Zu Vermieten. John Galsworthy

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Название Zu Vermieten
Автор произведения John Galsworthy
Жанр Языкознание
Серия Forsyte
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783958131255



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aus dem anderen Raum zurückkommen und an der gegenüberliegenden Wand entlanggehen.

      Der Junge stand nun vor der Juno. Und plötzlich sah Soames an der anderen Seite der Skulptur – seine Tochter, mit, verständlicherweise, hochgezogenen Augenbrauen.

      Er konnte sehen, wie sie dem Jungen von der Seite einen strahlenden Blick zuwarf und der Junge ihren Blick erwiderte. Dann hakte sich Irene bei ihm ein und zog ihn weiter. Soames sah, wie er sich zu ihre umdrehte und wie Fleur den dreien hinterherblickte, als sie hinausgingen.

      Eine Stimme sagte munter: »Schon ein starkes Stück, nicht wahr, Sir?«

      Der junge Mann, der ihm sein Taschentuch aufgehoben hatte, war wieder vorbeigekommen. Soames nickte.

      »Ich weiß nicht, wohin das führen soll.«

      »Ach, das macht gar nichts, Sir«, erwiderte der junge Mann gut gelaunt, »das wissen die selbst nicht.«

      Dann hörte er Fleur sagen: »Hallo, Papa! Da bist du ja!«, ganz so, als ob er sie hätte warten lassen.

      Der junge Mann riss sich den Hut vom Kopf und ging dann weiter.

      »Na«, sagte Soames, während er sie musterte, »du bist ja eine sehr pünktliche junge Dame!«

      Dieser kostbare Besitz seines Lebens war von mittlerer Größe und Gesichtsfarbe und hatte kurzes, dunkel kastanienbraunes Haar. Das Weiß ihrer weitauseinanderstehenden braunen Augen war so klar, dass diese glänzten, wenn sie sich bewegten, und doch waren sie im Ruhezustand fast verträumt unter sehr weißen Lidern mit schwarzen Wimpern, die darüber wie in der Schwebe waren. Sie hatte ein sehr hübsches Profil und keine Ähnlichkeit mit ihrem Vater im Gesicht, abgesehen von einem energischen Kinn. Da er merkte, dass sein Ausdruck sanfter wurde, während er sie ansah, runzelte Soames die Stirn, um den Gleichmut zu wahren, der sich für einen Forsyte gehörte.

      Er wusste, dass sie nur zu geneigt war, seine Schwäche auszunutzen.

      Sie schob ihren Arm unter seinen und sagte: »Wer war das?«

      »Er hat mir mein Taschentuch aufgehoben. Wir haben uns über die Bilder unterhalten.«

      »Du willst das hier aber nicht kaufen, oder, Papa?«

      »Nein«, sagte Soames entschieden. »Und auch nicht diese Juno, die du dir angesehen hast.«

      Fleur zog an seinem Arm. »Ach, lass uns gehen! Das ist eine grauenhafte Ausstellung.«

      An der Tür kamen sie an dem jungen Mann namens Mont und seinem Begleiter vorbei. Doch Soames trug eine Miene zur Schau, die eindeutig sagte: »Zutritt verboten!«, und er nahm den Gruß des jungen Mannes kaum zur Kenntnis.

      »Und«, sagte er draußen auf der Straße, »wen hast du denn bei Imogen getroffen?«

      »Tante Winifred und diesen Monsieur Profond.«

      »Ah«, murmelte Soames, »dieser Kerl! Was sieht deine Tante nur in dem?«

      »Ich weiß es nicht. Es sieht ziemlich durchtrieben aus – Mama sagt, sie mag ihn.«

      Soames gab ein knurrendes Geräusch von sich.

      »Cousin Val und seine Frau waren auch da.«

      »Was?«, sagte Soames. »Ich dachte, die wären wieder in Südafrika.«

      »Nein, nein! Sie haben ihre Farm verkauft. Cousin Val will in Sussex Rennpferde züchten. Sie haben ein tolles altes Herrenhaus. Sie haben mich dorthin eingeladen.«

      Soames hüstelte: diese Neuigkeit gefiel ihm nicht. »Wie ist seine Frau denn jetzt so?«

      »Sehr ruhig, aber nett, denke ich.«

      Soames hüstelte wieder. »Er ist ein unsteter Kerl, dein Cousin Val.«

      »Oh, nein, Papa! Die beiden lieben sich wirklich aufrichtig. Ich habe versprochen, dass ich komme – von Samstag bis nächsten Mittwoch.«

      »Rennpferde züchten!«, sagte Soames. Es war überspannt, aber nicht der Grund für sein Missfallen. Warum zum Teufel hatte sein Neffe nicht in Südafrika bleiben können? Seine eigene Scheidung war schlimm genug gewesen, auch ohne die Heirat seines Neffen mit der Tochter des Mitbeklagten, noch dazu Halbschwester von June und diesem Jungen, den Fleur vorhin bei dem Pumpenschwengel angesehen hatte. Wenn er nicht aufpasste, würde sie noch alles über jene alte Schande erfahren! Unangenehme Dinge! Sie schwirrten an diesem Nachmittag wie ein Bienenschwarm um ihn herum!

      »Das gefällt mir nicht«, sagte er.

      »Ich will die Rennpferde sehen«, murmelte Fleur, »und sie haben mir versprochen, dass ich reiten kann. Cousin Val kann nicht so gut laufen, weißt du, aber er kann hervorragend reiten. Er will mir zeigen, wie sie galoppieren.«

      »Pferderennen!«, sagte Soames. »Ein Jammer, dass der Krieg dem nicht ein Ende gemacht hat. Ich fürchte, er kommt nach seinem Vater.«

      »Ich weiß nichts über seinen Vater.«

      »Nein«, sagte Soames grimmig. »Er hat sich für Pferde interessiert und sich in Paris das Genick gebrochen, beim Treppe runtergehen. Deine Tante kann froh sein, dass sie ihn los ist.« Er runzelte die Stirn, während er an die Ermittlungen zu dieser Treppe zurückdachte, bei denen er vor sechs Jahren in Paris zugegen gewesen war, da Montague Dartie selbst nicht mehr zugegen sein hatte können – eine vollkommen normale Treppe in einem Haus, wo Bakkarat gespielt wurde. Entweder war seinem Schwager sein Gewinn oder die Art, wie er ihn gefeiert hatte, zu Kopf gestiegen. Die Untersuchungen der Franzosen waren sehr lax gewesen, sie hatten ihm viel Ärger bereitet.

      Ein Ausruf von Fleur holte ihn aus seinen Gedanken zurück: »Schau mal! Die Leute, die mit uns in der Galerie waren.«

      »Welche Leute?«, murmelte Soames, obwohl er es ganz genau wusste.

      »Ich finde, diese Frau ist wunderschön.«

      »Lass uns in diese Konditorei gehen«, sagte Soames ziemlich abrupt, fasste ihren Arm fester und ging in den Laden hinein. Das war – für ihn – etwas Unerwartetes und er sagte recht besorgt: »Was möchtest du haben?«

      »Ach, ich möchte nichts. Ich hatte einen Cocktail und ein riesiges Mittagessen.«

      »Wir müssen etwas bestellen, jetzt wo wir schon hier sind«, murmelte Soames, während er ihren Arm weiter festhielt.

      »Zwei Tassen Tee«, sagte er, »und zwei von diesen Nugatdingern.«

      Doch kaum hatte sein Körper Platz genommen, da sprang seine Seele auf. Jene drei – jene drei kamen herein! Er hörte Irene etwas zu ihrem Jungen sagen, und er antwortete: »Ach nein, Mama, dieser Platz ist schon in Ordnung. Ist doch schön hier.« Und die drei setzten sich.

      In diesem peinlichsten Augenblick seines Lebens, in die Enge getrieben von Geistern und Schatten seiner Vergangenheit, in Anwesenheit der einzigen beiden Frauen, die er je geliebt hatte – seiner geschiedenen Frau und der Tochter ihrer Nachfolgerin –, fürchtete Soames diese beiden nicht so sehr wie seine Cousine June. Sie könnte eine Szene machen – sie könnte diese beiden Kinder einander vorstellen – sie war zu allem fähig. Er biss zu hastig in das Nugat und es blieb ihm an der Gebissplatte kleben. Während er daran herumfingerte, warf er einen Blick zu Fleur. Sie kaute verträumt, doch ihre Augen waren auf den Jungen gerichtet. Der Forsyte in ihm sagte: Denke, fühle, und du bist erledigt! Und er bewegte verzweifelt seinen Finger hin und her. Gebissplatte! Trug Jolyon ein Gebiss? Trug jene Frau ein Gebiss? Es hatte eine Zeit gegeben, da hatte er sie nichts tragen sehen! Das hatte ihm jedenfalls nie jemand nehmen können. Und sie wusste es, auch wenn sie dort ruhig und selbstbeherrscht sitzen mochte, als ob sie nie seine Frau gewesen wäre. Eine bittere Stimmung wallte in seinem Forsyte-Blut auf, ein subtiler Schmerz, der sich nur um eine Haaresbreite von Vergnügen unterschied. Wenn nur June nicht plötzlich in ein Wespennest stach! Der Junge sprach gerade.

      »Natürlich, Tante June« – er nannte seine Halbschwester also Tante? – nun, sie musste mindestens fünfzig sein! – »es ist wirklich toll von dir, dass du sie ermutigst. Nur – zum Teufel damit!« Soames warf verstohlen einen Blick