Der Müller von Angibault. Жорж Санд

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Название Der Müller von Angibault
Автор произведения Жорж Санд
Жанр Зарубежная классика
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Издательство Зарубежная классика
Год выпуска 0
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Worte bedarf, um die starke und die schwache Seite einer Sache einzusehen.«

      ›Ei‹, dachte Frau von Blanchemont, ›was bin ich doch für eine Närrin! Dieser Fremde ist weiter nichts, als ein Geschäftsreisender, der mit der Platzierung von Kapitalien auf dem Lande beauftragt ist. Was seine Niedergeschlagenheit, seine Träumerei am Ufer des Flusses betrifft, so rührte das einfach von der Hitze und seiner Ermüdung her, und wenn er es ist, der den Namen hier eingeschnitten, so heißt er eben zufällig Heinrich. Niemals hat sich Heinrich mit derartigen Geschäften befasst, nie den Wert eines Landguts gekannt, noch irgendwie um die Verhältnisse der Reichtümer dieser Welt sich bekümmert. Nein, nein, er war es nicht! Zudem war er vor vierzehn Tagen noch in Paris. Habe ich ihn nicht vor drei Tagen dort gesehen, ohne dass er mir gesagt hätte, er sei unlängst von dort abwesend gewesen? Was hätte er im schwarzen Tal zu tun gehabt? Wusste er auch nur, dass das Gut Blanchemont, von welchem mit ihm gesprochen zu haben ich mich nicht erinnere, in dieser Provinz liegt?‹

      Nachdem sie nicht ohne Anstrengung ihre Blicke von der Inschrift des Baumes, welche sie so sehr aufgeregt hatte, abgezogen, folgte sie ihren Wirten ins Haus, wo sie auf einem mächtigen, mit einem schneeweißen Tischtuch bedeckten Tische ein treffliches Frühstück aufgetragen fand. Weizengries (ein bäurisches Lieblingsgericht), mit Wasser zu einem festen Brei gerührt und mit Milch gekocht, Birnkuchen mit einer gepfefferten Rahmkruste, Forellen aus der Vauvre, junge Hühnchen, noch zuckend auf den Rost gelegt, Salat, mit kochendem Nussöl angemacht, Ziegenkäse und frisches Obst – alles das erschien dem kleinen Eduard ausgesucht.

      Man hatte die Gedecke der zwei Diener und der zwei Wirte auf den gleichen Tisch gelegt, wo Frau von Blanchemont sitzen sollte, und die Müllerin erstaunte nicht wenig über die Weigerung Lapierres und Susettes, sich ihrer Herrin an die Seite zu setzen; allein Marcelle verlangte, dass sie sich dem ländlichen Brauche fügten, und begann heiter dieses Leben der Gleichheit, dessen Idee sie so einladend anlächelte.

      Das Gebaren des Müllers war gerade, offen und niemals lächerlich, das seiner Mutter aber ein wenig zu unterwürfig und, die Winke ihres Sohnes, bei welchem angeborenes Zartgefühl die gute Lebensart ersetzte, nicht beachtend, setzte sie ihren Gästen ein wenig zu sehr zu, um sie zu nötigen, mehr zu essen, als ihr Bedürfnis verlangte. Es lag indessen in ihrem Drängen eine solche Herzlichkeit, dass Marcelle nicht daran dachte, es unschicklich zu finden. Die Alte besaß Herz und Verstand und ihr Sohn hatte in jeder Hinsicht viel von ihr geerbt. Dabei besaß er einen höheren Grad von Bildung, als sie, er verstand zu lesen und manches zu begreifen, was außerhalb seines nächsten Gesichtskreises lag. Im Gespräche mit ihm entdeckte Marcelle in ihm mehr rechtliche Vorstellungen, gesunde Ansichten und mehr natürlichen Geschmack, als ihr Zusammentreffen mit dem großen Mehlhändler in dem Gasthaus der Stadt am vorigen Tagen sie hatte erwarten lassen.

      Dies alles musste sie ihm aber nur gleichsam entlocken, denn er war weit entfernt, seine Vorzüge zu zeigen und eitel auf dieselben zu sein. Er bemühte sich sogar, bäurischer zu erscheinen, als er war, und man hätte sagen können, dass er überaus fürchtete, für einen ländlichen Schöngeist zu gelten, und dass er eine tiefe Verachtung für Leute hegte, welche ihre ehrliche Abstammung und ihren ehrsamen Stand schmähten, indem sie lächerliche Manieren anzunehmen trachten. Er sprach gewöhnlich mit großer Reinheit, ohne übrigens die naiven und malerischen Ausdrücke seiner Heimatgegend zu verachten. Vergaß er sich, so sprach er so trefflich, dass man ihm den Müller nicht mehr anmerkte, aber sogleich kam er wieder zu seinen Scherzen ohne Galle und zu seiner Vertraulichkeit ohne Zudringlichkeit zurück, wie wenn er es für eine Schmach gehalten hätte, sich über seine Sphäre erheben zu wollen.

      Gegen die siebente Morgenstunde kam der Patachon von gestern in die Mühle, um sich der Frau von Blanchemont wieder zur Verfügung zu stellen, und nun kam diese einigermaßen in Verlegenheit, indem sie ihren Wirten gern den um ihrer willen gemachten Aufwand vergüten wollte, und diese jede Bezahlung zurückwiesen.

      »Nein, meine liebe Dame, nein«, sagte der Müller ruhig, aber bestimmt, »wir sind keine Gastwirte. Wir könnten es sein, es wäre das nicht zu gemein für uns, aber wir sind es nun einmal nicht und werden daher nichts annehmen.«

      »Wie?« sagte Marcelle, »ich habe Ihnen so viel Unruhe und Aufwand verursacht, denn ich weiß, dass Ihre Mutter mir ihr Bett überließ, dass sie das Ihrige nahm und Sie auf dem Heuboden schlafen mussten, und Sie wollen mir nicht gestatten, dass ich Sie entschädige? Sie wurden von Ihren Morgenarbeiten abgehalten, um für uns zu fischen, Ihre Mutter hat unserer wegen den Backofen geheizt und sonst noch viele Mühe gehabt, auch haben wir Ihre Vorräte tüchtig gebrandschatzt.«

      »O, meine Mutter hat trefflich geschlafen und ich noch besser«, versetzte Louis. »Die Forellen aus der Vauvre kosten mich nichts, es ist heute Sonntag und da pflege ich ohnehin den ganzen Morgen zu fischen. Die paar Tropfen Milch, das wenige Brot und Mehl, nebst den wenigen Stücken schlechten Geflügels, dieser Aufwand wird uns nicht zugrunde richten. So ist unsere Bewirtung von keiner großen Bedeutung und Sie können dieselbe ohne weiteres annehmen. Wir werden Ihnen das gewiss nicht anrechnen, umso weniger, da wir Sie vielleicht nie wiedersehen werden.«

      »Ich hoffe doch«, entgegnete Marcelle, »denn ich beabsichtige, wenigstens einige Tage auf Blanchemont zu bleiben. Ich werde wiederkommen, um mich bei Ihnen und Ihrer Mutter für eine so herzliche Gastfreundschaft zu bedanken, wenn ich auch etwas verlegen bin, sie umsonst anzunehmen.«

      »Und warum sollte es Sie in Verlegenheit bringen, wenn Sie sich von ehrlichen Leuten einen so unbedeutenden Dienst gefallen lassen? Wenn man nur mit ihrem guten Willen zufrieden ist, dann ist man mit ihnen schon im Reinen. Ich weiß zwar wohl, dass man in den großen Städten alles bezahlen muss, bis auf ein Glas Wasser herab, aber das ist ein schlechter Brauch und bei uns auf dem Lande wäre man sehr übel daran, wenn man sich nicht gegenseitig beistände. Reden wir also nicht mehr davon.«

      »Aber Sie wollen also nicht, dass ich wiederkomme, um mich bei Ihnen zum Frühstück einzuladen? Sie nötigen mich, diesem Vergnügen zu entsagen, wenn ich nicht zudringlich werden will.«

      »Ei, das ist eine andere Sache. Wir haben nur unsere Pflicht getan, indem wir Ihnen das erwiesen, was Sie Gastfreundschaft nennen, denn wir wurden gelehrt, dies als eine Pflicht zu betrachten, und meine Mutter und ich sind nicht willens, von alten Gebräuchen abzugehen, wenn dieselben uns gut scheinen. Wenn es in der Nachbarschaft ein ordentliches Wirtshaus gäbe, so würde ich Sie gestern hingeführt haben, indem ich gedacht hätte, Sie befänden sich dort besser, als bei uns, und wohl sah, dass Sie die Mittel besäßen, Ihre Zeche zu bezahlen. Aber es gibt hier herum keines, weder ein gutes noch ein schlechtes, und ich hätte ein recht herzloser Mensch sein müssen, wenn ich zugegeben, dass Sie die Nacht unter freiem Himmel verbrächten. Meinen Sie, ich hätte Sie eingeladen, wenn ich gedacht, Sie beabsichtigten uns zu bezahlen? Nein, denn, wie ich Ihnen schon sagte, ich bin kein Gastwirt. Sehen Sie, wir haben weder einen Schild noch einen Kranz über unserer Türe.«

      »Ich hätte das bei meinem Eintritte bemerken und eine größere Zurückhaltung beobachten sollen«, sagte Marcelle. »Aber was antworten Sie auf meine Frage? Sie wollen also nicht, dass ich wiederkomme?«

      »Ei, das ist eine andere Sache. Ich lade Sie ein, zu uns zu kommen, so oft Sie immer wollen. Sie finden den Ort hübsch und Ihr Kleiner liebt unsere Kuchen. Dies ermutigt mich, Ihnen zu sagen, dass Sie uns eine Freude machen, so oft Sie kommen.«

      »Und Sie nötigen mich, jederzeit, wie heute, alles ›gratis‹ anzunehmen?«

      »Wenn ich Sie einlade? Habe ich mich denn nicht verständlich genug ausgedrückt?«

      »Und Sie sehen nicht, dass ich meinerseits auf diese Weise Ihre Gutmütigkeit missbrauchen würde?«

      »Nein, das seh’ ich nicht. Ist man eingeladen, so hat man ein Recht, es anzunehmen.«

      »Ach«, meinte Frau von Blanchemont, »ich bemerke, dass Sie die wahre Höflichkeit besitzen, welche uns mangelt. Sie unterweisen mich, dass die kluge Zurückhaltung, diese in unsern Gesellschaftskreisen ebenso eitle und unglückliche, als notwendige Eigenschaft, es dahin gebracht hat, dass sich das Wohlwollen in Komplimente verflüchtigt hat und die feine Lebensart jetzt mehr und mehr der Ausdruck einer wohlgemeinten Höflichkeit ist.«

      »Sie sprechen gut«, versetzte der Müller, indem sein