Aus zwei Welttheilen, Erster Band.. Gerstäcker Friedrich

Читать онлайн.
Название Aus zwei Welttheilen, Erster Band.
Автор произведения Gerstäcker Friedrich
Жанр Зарубежная классика
Серия
Издательство Зарубежная классика
Год выпуска 0
isbn



Скачать книгу

Kopf auf, und schnellte sich dann auf dem linken Vorderlauf in die Höhe.

      Ben hatte aber zu manches Stück Wild erlegt, als daß ihn diese Bewegung auch nur einen Augenblick länger über den Zustand des Wolfes in Zweifel lassen konnte. Im ersten Augenblick fuhr er allerdings noch einmal, und wie unwillkürlich mit der Büchse an den Backen – das war aber auch nur ein Moment – im nächsten warf er sie fort und sprang plötzlich in keckem Muth auf das, von der Minute an sich wieder ganz kräftig und rasend sträubende Thier.

      »Hoho, mein Bursche! rief der junge Jägersmann dabei, und lachte mit wilder Freude in sich hinein, während er seinen Arm mit eiserner Gewalt um den wüthend dagegen ankämpfenden Körper des Wolfes schlang – hoho – einfach gecreast2 – hahahaha – ja strample nur, strample nur Herz, der Falle entgehst Du nicht – wenn Du nicht im Stande wärst, aus der Haut zu rutschen.«

      Das Thier, das nun sein volles Bewußtsein wieder erlangt hatte, schien jetzt erst zu begreifen in welcher höchst mißlichen Lage es sich eigentlich befinde und suchte mit aller ihm zu Gebote stehender Kraft um sich zu beißen, und durch Treten und Kratzen seine Freiheit wieder zu gewinnen. Doch vergebens, Ben hielt es wie in einem eisernen Schraubstock und drückte sich dabei so mit dem ganzen Gewichte seines schweren Körpers darauf, daß der arme also ertappte Wolf endlich und als auch seine Kräfte vollständig erschöpft waren, wenigstens für kurze Zeit ruhig liegen mußte.

      Was aber nun thun? – den Wolf tödten? das wäre allerdings mit nur wenig Schwierigkeiten verknüpft gewesen, denn Ben trug sein haarscharfes Jagdmesser im Gürtel. Aber war nicht jetzt sein Ziel erreicht? – einen lebendigen, gesunden, unbeschädigten Wolf wollte er haben, und den hielt er in diesem Augenblick hier unter sich so fest als ob er ihn im Leben nicht wieder loslassen wollte. Doch wie ihn binden und festhalten? nicht einmal einen Lederriemen führte er bei sich, nichts als seinen Gürtel und wie hätte er es überhaupt wagen dürfen auch nur den Versuch zu machen? Ließ er dem Wolf nur ein wenig Luft so gab es nachher einen Kampf, in dem er ihn entweder ernstlich beschädigen, oder gar frei lassen mußte – das eine fast so schlimm wie das andere. Und das schwere Thier bis zur Ansiedlung tragen? – er hätte ohne den Wolf eine halbe Stunde gebraucht sie zu erreichen – viel weniger mit ihm – aber es blieb ihm weiter keine Wahl.

      »Entweder oder,« murmelte er, »Du oder ich, Bursche, und so mag denn der Abend über mein Glück, über mein Unglück entscheiden. Zum Teufel auch, habe doch schon manchen starken Hirsch getragen, der noch einmal so schwer war wie der hier, und das blos um des elenden Wildprets wegen – werden mir heute die Kräfte nicht versagen, da es das Höchste – oder doch wenigstens einen Triumph über den schurkischen Feind gilt.«

      Und mit dem raschen Entschluß nahm er seinen Halt fest um das, sich jetzt wieder mit rasender Wuth sträubende Thier, brachte den rechten Fuß unter sich, und stand, die Schulter gegen einen kleinen danebenstehenden Gumbaum stützend, langsam auf. Er hatte den Wolf mit dem Rücken gegen sich, mit dem linken Arm zwischen den beiden Vorderläufen durch gepackt, und den rechten Arm ihm fest um die Weichen geschlagen und hielt ihn so eng zusammengepreßt, daß er ihm mit seinen Zähnen gar nicht schädlich werden konnte.

      Die Büchse mußte er natürlich zurücklassen, auch die Mütze war ihm bei dem Ringkampf entfallen, doch das hinderte ihn nicht; mit fest zusammengebissenen Zähnen und zum Aeußersten entschlossen, wanderte er seine wunderliche sich unaufhörlich sträubende Last im Arm, Schritt vor Schritt weiter – der fernen Ansiedlung zu.

      Im alten Gerichtshaus herrschte indessen noch immer laute lärmende Fröhlichkeit, Bowle nach Bowle wohlschmeckenden süßen Stewes war gebraut, und der Raum endlich durch Kerzen, Trunk und Tanz so heiß geworden, daß man selbst das kleine, nach dem Holz hinausführende Fenster öffnete, um nur frische Luft herein zu bekommen.

      Die Töne der Violine schwirrten immer rascher und gellender in Jigs und Hornpipes, die Füße der Tänzer klapperten immer behender auf dem schon blank gescharrten Boden; Metcamp war besonders ausgelassen lustig, er nannte die arme Betsy – die sich übrigens hartnäckig weigerte weder mit ihm noch einem der andern Gäste zu tanzen – nicht anders wie »sein süßes Bräutchen«, umarmte den alten Sutton ebenfalls zweimal als »Schwiegerpapa« und wußte seiner Ausgelassenheit gar keine Grenzen.

      Eine kleine Unterbrechung hatte indessen stattgefunden; »Lord Howe's Hornpipe« war eben beendigt und einige Erfrischungen wurden herumgereicht. Betsy, die auf ihres Vaters Befehl die Bedienung überwachen mußte, saß unfern dem Eingang, nicht weit vom Schenktisch, und Metcamp, der sich dicht neben sie gestellt, flüsterte ihr eben einige fade Schmeicheleien in's Ohr, die ihr die zornige Röthe auf die Wangen trieben, als plötzlich Etwas mit gewaltigem Poltern von außen gegen die Thüre schlug.

      »Hallo!« schrie der Bräutigam zusammenfahrend – das ist ein unhöfliches Anklopfen – »wer da?«

      Die übrigen Gäste wandten sich Alle rasch und erstaunt nach dem Lärmen um, die einzige Antwort von dort her war aber ein erneutes, noch viel stärkeres Gepolter.

      »Ei so hol' doch der Henker die Unverschämtheit!« rief da Metcamp; »ich will doch sehen –«

      Rasch ergriff er den ledernen Riemen der an dem Drücker hing, riß daran und stieß die Thüre auf.

      »Ha!« – Vor sich ein Paar stiere funkelnde, fast aus ihren Höhlen drängende Augen – ein weit aufgerissener Rachen mit blutiger, heraushängender Zunge und weißem fürchterlichen Gebiß – ein Wolfskopf wie ihn sich die Einbildung nur schrecklich und Entsetzen erregend ausmalen kann – hinter ihm aber, dicht über dem gräßlichen Rachen, das todtenbleiche, wildblickende Angesicht Ben Holik's, vom Schein der Kerzen geisterhaft beleuchtet.

      »Der Wolf! – Der Wolf!« schrie da Metcamp nach einem, nur fast flüchtigen Blick auf die schauerliche Gruppe. – »Der Wolf!« und durch die hinzudrängenden Gäste brach er in wilder Hast sich Bahn, zum Fenster sprang er, und ehe nur noch irgend Jemand sein Vorhaben hätte errathen, oder ihn gar daran verhindern können, flog er mit scheuem Satz hinaus und in's Freie.

      Die Hintenstehenden, die noch gar nicht sehen konnten was eigentlich die Ursache solch wunderbarer Behendigkeit gewesen, lachten; die nächst der Thüre aber fuhren ebenfalls, kaum minder als Metcamp selbst erschreckt, zurück, und starrten überrascht die wunderliche Gruppe an, aus der sie Ben Holik's todtenfahle Züge jetzt erkennen konnten.

      »Die Glocke – die Glocke!« war aber Alles was der Jäger mit heiserer, nur den Nächsten verständlicher Stimme zu lallen vermochte – »die Glocke – ich kann – ich kann nicht mehr.«

      »Heiliger Gott!« schrie da Betsy, die schon bei dem ersten Ausruf Metcamps entsetzt empor gesprungen war und ihren Augen kaum trauend, keines Wortes, keiner Bewegung mächtig, in das todtenbleiche, fürchterlich entstellte Antlitz des Geliebten gestarrt hatte, »heiliger, allmächtiger Gott! zu Hülfe – zu Hülfe!«

      »Die Glocke! flehte aber nur Ben – Betsy die Glocke oder meine Arme erstarren.«

      »Die Glocke? – was für eine Glocke?« fragten die Umstehenden wild durcheinander.

      »Ha – die Wolfsglocke!« rief da das Mädchen – das Ganze ihr bis dahin Entsetzliche, jetzt rasch und froh begreifend – »die Wolfsglocke, nur noch einen Moment Ben – nur noch wenige Secunden und ich bin wieder da.«

      Und rasch zur Thür hinaus, dicht an den klaffenden Fängen der Bestie vorbei – so dicht daß ihre Schulter die blutträufende Zunge fast berührte, glitt die Jungfrau flüchtigen Laufes in das dicht daneben gelegene Haus ihres Vaters, wo die Glocke noch in der Stube (unter der Büchse, wo er sie neulich bei seiner Zurückkunft hingethan) hing, hob sie schnell herunter und war in kaum einer Minute Zeit schon wieder zurück mit dem Verlangten.

      Indessen hatten sich aber die Männer dort ebenfalls von ihrer ersten Ueberraschung erholt; der alte Sutton war zu ihnen getreten, und rasch begreifend um was es sich hier handle, wollte er Ben unterstützen und ihm den Wolf vielleicht abnehmen. Das gab aber der Jäger nicht zu, da er seiner wie des alten Mannes Sicherheit wegen nicht wagen durfte dem festen Halt, den er einmal an der Bestie hatte, zu entsagen. Kaum erschien aber Betsy mit der Glocke, so nahm sie ihr Sutton rasch aus der Hand, schlang den Riemen um des,



<p>2</p>

creasen nennt der amerikanische Jäger den Schuß über dem Rückgrate oder noch häufiger Hals eines Wildes, wenn die Kugel auf die oberen Halssehnen und Muskeln gedrückt hat, ohne sie zu durchschneiden, was das Thier augenblicklich zu Boden wirft, aber nur für den Moment betäubt, und nicht im mindesten beschädigt. Nach sehr kurzer Zeit erholt es sich gewöhnlich wieder, und wenn der Jäger dann nicht schnell mit Büchse oder Messer bei der Hand ist, springt es wieder auf und ist nicht selten weit aus dem Bereich der Kugel ehe der verblüffte Schütze, der sich seine schon sicher geglaubte Beute auf einmal wieder entgehen sieht, seine Sinne gesammelt hat. Die westlichen Indianer fangen auch mit diesem Schuß die wilden Pferde, wobei natürlich mehr erschossen als gefangen werden.