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Название einfach unverschämt zuversichtlich
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Жанр Документальная литература
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Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783290177942



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Gegenteil von kabbed ist qallel, eines der hebräischen Worte für «fluchen». Fluchen heisst: Jemanden leicht nehmen und leicht machen, wie Luft behandeln und übersehen, geringschätzen und verachten.

      Was ist nun das Besondere an dem Attribut kavod? Kavod ist mehr als ein göttlicher Wesenszug unter anderen. Kavod macht geradezu die Göttlichkeit Gottes aus, indem im kavod die Vielzahl der göttlichen Beziehungsweisen in Erscheinung tritt, indem Gott sich im kavod der Welt mitteilt und in der Welt sinnenfällig ankommt. Kavod ist der imponierende Wesenszug Gottes, das, was Gott in der Welt buchstäblich ansehnlich macht, so dass Gott nicht übersehen werden kann. Umgangssprachlich heisst Gottes kavod: Gott ist eine Wucht.

      Wir können kavod auch Gottes Ausstrahlung nennen. Glorie und Glanz gehören zu den Konnotationen von kavod und zeigen sich vor allem auch im Begriff doxa, der im Neuen Testament die Bedeutungsvielfalt von kavod aufnimmt.

      Beeindruckt Gott im kavod mit der Offenbarung all Ihrer Beziehungsweisen die Menschen, so soll dies auch wieder geschöpflichen Ausdruck, einen irdischen Reflex |50| finden: Gottes kavod, Gottes doxa spiegelt sich in der Schöpfung wider: «Die Himmel erzählen den kavod Gottes» (Ps 19,2a). In der Doxologie, dem Gotteslob, kehrt die doxa zu Gott zurück. Hat Gott (sich) uns imponiert, können wir uns exponieren.

      Als Inbegriff des sich selbst mitteileden, sich selbst ausgebenden Wesens Gottes zielt kavod auf wechselseitige Anerkennung von Gott und Mensch: Jesaja lässt Gott zu Israel sagen, dass Er es zu Seinem kavod geschaffen habe (Jes 43,7). Und in Sacharja 2,9 verheisst Gott: «Ich will zum kavod in ihrer Mitte werden.» Und mit den Worten von Psalm 3,4 bekennen die BeterInnen: «Mein kavod bist Du und erhebst mein Haupt.» Gott und Mensch, Schöpferin und Geschöpf machen sich gegenseitig Ehre und geben einander Gewicht.

      Wider die VerHerrlichung des göttlichen kavod

      In den meisten unserer Bibelübersetzungen werden kavod und doxa für gewöhnlich mit «Herrlichkeit» verdeutscht, was in der Dogmatik nicht nur übernommen, sondern auch begrüsst wird. So hält etwa Karl Barth die etymologische Beziehung von «Herrlichkeit» und «Herr» im Deutschen geradezu für einen Glücksfall, sieht er es doch als Aufgabe der Lehre von Gottes Vollkommenheiten an zu bezeugen, dass Gott «nicht nur der Herr, sondern als solcher herrlich und andererseits: dass jegliche Herrlichkeit die Herrlichkeit Gottes des Herrn ist».16 Die gewichtige Rolle, die kavod und doxa im Ensemble der göttlichen Beziehungsweisen spielen und die Karl Barth wie kaum ein anderer Dogmatiker wahrgenommen hat, indem er etwa auch die Schönheit und Anmut Gottes als Momente des kavod entdeckt, werden durch die vermeintlich «biblische Einheit des Herrn mit seiner Herrlichkeit»17 androzentrisch identifiziert und infiziert. Doch weder bei kavod noch bei doxa besteht irgendeine Notwendigkeit, bei der Übersetzung auf Herrschaftskategorien zurückzugreifen. «Herrlichkeit» ist mitnichten eine zwingende oder auch nur naheliegende Verdeutschung von kavod und doxa. Es sind andere als sprachliche Gründe, denen sich diese dominante Übersetzungstradition verdankt.

      Nun steht ja Karl Barth kaum im Verdacht, von Gott zu gering gedacht zu haben. Doch diese (fast) ausschliessliche Verdeutschung der semantisch geradezu überbestimmten Worte kavod und doxa mit «Herrlichkeit» stützt ein männliches Gottesbild, bringt die Gott-Mensch-Beziehung ebenso einseitig als Herrschaftsverhältnis zur Sprache und gibt zudem der Übersetzung des Eigennamens des biblischen Gottes, des Tetragramms J-H-W-H, mit «Herr» neue Nahrung. Doch «Herr» ist nicht der Eigenname, sondern nur einer der Rufnamen Gottes, die an die Stelle des unaussprechlichen Eigennamens treten.

      Wo das, was in spezifischer Weise Gottes Göttlichkeit in Ihrer beeindruckenden Erscheinung ausmacht, herrschaftsterminologisch und androzentrisch allein als |51| «Herrlichkeit» in den Blick kommt, begegnet eine der traditionell am meisten verbreiteten Herabminderungen, gleichsam eine Halbierung Gottes: Sind die Menschen in der Differenz von männlich und weiblich zum Bild Gottes geschaffen (Gen 1,26), dann kann die göttliche Beziehungsweise, die Gottes Unübersehbarkeit in der Welt bewirkt, nicht androzentrisch geprägt sein und einer vorrangig männlichen Gottesvorstellung das Wort reden.

      Das Bilderverbot – biblischer Massstab der Würdigung Gottes und des Menschen

      Die gleichursprüngliche Erschaffung des weiblichen und männlichen Menschen zum Bild Gottes fordert eine geschlechtergerechte Metaphorik im personalen Reden von Gott. Liefert die Gottesbildlichkeit als zentrales Motiv einer biblischen Anthropologie das Sachargument gegen eine (einseitige) Verdeutschung von kavod und doxa mit «Herrlichkeit», so tritt ihr das Bilderverbot als Kriterium eines angemessenen Redens von Gott zur Seite: «Du sollst dir kein Bild machen» (Ex 20,4–6; Dtn 4,16ff.; 5,8–10). Denn Gott hat sich selbst im Menschen Sein und Ihr Bild erschaffen, so dass sich in der Begegnung mit den Mitmenschen Bilder Gottes einstellen, die wir nicht herstellen können und dürfen. Die Vielfältigkeit der Bilder Gottes, die wir in der Begegnung mit den von Gott selbst gemachten Bildern, den Mitmenschen, wahrnehmen, lässt uns das Bilderverbot neu verstehen: «Du sollst dir kein = nicht ein Bild von Gott machen.» Wer sich nur ein (einseitiges) Bild von Gott macht, bildet sich ein, Gott zu kennen, über Gott im Bilde zu sein und darum auch rasch mit Gott fertig werden zu können.

      Das Bilderverbot wahrt die Freiheit Gottes, indem es der Verfügung über Gott in der menschlichen Einbildung wehrt. «Herrlichkeit» verstösst als einseitige Wiedergabe von kavod und doxa gegen das Bilderverbot. Dieses fordert, den semantischen Reichtum der gewichtigsten Beziehungsweisen Gottes wiederzuentdecken: Gewicht, Schwere, Bedeutung, Würde, Wucht, Ehre, Ansehen, Glanz, Schönheit, Anmut, Klarheit, Pracht … und damit Motive, die eine geschlechterduale Identifizierung hinter sich lassen (vgl. Gal 3,28).

      Gott Gewicht geben – Gott segnen

      «Nicht uns, Gott, nicht uns, sondern deinem Namen gib kavod» – mit dieser Bitte beginnt der Psalm 115. Und er mündet in die bekenntnishafte Selbstverpflichtung: «Wir aber, wir wollen Jah segnen – von nun an und für immer: Hallelu-Jah!» (V18). Aus der doppelten Verneinung der BeterInnen am Anfang des Psalms ist am Ende ein emphatisches «wir aber, wir» geworden. Gott gibt dem eigenen Namen Gewicht, indem die Betenden diesen Namen segnen, ein Hallelu-Jah auf ihn einstimmen. Das dem Namen Gottes alle Ehre machende Wirken Gottes und Tun der Menschen liegen ineinander, denn die Menschen können nur deshalb Gott segnen und so dem Namen Gottes Ansehen verleihen, weil sie selbst von Gott Gesegnete sind (vgl. V12f.15). |52| Als Gesegnete sind sie selbst segensfähig; als von Gott Angestrahlte (vgl. Num 6,25) reflektieren sie Gottes Glanz.

      Der Begriff «Kavodologie» ist ein Pendant zu «Doxologie», das den Sinnüberschuss der Hebräischen Bibel aufnimmt. Die intensivste Form des Gotteslobs, das die Bibel kennt, ist das Gottsegnen.18 Wie «Fluchen» (qallel) ein Leichtnehmen und Geringschätzen ist, so macht der Segen bedeutungsschwer. Psalm 115 zeigt eindrücklich wie im menschlichen Gottsegnen – frei von Konkurrenz, frei zur Kooperation – Gott und Mensch einander Gewicht geben.

      Erschienen in FAMA 4/2008: «Gewicht»

      Einige kritische Anmerkungen zu relationalen Gottesvorstellungen

      Gisela Matthiae

      Der Mensch ist keine Insel und Gott kein unberührbares, fernes, allmächtiges und allwissendes Wesen. Auch wenn die Inselträume einen immer wieder einholen und Gott in den allermeisten Gottesdiensten immer noch als Herr, König, Herrscher, Richter und Vater angesprochen wird. Nein, Freiheit als Unabhängigkeit und Autonomie gilt nicht mehr als menschliches Entwicklungsideal und als vornehmste göttliche Eigenschaft. Denn längst hat nicht nur feministische Kritik genau darin Hauptmerkmale einer patriarchalen Ordnung entlarvt. Das Ideal von Freiheit verstanden als Unabhängigkeit und Autonomie konnte bislang nur auf den Mann in seiner Entsprechung zu einem männlichen Gott zutreffen – und zwar nur solange wie Frauen die ausgeblendeten Facetten dieser Konstruktion ausfüllten: das Dasein für andere, die Unterordnung in der Rolle des Objekts und der Anderen des Mannes. |53|

      Beziehungsreiches Sein

      Donna Haraway, eine US-amerikanische Technologiewissenschaftlerin,