Название | Middlemarch |
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Автор произведения | George Eliot |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783752988956 |
»Ich werde mich freuen, Ihrem Eifer reichere Gelegenheit zu seiner Entfaltung bieten zu können,« entgegnete Herr Bulstrode. »Ich meine dadurch, daß ich Ihnen die Oberleitung meines neuen Hospitals anvertraue, wenn eine reifliche Erwägung aller in Betracht kommenden Fragen mich zu einem solchen Ergebnis führen sollte; denn ich bin entschlossen, mir bei der Verfolgung eines so großen Zwecks von unsern beiden Ärzten keine hindernden Fesseln anlegen zu lassen. In der Tat hoffe ich, Ihre Ankunft in dieser Stadt als ein ermutigendes Anzeichen dafür betrachten zu dürfen, daß meine Anstrengungen, welche bisher auf einen vielfachen Widerstand gestoßen sind, fürderhin durch einen reicheren Segen werden belohnt werden. Bei dem alten Krankenhause haben wir schon fürs Erste gewonnenes Spiel – ich meine durch Ihre Wahl. Und nun hoffe ich, Sie werden sich durch die Furcht vor der Eifersucht und Abneigung Ihrer Kollegen nicht abschrecken lassen, als Reformator aufzutreten.«
»Ich will nicht mit meinem Mute prahlen,« sagte Lydgate lächelnd, »aber ich bekenne mich zur Freude am Kampfe, und ich würde keine Achtung vor meinem Berufe haben, wenn ich nicht glaubte, daß in ihm so gut wie auf irgend einem andern Gebiet bessere Methoden aufzufinden und in Wirksamkeit zu setzen wären.«
»Die Vertretung Ihres Berufes steht noch auf einer sehr niedrigen Stufe in Middlemarch, mein lieber Herr,« erwiderte der Bankier. »Ich meine, was Kenntnisse und Geschicklichkeit, nicht was gesellschaftliche Stellung anlangt; denn unsere meisten Ärzte sind mit respektablen Familien hier verwandt. Mein eigener mangelhafter Gesundheitszustand hat mich genötigt, mich ein wenig mit den Linderungsmitteln zu beschäftigen, welche die göttliche Gnade für uns bereitet hat. Ich habe bedeutende Ärzte in der Hauptstadt konsultiert und weiß daher leider! wie weit man in unsern Provinzialdistrikten noch in der Ausübung der ärztlichen Kunst zurück ist.«
»Ja! – bei dem gegenwärtigen Stande unserer medizinischen Erziehung und Praxis muß man sehr zufrieden sein, wenn man nur hie und da einem anständigen Praktiker begegnet. Was alle höheren Fragen anlangt, welche über den Ausgangspunkt einer Diagnose entscheiden, die Philosophie der medizinischen Untersuchung, so ist nicht die leiseste Ahnung von diesen Dingen ohne eine wissenschaftliche Bildung möglich, von welcher Landpraktiker gewöhnlich so wenig einen Begriff haben wie der Mann im Monde.«
Herr Bulstrode, der mit vorgebeugtem Körper und gespannter Aufmerksamkeit zugehört hatte, vermochte Herrn Lydgate in der Begründung seiner zustimmenden Erklärung nicht ganz zu folgen. Unter solchen Umständen lenkt ein kluger Mann die Unterhaltung auf ein anderes Gebiet, auf welchem er mehr zu Hause ist.
»Ich weiß,« sagte er, »daß es in dem Wesen der ärztlichen Geschicklichkeit begründet ist, sich vorzugsweise materieller Mittel zu bedienen. Nichtsdestoweniger hoffe ich, Herr Lydgate, daß wir in unseren Ansichten in Betreff einer Maßregel nicht auseinander gehen werden, bei welcher Ihre tätige Beteiligung wahrscheinlich nicht in Anspruch genommen werden wird, bei welcher mir aber Ihre mitwirkende Teilnahme von Nutzen sein kann. Ich hoffe, Sie erkennen das Vorhandensein geistlicher Interessen bei Ihren Patienten an?«
»Das tue ich gewiß; aber die von Ihnen gebrauchten Worte sind bei verschiedener Auffassung des Gegenstandes verschiedener Auslegungen fähig.«
»Ganz richtig. Und eben bei solchen Gegenständen ist eine falsche Belehrung ebenso verhängnisvoll wie keine Belehrung. Ein Punkt, der mir daher sehr am Herzen liegt, ist eine neue Regulierung der Seelsorge in dem alten Krankenhause. Das Gebäude steht in Herrn Farebrother's Kirchspiel. Kennen Sie Herrn Farebrother?«
»Ich habe ihn einmal getroffen; er hat mir seine Stimme gegeben, und ich muß ihn besuchen, um ihm zu danken. Er scheint ein sehr munterer, angenehmer, kleiner Mann zu sein und ist, wie ich höre, ein Freund der Naturwissenschaften.«
»Herr Farebrother, mein lieber Herr, ist ein Mann, an welchen man nicht ohne schmerzliche Gefühle denken kann. Ich glaube, es gibt keinen Geistlichen in diesem Lande, der mehr Talent besäße.«
Herr Bulstrode hielt inne und sah nachdenklich vor sich hin.
»Ich bin bis jetzt durch die Auffindung besonderer Talente in Middlemarch noch nicht schmerzlich berührt worden,« sagte Lydgate ganz ungeniert.
»Was ich wünsche,« fuhr Herr Bulstrode noch ernster fort, »ist, daß die Seelsorge des Herrn Farebrother durch die Anstellung eines Kaplans beseitigt werde, daß dieser Kaplan Herr Tyke sei, und daß kein anderer geistlicher Zuspruch benutzt werden möge.«
»Als Arzt würde ich über eine solche Angelegenheit keine Meinung äußern können, ohne Herrn Tyke zu kennen, und selbst wenn ich ihn kennte, würde ich doch erst wissen müssen, in welchen Fällen er seine geistlichen Dienste zu leisten haben würde.«
Lydgate lächelte, aber er war entschlossen, in seinen Äußerungen behutsam zu sein.
»Natürlich können Sie die Bedeutung dieser Maßregel jetzt noch nicht ganz würdigen. Aber« – und hier fing Herr Bulstrode mit einer noch prononcierteren Emphase zu sprechen an – »aber sehr wahrscheinlich wird der Gegenstand vor den ärztlichen Vorstand des Hospitals gebracht werden, und da hoffe ich zuversichtlich darauf rechnen zu dürfen, daß Sie dem von uns in Aussicht genommenen Zusammenwirken entsprechend, sich, so weit es auf Ihr Urteil ankommt, durch meine Gegner in dieser Angelegenheit nicht werden beeinflussen lassen.«
»Ich hoffe, daß ich mit geistlichen Streitigkeiten nichts zu tun haben werde,« erwiderte Lydgate. »Mir liegt nur daran, in meinem eigenen Berufe den richtigen Weg zu gehen.«
»Meine Verantwortlichkeit, Herr Lydgate, ist umfassenderer Art. Ich lasse mich bei der Beurteilung dieser Frage in Wahrheit von dem Bewusstsein der Rechenschaft leiten, welche ich einem höheren Richter schuldig bin; während meine Gegner, wie ich mit gutem Grunde behaupten darf, darin nur eine Gelegenheit erblicken, ihrer Neigung zu weltlicher Opposition zu frönen. Aber ich werde deshalb kein Jota von meinen Überzeugungen aufgeben und nicht aufhören, für die Wahrheit einzustehen, welche von einer verderbten Generation gehaßt wird. Ich habe die Verbesserung der Hospitäler zu meiner Lebensaufgabe gemacht; aber ich bekenne Ihnen offen, Herr Lydgate, daß ich mich nicht für Hospitäler interessieren würde, wenn ich glaubte, daß es sich bei denselben um nichts als um die Heilung irdischer Leiden handle. Mich treibt etwas anderes zum Handeln, und ich werde daraus angesichts meiner Verfolger kein Hehl machen.«
Diese letzten Worte hatte Herr Bulstrode in einem aufgeregten und laut flüsternden Tone gesprochen.
»In diesem Punkte weichen unsre Ansichten von einander ab,« erwiderte Lydgate, war aber gar nicht böse, als jetzt die Tür geöffnet und Herr Vincy gemeldet wurde.
Dieser blühende, menschenfreundliche Mann war ihm interessanter geworden, seit er Rosamunde gesehen hatte. Nicht, daß er sich, wie sie, in Bildern einer Zukunft gefiel, in welcher ihre Geschicke untrennbar verknüpft sein würden; aber jeder Mann erinnert sich mit Vergnügen eines reizenden Mädchens und nimmt gern eine Einladung zu Tische an, wenn er sie wiederzusehen hoffen darf. Noch bevor er sich verabschiedete, hatte Herr Vincy ihn mit der Einladung beehrt, mit welcher er früher »keine Eile« gehabt hatte; denn – diesen Morgen beim Frühstück hatte Rosamunde bemerkt, es scheine ihr, daß ihr Onkel Featherstone den neuen Doctor sehr in Affektion genommen habe.
Sobald Herr Bulstrode sich mit seinem Schwager allein befand, schenkte er sich ein Glas Wasser ein und öffnete eine Butterbrotdose.
»Ich kann Dich nicht zu meinem Regime bekehren, Vincy?«
»Nein, nein, ich habe keine Meinung für Dein Regime. Der Körper will