Gargoyles. Maria Spotlight Bennet

Читать онлайн.
Название Gargoyles
Автор произведения Maria Spotlight Bennet
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783985103010



Скачать книгу

Vater hatte so vieles für die Grimm getan. Aber auch ihm war es nie gelungen, Orgun zu vernichten. Er hatte ihm im Kampf ein Auge ausgeschlagen, aber seinen Kopf hatte Viktor nie als Trophäe mit nach Hause bringen können. Wieso also verlangte er es jetzt von Ash, wenn er wusste, mit welchen Waffen Orgun zu kämpfen pflegte? Der Wächter ließ den Ratsaal hinter sich. Er ging in die Bibliothek, wohin er sich gerne flüchtete, wenn er alleine sein wollte, denn in diesen Teil ihres unterirdischen Reiches kamen nur die wenigsten und jene, die überhaupt antanzten, schenkten ihm keine Beachtung, worauf er abzielte. Zwischen zwei Meter hohen dunklen Eichenschränken, die außer etlichen Schriftstücken der Zeit noch zentimeterdicken Staub beinhalteten, verkroch er sich; er fühlte sich bei dem schummrigen Licht an den Wänden wohl und dem Geruch des in Leder gebundenen Papiers. Ein Schriftstück hatte es Ash schon in seiner Kindheit angetan. Die Geschichte der Gargoyles. Der Legende nach waren die Gargoyles verflucht worden, niemals von einem Menschen gesehen werden zu können. Stellenweise war Ash dankbar dafür, immerhin war er so was wie ein Engel, nur mit den Flügeln eines Teufels. Auch das war ein Teil ihres Fluchs. Ash ging zu dem Buch, welches er immerzu aufschlug, wenn er nach hier unten kam. Es lag ordentlich wie immer aber geschlossen auf dem kleinen Altar in der Mitte des Raumes und bildete quasi eine Art Heiligtum, das die Augen beim Hereingehen auf sich lenkte, während die anderen Bücher aus Frust, nicht beachtet zu werden, vor sich hinseufzten. Seine Finger blätterten zu der Seite, an der die Geschichte der Grimm und der Pearce aufgeschrieben worden war. Wie hatte es nur so weit kommen können? Immerhin waren sie vom selben Schlag. Warum also Krieg führen? Wegen Habsucht? Hätte Viktor lieber seine Schätze hergegeben, dann würde Ashs Mutter Lavendia noch leben und keiner müsste leiden. Wieder spürte der Gargoyle Zorn in seiner Brust. Nur ein einziges Mal möchte er von seinem Vater gelobt werden. Möchte anerkannt werden für seine Taten. Er opferte viel, um den Klan der Grimm vor feindlichen Angriffen zu schützen. Ja, und sogar Derek, er kannte diesen Bastard seit seiner Kindheit, hatte viele Stunden mit ihm verbracht. Derek war älter als Ash, er hatte ihm vieles beigebracht, weshalb es den beiden wohl schwer viel, sich gegenseitig zu töten. Und Orgun, er hatte mit Viktor gelacht, hatte Brot und Wein mit ihm geteilt. Doch dann waren aus Freunden plötzlich Feinde geworden. Was als gemeinsames Schicksal begonnen hatte, war durch das Streben nach mehr Reichtum geopfert worden wie ein Lamm in einem heidnischen Ritual. Mehr als zweihundert Jahre waren seit der Ermordung seiner Mutter vergangen und Ash konnte nur auf ein Leben in Dunkelheit zurückblicken. Krieg und Zerstörung begleiteten ihn seither wie zwei Wachhunde und würden ihn immer daran erinnern, welchen Rang er innerhalb des Klans hatte. Er und Derek waren in ihrer Jugend beide zu Wächtern ausgebildet worden. Der einstige Grundgedanke hinter diesem Posten war simpel gewesen. Als Wächter hatte man dafür zu sorgen, dass die Menschen den Gebieten der Gargoyles nicht zu nahe kamen. Die erste Legion an Wächtern hatte goldene Rüstungen getragen, die von dunkelblauen Ornamenten gekrönt waren. Ihre Helme mit den schmalen Sehschlitzen boten schon damals optimalen Schutz für den sensiblen Kopfbereich. Diese Rüstungen verrotteten inzwischen in den Kellergewölben des Grimmklans. Ihre Kampftechniken hatten sich ebenfalls weiterentwickelt. Zumeist bewaffnet bis an die Zähne, kämpften die Wächter inzwischen nicht mehr dafür, von den Menschen in Ruhe gelassen zu werden, sondern sorgten dafür, dass die Zahl des gegnerischen Klans immer weiter schrumpfte. Es war eine Blutfehde, deren Schrecken nicht enden wollte und die indessen viele Gesichter angenommen hatte. Ashs sowie Dereks Aufgabe lag demnach darin, Ausschau nach dem Feind zu halten, ihn kalt zu machen und weitere Gebiete Londons zurückzufordern. Denn nach Lavendias Tod hatten die beiden Klans sich innerhalb der Stadt in alle Richtungen verteilt. Manche Verstecke waren bekannt, wiederum andere galt es noch zu entdecken. Das war der Punkt, an dem die Wächter ins Spiel kamen, denn der Krieg zwischen den Grimm und den Pearce war auch ein Territorialkrieg. Erst letzten Monat hatten Ash und sein Team einen kleinen, stillgelegten U-Bahn Schacht von den Pearce befreien können. Doch vier Wochen zuvor hatten sie ihren Außenposten unterhalb des Museums of Art verloren. Und vor neun Jahren da war es geschehen. Ash spürte wieder die Kälte in seinem Herzen aufkommen, den Kummer, der ihn drohte zu zerbrechen. Elaine. Jeder Buchstabe in ihrem Namen schmerzte ihn so sehr. Er hatte sie geliebt, doch dann war sie in seinen Armen gestorben. Der Trupp der Wächter hatte den Pearce eine Falle gestellt, die sich gegen sie gewandt hatte. Und wieder sah Ash ihren sterbenden Körper vor seinem geistigen Auge. Er blätterte schnell weiter, um sich abzulenken und kam zu den beiden fehlenden Seiten. Jemand klappte ihm das Buch vor der Nase zu; es war Dean.

      „Was machst du hier?“, keifte ihn sein Bruder wie ein tollwütiger Hund an.

      „Ich lese“, antwortete Ash ihm ruhig. Er wusste, dass Dean manchmal hitzköpfig war. Als sie noch Kinder waren, hatte Ash seinen Bruder in fast jedem Kampf geschlagen. Dean hasste ihn dafür, dass er, als sein ältester Bruder, von Ash übertroffen worden war. Aber Deans Fähigkeiten beliefen sich auf etwas anderes. Daher war er in noch jungen Jahren als oberster Schriftführer in den Rat berufen worden. Normalerweise oblag dieser Posten nur den Ältesten. Aber Viktor hatte es so gewollt.

      „Was willst du, Dean?“

      „Vater schickt mich, dich zu holen. Du weißt es ist Essenszeit.“

      Unter den Kathedralen der Westminster Abbey Church hatten sie ihr Zuhause. Dort unten hatte sich das Volk der Grimm eine wahre Stadt erbaut. In der großen Halle saßen sie am Abend zusammen und teilten die Speisen miteinander. Ash folgte Dean den Flur entlang, der zum Saal führte. Fackeln tanzten an den Wänden, ihr warmes Licht brach sich an den Stellen, wo sie keine Chance gegen die Finsternis hatten. Ganz vorne saß Viktor als Klanoberhaupt und trank Wein aus einem verzinkten Becher. Er unterhielt sich mit Vlad, einem der Ältesten. Vlad sah furchteinflößend aus, mit seinem kreisrunden Gesicht wie das eines Kürbis, in dem kreisrunde, aber hohle Augen lagen. Sie waren immerzu rot umrandet, es lag vermutlich an seinem zu hohen Weinkonsum. Ash verglich ihn gerne mit einem aufgedunsenen Zombie, der zu lange im Wasser gelegen hatte. Der Wächter lief durch die Reihen, als er plötzlich festgehalten wurde.

      „Hi Ash“, piepste Jessica ihm zu und berührte ungeniert seine Hand.

      „Hallo Jessica“, seufzte Ash leicht genervt. Er hatte nichts gegen sie, eigentlich mochte er sie, auch wenn sie ihm zuweilen zu sehr auf den Leim rückte. Sie war seine Nervensäge und ja, Jessicas Aussehen war nicht von schlechten Eltern. Ihr platinblondes, langes Haar fiel ihr in glatten Strähnen vom Kopf. Sie hatte eine liebliche Art, konnte aber schlagartig zum Biest werden, wenn man sie reizte. Und, das musste Ash zugeben, ihre Brüste hingen wie süße, reife Äpfel von ihrem Körper und sie gewährte durch das Tragen von körperbetonten Shirts gerne einen Blick darauf. Aber heute war dem Wächter nicht zum Flirten zumute. Erstens lag ihm die Rüge seines Vaters noch bitter auf, zweitens hatte er ein schlechtes Gewissen Elaine gegenüber, denn sein Herz wollte sie nicht vergessen. Und drittens war ihm unwohl bei dem Gedanken, dass Jessica sich nur seinetwegen zur Ausbildung als Wächterin gemeldet hatte.

      „Na, wo hast du dich heute rumgetrieben?“, fragte sie ihn und holte ihn damit aus seiner Gedankenspule.

      „Ich …“, setzte er an zu antworten, wurde aber schon im nächsten Augenblick von Dean gepackt und weiter nach vorne geschliffen.

      „Wir reden später, okay?“, rief er Jessica noch rüber, aber er sah nicht mehr, wie sie ihren Daumen zum Zeichen ihres Einverständnisses hob.

      Viktor stellte seinen Becher ab und entließ Vlad mit einer Handbewegung aus ihrem Gespräch. Dieser stand auf und verschwand.

      „Setzt euch“, wies Viktor seine Söhne an.

      Ash nahm an seinem rechtmäßigen Sitz Platz, während Dean sich direkt neben seinen Vater gesellte. Zwischen Viktor und Ash war ein Sitzplatz frei.

      „Wo ist eure Schwester?“, zischte das Klanoberhaupt ungehalten hervor.

      Zwischen all der Aufregung hatte Ash nicht bemerkt, dass seine ältere Schwester Freya nicht anwesend war.

      „Du kennst doch Freya, Vater, in ihr lebt eben der Geist unserer Mutter“, versuchte Dean seinen Vater zu beruhigen, der seinerseits die Frage weniger an seinen ältesten Sohn, sondern vielmehr an Ash gerichtet hatte. Wieder war der Wächtergargoyle den anmaßenden Blicken seines Erzeugers ausgeliefert.

      „Ich habe keine Ahnung, wo sie sein könnte“, gab Ash ermüdet