz folgerichtig zu einer ethischen Handlungsweise, die Theologie zur Ethik, denn eine Rede von Gott jenseits menschlicher Praxis erübrigt sich.

      Der Sinn einer Unterscheidung von Gott und Mensch

      Etwas abschätzig nennt man es Immanentismus, wenn sich der Himmel in die Erde hinein auflöst, Gott zum Menschen wird, auch wenn hier die Latte sehr hoch gehängt wird, nämlich als gerechtes, gemeinschaftliches Handeln. Doch so ganz scheint auch Heyward nicht von der Vorstellung eines göttlichen Gegenübers abweichen zu wollen. Dafür sprechen Stellen, an denen sie betont, dass wir gerade nicht mit Gott identifiziert werden sollen oder zusammen mit Gott daran beteiligt sind, Gerechtigkeit in unsere Welt zu bringen.24 An verschiedenen Stellen wird deutlich, dass es neben Gott als Macht in Beziehung auch eine Beziehung zu Gott gibt.

      Doch wie ist das zu verstehen? Ist dieses göttliche Gegenüber dann wie eine Freundin oder Geliebte zu verstehen, wie es ja auch in einigen Ansätzen vertreten wird?25 Ist sie darin aber, so wie gute Freundinnen es schliesslich sind, auch eine von mir und meinem Tun unabhängige Grösse?

      Ich halte die alte theologische Unterscheidung von Gott und Mensch, von Trans­zendenz und Immanenz immer noch für unverzichtbar, und mir scheint, dass auch Carter Heyward in gewisser Weise daran festhält. Denn würde es sich ansonsten nicht völlig erübrigen, überhaupt noch von Gott zu sprechen? Wenn das Göttliche nichts weiter wäre als das, was wir selbst tun? Die Kritik an dem ungebundenen, absoluten göttlichen Sein mündet bei diesem Ansatz in dessen völliger Auflösung. An seine Stelle treten der Mensch bzw. menschliche, gerechte Beziehungen. Obwohl dieser Ansatz unsere eigenen Erfahrungen, Fähigkeiten und Visionen stärkt und fördert, hat er zugleich etwas Gnadenloses. Ich meine, dass diese Gottesdefinition auch eine völlige Überforderung und Überhöhung von Menschen darstellt. Denn was geschieht, wenn es uns nicht gelingt, in gerechten Beziehungen zu leben und Gerechtigkeit zu schaffen? Was, wenn wir uns nicht einmal als eingebunden in ein gutes Beziehungsnetz erleben? Müssen Frauen sich dann nicht wieder als defizitär erleben? Denn im |56| schlimmsten Fall verwirken sie nicht nur ihr Menschsein, sondern auch noch ihr Göttlichsein.

      Der Sinn einer Unterscheidung von Gott und Mensch liegt auch darin, dass das Göttliche mir Erfahrungen ermöglicht, die ich aus mir selbst gerade nicht machen würde. Es wäre doch unendlich langweilig, wenn wir – bei aller Mannigfaltigkeit der Beziehungen – immer nur um uns selbst kreisen würden. Ich erwarte von Gott Überraschungen, die mich mir selbst fremd werden lassen, um auf diese Weise Befreiung von üblichen Routinen zu finden. Und ich erwarte, dass ich auch in meinem Tun scheitern werde und scheitern darf. Ein Ansatz, der aber einzig auf gelingendes Handeln bezogen ist, kann das Versagen nicht mehr reflektieren. Bei aller Vermenschlichung gerät diese Gottesdefinition schliesslich zu einer unmenschlichen Theologie.

      Unerwartete Clownin Gott