Inselwelt. Zweiter Band. Australische Skizzen.. Gerstäcker Friedrich

Читать онлайн.
Название Inselwelt. Zweiter Band. Australische Skizzen.
Автор произведения Gerstäcker Friedrich
Жанр Зарубежная классика
Серия
Издательство Зарубежная классика
Год выпуска 0
isbn



Скачать книгу

er auch vor einer solchen Aufgabe nicht zurück.

      So viel schien gewiß, daß Mulligan, nachdem sie die übrige Bande glücklich überlistet, keine weiteren Begleiter mehr hatte, auf deren Hülfe er sich verlassen konnte.

      In seine alte Hütte war er übrigens nicht wieder zurückgekehrt, und Tolmer, um seine beiden Wachen nicht länger dort unnütz zu verwenden, ließ das Nest in Brand stecken. Hatte der Buschrähndscher dann noch irgend etwas darin versteckt oder vergraben, so sollte es ihm wenigstens schwer werden, es wiederzufinden.

      Außerdem entwarf Tolmer einen anderen Plan. Er schickte nämlich seine Mannschaft als Bündelleute vereinzelt auf alle Stationen in der Nachbarschaft, sich dort zu zerstreuen und selber auf den verschiedenen Stellen die Nachricht zu verbreiten, daß die Polizei gelandet wäre und die Buschrähndscher aufgehoben hätte. Während sie sich natürlich unter die Arbeiter mischten, erfuhren sie dann vielleicht, ob der flüchtige Verbrecher wohl irgendwo gesehen worden.

      Am zweiten Tage hatten sich aber Alle wieder in der Nähe der verbrannten Hütte einzufinden, um gemeinschaftlich zu operiren.

      Der Plan mochte ganz gut sein, erwies sich aber als erfolglos. Allerdings brachten die Leute von drei, vier verschiedenen Seiten die Nachricht mit, Mulligan sei dort in der Nähe gesehen worden. Die wahrscheinlichsten dieser Stellen wurden auch untersucht, doch ohne den geringsten Erfolg. Nicht einmal die Spur des Flüchtigen fand man, und es blieb jetzt außerordentlich schwer, zu sagen, ob sich der Buschrähndscher nach dem Osten oder Westen der großen Insel gewandt habe.

      Borris selber war dafür, nach dem festen Lande zurückzukehren und lieber wieder hierher zu kommen, wenn Mulligan auf's Neue irgendwo einen bestimmten Aufenthalt genommen. Tolmer aber, starr wie immer den einmal gefaßten Plan im Auge, wollte davon nichts hören und gedachte einen anderen Versuch zu machen.

      Er theilte seine Leute in zwei Trupps – den einen von fünf Mann unter Borris' Führung schickte er nach Osten zu und die anderen, wie den Matrosen, der sich freiwillig erboten hatte ihnen beizustehen, behielt er bei sich, um damit nach Westen hin die Insel abzusuchen. In vier Tagen spätestens sollten Alle wieder am Schooner zusammentreffen, und hatten sie den Flüchtigen dann nicht eingefangen, so wollten sie die Jagd für dies Mal aufgeben.

      Borris schüttelte den Kopf zu dem ganzen Unternehmen, denn er kannte besser wie sein Vorgesetzter, das Innere der Insel und die Schwierigkeit, darin von einer Stelle zur andern zu gelangen. Tolmer aber, Feuer und Flamme für den jetzt entworfenen Plan, ließ keine Einrede gelten, und die beiden Parteien trennten sich noch an demselben Morgen.

      Einem schmalen Kuhpfade folgend, wanderte Tolmer mit seinen Leuten ab, gerieth aber bald in ein so furchtbares Dickicht von jenen nichtswürdigen Känguruhdornen, von denen das ganze Innere der Insel überwuchert war, daß sie sich nur mit Mühe und Noth einen Weg seitwärts hindurch und mehr der Küste zu brechen konnten. Was sollten sie auch in einem solchen Dickicht, in dem Mulligan selber nicht fortkonnte, sich also auch wohl hüten würde es zu betreten.

      Ziemlich erschöpft und ohne den ganzen Tag ein lebendes Wesen angetroffen zu haben, erreichten sie Abends einen kleinen Bach und lagerten dort, und Tolmer sah jetzt die Unmöglichkeit ein, das eigentliche Innere des Busches, wie er beabsichtigt hatte, abzusuchen. Es blieb ihm nichts übrig, als sich auf die besiedelten oder doch wenigstens zugänglichen Theile der Küste zu beschränken.

      Gegen Morgen hörten sie einen Hund bellen; schon am letzten Abend hatten sie Schafspuren gefunden und es ließ sich erwarten, daß sie wenigstens nach der Richtung und in der Nähe des Trinkwassers eine Schäferhütte finden würden. Darin hatten sie sich auch nicht geirrt. Als sie nach rasch eingenommenem Frühstück dorthin aufbrachen, fanden sie mitten im Busch, aber an einer von Dornen vollkommen freien Stelle, eine kleine Rindenhütte liegen, und Tolmer ließ seine Leute noch zurück, erst selber allein den Platz zu recognosciren.

      Der Schäfer war mit seiner Heerde schon vor einer Stunde ausgezogen, den Hutkeeper oder Hüttenwächter fand Tolmer aber gerade beschäftigt, die gewöhnlichen Damper zu backen, und ließ sich mit ihm in ein Gespräch ein.

      »Holla, Mate,« sagte er nach einer Weile, als er am Feuer saß und den für ihn rasch warmgestellten Becher Thee trank, »Ihr seid ja hier außerordentlich fleißig mit Brodbacken. Da stehen, wie ich sehe, zwei große fertige Damper, hier unter der Asche liegt auch noch einer und Ihr rührt schon wieder frische an. Macht Ihr sie zum Verkauf?«

      »Ja, schön zum Verkauf,« sagte der eben nicht besonders appetitlich aussehende Bursche mit einem Kernfluche, »ein prächtiger Platz wär' das hier im Busche zum Verkauf, wo man das ganze gesegnete Jahr keinen blanken Schilling zu sehen bekommt. Die Käufer, die hierher kommen, soll überhaupt der Teufel holen, sobald er Lust hat, und wenn meine Zeit um ist, will ich verbrannt werden, wenn ich nur eine Stunde länger in den blutigen Dornen sitzen bleibe.«

      »Es treibt sich hier viel Gesindel im Busche herum, wie?« warf Tolmer hin.

      Der Hutkeeper sah ihn mißtrauisch von der Seite an und meinte dann:

      »O, Gott bewahre; es sind lauter Gentlemen und noch dazu Menschen, wie die Kinder; was sie sehen, wollen sie haben.«

      »Seid Ihr kürzlich belästigt worden?« frug Tolmer, der nicht mit Unrecht glaubte, daß er von dem Hutkeeper für nichts Besseres, als eben auch für einen Buschrähndscher gehalten würde.

      »Ich will Euch was sagen, Fremder,« meinte da der Bursche, indem er sich von seiner Arbeit aufrichtete und die mehlbedeckten Fäuste zur Seite von sich hielt, »es ist ein altes Gesetz, im Busche sich – das Maul nicht zu verbrennen – an heißen Blechbechern mein' ich – Ihr versteht mich schon.«

      »Nichts für ungut, Freund.«

      »Bitte, bemüht Euch nicht,« meinte der Hutkeeper trocken. »Es könnte sein, daß morgen Jemand käme und nach Euch früge, und dann wär's Euch auch vielleicht angenehm, wenn ich ein kurzes Gedächtniß hätte.«

      Tolmer lachte. Mit der Politik derartiger Buschleute aber vollkommen vertraut, kannte er recht gut die Triebfedern, die ihn zum Schweigen brachten, und er lenkte das Gespräch auf etwas Anderes, um erst einmal herauszubekommen, mit wem er es hier zu thun habe. War es ein früherer Sträfling, dann ließ sich freilich nicht viel von ihm erwarten, doch sah er ihm zu jung dafür aus und vorsichtige Fragen konnten das bald aufklären. Tolmer hatte sich auch nicht in seinem Manne geirrt. Jim Riddle war erst vor zwei Jahren mit einem Auswandererschiffe als freier Mann nach Australien gekommen, hier sein »Glück zu machen« – nicht »Damper für alles blutige Gesindel im Busche zu backen«, wie er hinzusetzte, und schien das ganze Land schon so satt zu haben, daß er je eher je lieber wieder nach Alt-England zurückgekehrt wäre, wenn er eben gewußt hätte, womit.

      Einmal darüber im Reinen nahm Tolmer keinen Anstand länger, dem Hutkeeper zu sagen, wer er selber sei und weshalb er auf die Insel gekommen wäre – diese nämlich von der Plage herumstreifenden Gesindels zu befreien. Er rief dann seine Leute herbei, die der Hutkeeper aber immer noch mißtrauisch betrachtete, denn sie sahen ihm nicht aus wie Polizei, und erst als ihm Tolmer seine Vollmacht vorlegte, die das große Regierungssiegel trug, wurde er überzeugt.

      »Dann ist's recht,« sagte er, mit einem kräftigen Hiebe die rechte geballte Faust in die linke schlagend, daß der Mehlbrei überall umherspritzte, »dann hab' ich nichts dagegen, und ich gönne Euch die Gesellschaft des unheimlichen Burschen, der hier seit zwei Tagen herumkriecht, von ganzem Herzen.«

      Und nun erzählte er mit einfachen und kurzen Worten, daß vorgestern ein Mann, dessen Beschreibung Tolmer keinen Zweifel ließ, Mulligan sei damit gemeint, zu ihm in die Hütte gekommen wäre, und Essen und Tabak verlangt hätte. Der Fremde trug eine Muskete und sah wild und zerfetzt genug aus. Jim Riddle gab ihm beides, um ihn nur loszuwerden. Gestern aber war er wieder gekommen, sich neuen Vorrath zu holen, und hatte ihm mit allem Möglichen gedroht, wenn er an irgend Jemand durch eine Sylbe verrathe, daß er bei ihm gewesen. Ja, noch mehr, er verlangte von dem Hutkeeper, der selber keine Waffen hatte sich zu widersetzen, daß er ihm von jetzt an, die nächsten Tage wenigstens, einen besonderen Damper backe, und ihm denselben mit Fleisch und Thee nicht weit von dort in den Busch bringe. Er mußte selber mit ihm gehen, daß er ihm die Stelle zeigen konnte.

      Wahrscheinlich