Название | Die Enkel des Kolumbus |
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Автор произведения | Rüdiger Euler |
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Издательство | |
Год выпуска | 2025 |
isbn |
Die Enkel des Kolumbus
Rüdiger Euler
Umschlagbild: Mónica Vásquez de Euler
Einleitung:
Es steht wohl außer Zweifel, dass Kolumbus in erster Linie Spaß am Entdecken hatte. Seine Entdeckung führte dann jedoch leider dazu Südamerika zu erobern. Im Namen der Krone, des Kreuzes und des lukrativen Goldraubes.
Man könnte seine Entdeckung in gewisser Hinsicht mit der Entdeckung der Atomenergie vergleichen: beides geriet dann in die Hände der Politiker, und Mord und Totschlag konnte beginnen.
In kurzer Zeit hatten die Spanier das geraubte Gold verpulvert, und etwa 300 Jahre später mussten sie Südamerika räumen. Lange Zeit dämmerten sie dann vor sich hin: sie hatten nichts anderes gelernt als aus anderer Leute Taschen zu leben.
Im Geschichtsunterricht hörten wir von großen Feldzügen und Helden: Alexander der Grosse, die Römer, später Napoleon, die Zaren, die Kolonialkriege. Neueren Datums, – ich hörte davon in den 50er Jahren schon nichts mehr im Geschichtsunterricht -, Hitlers Krieg mit seiner Idee vom Lebensraum im Osten, die Japaner in Fernost, und brandneu: der Irakkrieg der US-Amerikaner.
Die Welt ist jedoch dabei sich zu verändern. Die Früchte der militärischen Siege werden immer zweifelhafter. Hitlers 1000 jähriges Reich war recht kurzlebig, Putin sieht in Tschetschenien nicht sehr gut aus, und Bush hofiert händeringend die UNO um sich aus dem Dilemma im Irak wieder herauszuziehen. Das Zeitalter der Eroberungsfeldzüge und Besatzungsmächte scheint vorüber. Selbst „erfolgreiche“ Wirtschaftskriege weiten sich zu Eigentoren aus. Als Thailand und Korea mit finanzpolitischen Machenschaften ruiniert wurden bekam es sogar die internationale Hochfinanz mit der Angst zu tun.
Die Enkel von Kolumbus müssen andere Hausaufgaben machen, um ein besseres Leben genießen zu können. Hochrangige Politiker von Industrienationen besuchen bettelarme afrikanische Staaten (Kanzler Schroeder, 2004) und beschwören sie doch was für ihre Entwicklung zu tun, damit man mit ihnen Geschäfte machen könne.
Die UNO gewinnt an Einfluss, wirtschaftliche Zusammenarbeit ist aktueller denn je!
Meine Welt.
Ich war Anfang der Fünfziger 8 Jahre alt, sensibel und still. Ein braver Junge, aber mit “Eigenleben”. Ich spürte damals mehr als es zu wissen, dass da was schrecklich schief gelaufen war mit meinem Vaterland. Wir lernten Geschichte bis zum letzten deutschen Kaiser. Für die Zeit danach war Funkstille. Die Weimarer Republik wurde gerade noch gestreift.
Die arbeitsfähigen Deutschen verdrängten nach dem Zweiten Weltkrieg ihre Vergangenheit. Sie lebten intensiv die Gegenwart. Arbeit war das Wichtigste. Es gab viel Solidarität untereinander.
Hilfsbereitschaft und Zusammenarbeit waren das Gebot der Stunde. Geld gab´s im Rahmen des Marshallplans. Die Alliierten hatten aus der Geschichte gelernt: den Fehler von Versailles wiederholten sie nicht.
Das Resultat war binnen weniger Jahre ein Wirtschaftswunder in Deutschland. Der zigarrenrauchende dicke Kanzler Ehrhard flößte den Deutschen Vertrauen ein. Damals war es wohl einfacher Kanzler zu sein in Deutschland als heute. Es ging beständig bergauf im Land. Langsam aber sicher kehrte Wohlstand ein.
Aber es war absolut nicht alles in Ordnung in dieser Zeit. Die Deutschen hatten einen schlechten Ruf. Sie waren die bestgehasste Nation der Erde. Sie hatten 40.000.000 Tote auf dem Gewissen, hatten der Welt Elend und Verderben gebracht. Und zuhause? Ich erinnere mich nicht, dass über Hitler oder über den Krieg oder darüber wie die Familie durch all die Jahre gekommen war gesprochen wurde. Meine Schwester bekam da schon mehr mit. Sie war bei Kriegsausbruch 5 Jahre alt, und 1945, auf der Flucht vor den Russen die nach Berlin einmarschierten, war sie schon 11. Sie konnte gut rennen und sich wieselflink in den Straßengraben werfen, wenn die Jagdbomber den Flüchtlingstreck beschossen. Sie erlebte die Bombardierungen Berlins und die Flucht in einprägsamen Bildern, und konnte später zuhause recht gut die Gesprächsfetzen einordnen und sich einen Reim daraus machen, wenn mal etwas über diese Zeit gesagt wurde.
Ich wurde 1942 in Berlin geboren. Wir wohnten in Hermsdorf -, ein Villenviertel im Norden Berlins. Als Säugling, – mein Geburtstag war im Sommer -, verbrachte ich viel Zeit unter den alten Kiefern im Garten hinter dem Haus, erzählte mir meine Mutter. Die Idylle war kurz: schon bald heulten die Sirenen, und meine Mutter hastete mit mir auf dem Arm in den Keller, weil sie dachte sie wäre dort vor den Bomben sicher. Zum Zeitpunkt der Flucht war ich, unglaublich für diese Zeit in der es nichts zu essen gab, ein dickes Baby. Ich aß gerne Grützensuppe, etwas anderes gab es eh nicht. Es wird mir ein Rätsel bleiben wie meine Eltern die Flucht überlebt haben, es schafften mit mir auf dem Arm zu überleben in diesem Inferno. Wie sie mir später erzählten schleppten sie auch noch einen Handkarren mit, voll mit den Sachen die man brauchte. Wo kam eigentlich das Essen her in dieser Zeit? Es gab keine Geschäfte, kein Geld, keine Landwirtschaft, es gab… nichts.
Meinen Bruder hingegen hatte es böse erwischt. Er ist Jahrgang 29 und kam als
16-jähriger, kurz vor dem Zusammenbruch, mit seiner Schulklasse zum Waffeneinsatz gegen die von Westen vordringenden Amerikaner. Die Klasse wurde “aufgerieben”, mein Bruder wurde von einer Kugel aus dem Bord-MG eines Panzers getroffen. Ein Teil seines Rückenmarks wurde zerstört. Später fand ihn mein Vater über Listen des Roten Kreuzes in einem Militärlazarett der Amerikaner. Er war halbseitig gelähmt. Mit eiserner Willenskraft lernte er jedoch sich zu bewegen und zu gehen. Aber die Nervenbahnen waren geschädigt und versagten nach und nach wieder den Dienst. Die letzte Zeit saß er im Rollstuhl, und vor 2 Jahren erlag er den fortschreitenden Lähmungen im Körper. Mein Vater arbeitete vor dem Krieg in der Verwaltung der evangelischen Kirche Deutschlands in Berlin. Dies führte dazu, dass er während des Krieges zur Zivilverwaltung der Stadt Berlin abgestellt wurde. Da er nicht Soldat war bekam er nach dem Krieg sofort Anstellung im Sozialministerium in Rheinland-Pfalz. Zuerst in Koblenz, dann in Mainz. Rheinland-Pfalz war damals französische Besatzungszone. Unser Gymnasium in Mainz war eigentlich mehr ein Trümmerhaufen als ein Gebäude. Ganz Mainz war ein Trümmerhaufen. Die alliierten Bombergeschwader legten Mainz in einer Februarnacht 1945 in Schutt und Asche. Im Keller der Schule gab es ein paar Räume in denen wir unterrichtet wurden. Die Mäuse liefen munter auf den Rohren unterhalb der Zimmerdecke entlang und fesselten unsere Aufmerksamkeit. Obwohl wir im Keller waren tropfte das Regenwasser durch die Decke.Auf dem Schulweg war ein Hotel: der Mainzer Hof. Eines der wenigen Häuser im Mainzer Zentrum welches nicht zerstört war. Manchmal stiegen da Ausländer aus einem Auto und gingen in das Hotel. Ich fand das aufregend. Wenn dies während dem Schulweg passierte blieb ich meist stehen und schaute mir das Schauspiel an. Meine Phantasie arbeitete auf Hochtouren: wo die wohl herkommen?
Zum ersten mal war ich im Ausland als 8 jähriger im Rahmen einer Kinderverschickung, organisiert vom Deutschen Rotem Kreuz. Es ging im Zug über die Alpen, durch die Poebene an die Adria nach Çesenatico, bei Rimini. Zum ersten mal am Meer, zum ersten mal der Anblick der Alpen! Es war überwältigend. Es war das Größte was mir passieren konnte. Alles, alles fand ich unglaublich schön.
Die zweite Gelegenheit Ausland zu erleben ergab sich Jahre später über unser Gymnasium. Unser Englischlehrer, Herr Dirk, war auch der Leiter des deutsch-englischen Jugendclubs in der Schule. Er fragte mich, ob ich im Club mitmachen wollte. Gut dass er mich darauf ansprach: von alleine wäre ich nicht auf die Idee gekommen zu fragen, selbst wenn ich das gedacht hätte. Aber ich fand die Sache natürlich prima! Meine Mutter fand das auch gut. Mein Vater äußerte sich nicht dazu. Wir machten Zeltlager, Bogenschiessen und „Indiaka“ (ein weicher Lederball mit drei Federn) waren unsere Clubsportarten, wir hatten spannende Zusammenkünfte, sangen Lieder und machten uns gegenseitig Julpakete zu Weihnachten. Diese Julpakete sind vielleicht mit den russischen Püppchen vergleichbar: es sind viele Päckchen ineinander, immer mit einem anderen Namen drauf. Wer das letzte Päckchen öffnete war dann der dem das Päckchen gehörte.
Das Aufregenste: unser Club hatte Verbindung mit einem College in Birmingham und dem dortigen englisch-deutschen Jugendclub. Wir konnten interessierte Schüler vom College in Birmingham während der Ferien zu uns einladen, und hatten die Möglichkeit im Austausch nach England zu fahren. Meine Eltern waren mit beidem einverstanden. Mainz war zwar eine Trümmerstadt,