Название | Das Herz des Zauberers |
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Автор произведения | Betty Kay |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783960895077 |
Als es schließlich an meiner Tür klopft, zucke ich zusammen. Ich habe nicht bemerkt, wie die Zeit verflogen ist. Habe ich mich tatsächlich zwei Stunden lang in Selbstmitleid gewälzt? Von draußen dringt Janifiks Stimme zu mir. Er klingt besorgt. Anscheinend ist der Moment gekommen, an dem meine Anwesenheit beim Fürsten verlangt wird. Statt die Gelegenheit zu nutzen, meinen Großvater um Rat zu bitten, habe ich mehr Tränen vergossen als in meinem ganzen bisherigen Leben zusammen.
»Geh weg«, brumme ich.
»Der Fürst wird bereits ungeduldig«, mahnt Janifik. »Ihr solltet ihn nicht länger warten lassen, wenn Ihr nicht in seine Ungnade fallen wollt.«
Sobald unser Fürst erfährt, was passiert ist, stehe ich ohnehin nicht mehr in seiner Gunst. Den Respekt, den ich mir mühsam erarbeitet habe, hätte ich innerhalb einer Sekunde verloren. »Ich kann ihm jetzt nicht unter die Augen treten.«
Diese Aussage zieht einen Moment entsetzten Schweigens nach sich. »Ehrenwerter Zauberer. Was soll ich ihm sagen?«
»Teile ihm mit, ich bin mitten in einer Sitzung. Ich empfange gerade Schwingungen aus allen Teilen des Landes. Diesen wichtigen Grad der Versunkenheit kann ich nicht verlassen, ohne die Geister zu verärgern.«
»Natürlich. Bei allen Göttern! Es tut mir leid, Euch gestört zu haben.«
Schlechtes Gewissen regt sich in mir. »Schon gut. Das konntest du nicht wissen. Aber jetzt geh.«
Schritte entfernen sich. Was Janifik jetzt wohl von mir denkt? Ob es ihm gelingt, den Fürsten davon zu überzeugen, dass ich unbedingt Zeit allein brauche?
Ich hole die Schüssel aus meiner Tasche und fülle sie mit Wasser. Dann konzentriere ich mich auf meinen Großvater, stelle mir sein Gesicht vor und schäme mich gleichzeitig, weil ich ihm meine Schwäche gestehen muss.
Am besten verrate ich ihm nicht alle Details der letzten Nacht. Mit Sicherheit sollte Oremazz nicht erfahren, dass ich mich dem König der Nebelseelen hingegeben habe, dass ich ihm erlaubt habe, Elevanders Körper zu benutzen, damit wir zusammen sein können. Ich kann ihm erzählen, Umock sei verschwunden, er und seine Soldaten hätten uns im Stich gelassen. Den Grund dafür kenne ich nicht. Ich weiß nicht, ob sein Aufbruch mit dem zu tun hat, was zwischen uns passiert ist. Ich kann keine direkte Verbindung zwischen den beiden Dingen herstellen, aber was verstehe ich schon von der Welt?
Habe ich letzte Nacht etwas falsch gemacht?
Sofort verachte ich mich selbst für diesen Gedankengang. Habe ich tatsächlich so wenig Selbstachtung, wieder einmal die Schuld bei mir selbst zu suchen? Es war ein Fehler, mich auf Umock auf diese intime und berauschende Art einzulassen. Doch in gewisser Weise ist meine Schwäche auch verständlich. Seit ich Umock das erste Mal getroffen habe, sind meine Emotionen auf die Probe gestellt worden. Er hat mich herausgefordert und mir das Gefühl gegeben, die Zuneigung eines anderen Wesens verdient zu haben. Ich habe ihm misstraut und mich gleichzeitig danach gesehnt, bei ihm Halt zu finden. Er hat mich glauben lassen, ich wäre etwas Besonderes. Ein Teil von mir hat immer versucht, ihn zu beeindrucken. Was nicht völlig abwegig ist und was mich zu einem besseren Zauberer gemacht hat. Umock hat mich viel Neues gelehrt.
Hätte mein Großvater diese Aufgabe übernommen, wäre es niemals so weit gekommen. Hätte Oremazz mir gezeigt, dass ich Wissen, Ehrlichkeit und Zuneigung wert bin, wäre ich nicht so empfänglich für Umocks Umwerbung gewesen. Meine Vergangenheit hat mich für seine Annäherungsversuche anfällig werden lassen. Wenn man es genau nimmt, trägt Oremazz die Verantwortung daran, dass ich Umock gegenüber schwach geworden bin. So viele Dinge in meinem Leben sind schiefgelaufen, weil der Große Zaubermeister sich mir gegenüber nie wie ein Großvater verhalten hat.
Nie ist er für mich da. Auch jetzt lässt er mich warten. Wieso zum Teufel nimmt er die Verbindung nicht an, die ich zu ihm aufnehmen will?
Wut steigt in mir auf. Dieser Tag ist bereits so schrecklich gestartet. Ich fühle mich richtig schlecht, weil Umock mich hintergangen hat. Wieso setzt sich das Drama denn auch noch an anderer Stelle fort? Weshalb lässt Oremazz mich gerade jetzt seine Überlegenheit spüren?
Ich konzentriere mich ganz auf meinen Großvater. Möglicherweise ist es nicht hilfreich, wenn ich meine Gedanken abschweifen lasse. Mein Ärger auf ihn könnte verhindern, dass wir miteinander in Kontakt treten können. Sollte das der Fall sein, würde Oremazz mir die Schuld daran geben. Ich kann ja doch nichts richtigmachen.
Als die Verbindung einfach nicht entstehen will, schließe ich meine Augen. Ich stelle mir meinen Großvater vor, lenke all meine Gedanken auf ihn, doch das Rauschen, mit dem üblicherweise die Verbindung über die Entfernung hinweg einhergeht, ist nicht zu hören. Meine Magie verpufft spürbar im Nichts. Irgendetwas stimmt nicht.
Mein Herz beginnt zu rasen. Ich fühle mich so allein, wie schon seit Langem nicht mehr. Elevander vermisse ich seit Tagen. Umock ist seit heute Morgen verschwunden. Und mein Großvater … Nein, ich brauche ihn. Jetzt, da ich alles verloren habe, seit ich ohne Umocks Unterstützung gegen unsere Feinde dastehe, benötige ich Oremazz’ Rat, sein Wissen und seine Fähigkeiten so dringend wie nie zuvor.
Hat er sich gänzlich von mir abgewendet? Er kann mich doch jetzt nicht im Stich lassen. Wenn er mir eine Lektion erteilen will, dann ist das der völlig falsche Weg.
Es fühlt sich nicht an, als würde er mich aussperren oder sich lediglich weigern, Kontakt mit mir aufzunehmen. Das hier ist anders. Ich darf nicht auf die Stimme der Unsicherheit und des mangelnden Glaubens an mich hören. Wenn ich die Anzeichen richtig lese und mich nicht von der Angst bestimmen lasse, von Oremazz wieder einmal mit Absicht auf Abstand gehalten zu werden, dann weiß ich, was hier los ist.
Die Verbindung zu meinem Großvater ist abgerissen.
Ich kann meinen Herzschlag überdeutlich laut hören. Er schwillt an, wird zu einem Rhythmus der Panik. Niemand ist hier, an den ich mich wenden kann. Die Verantwortung ruht nun ganz allein auf meinen Schultern. Niemand darf bemerken, dass die Nebelseelen uns nicht mehr unterstützen. Das, was letzte Nacht passiert ist, muss mein Geheimnis bleiben. Die Folgen wären zu schrecklich.
Vermutlich ist das die Strafe dafür, den Todesverhinderungszauber angewendet zu haben. Nun muss ich dafür bezahlen, Elevander gerettet zu haben, obwohl der Tod ihn sich bereits geholt hat. Mein Großvater hat mich gewarnt. Ich wollte ihm nicht glauben, als er behauptet hat, ich hätte einen Fehler begangen. Noch immer spüre ich das brennende Verlangen in mir, Elevander zu retten. Würde ich noch einmal auf diesem Schlachtfeld stehen und beobachten, wie mein bester Freund von dieser Waffe getroffen wird, würde ich die Worte noch einmal aussprechen. Ich kann meine Tat nicht bereuen. Es war das einzig Richtige. Und tief in meinem Herzen glaube ich nicht, dafür bestraft werden zu dürfen.
Möglicherweise hat der Zauber auch keine Schuld an meiner Unfähigkeit, die Verbindung mit meinem Großvater herzustellen. Die Götter zürnen mir möglicherweise nicht aufgrund meiner Entscheidung, Elevander zu retten. Doch letzte Nacht habe ich etwas anderes getan, was man mir zum Vorwurf machen könnte.
Ich habe mich Umock hingegeben. Mitten in gefährlichen Zeiten habe ich die Wollust über meinen Verstand bestimmen lassen. Wie viel Scham ich darüber empfinden müsste. Ich sollte mich schrecklich fühlen, weil ich etwas so Ungehöriges getan habe, während rund um mich herum Chaos ausgebrochen ist. Oremazz würde mich dafür direkt in die Hölle schicken. Unser Fürst würde mich verstoßen, würde er die Wahrheit herausfinden. Sollte er erfahren, welche Folgen meine Tat hat, würde er dafür sorgen, dass ich meines Lebens nicht mehr froh wäre.
Und doch kann ich es nicht bereuen. Umock verdanke ich eine wundervolle Erinnerung, ein Erlebnis, das mich verändert hat. Ich würde es niemals ungeschehen wünschen. Es rückgängig machen zu wollen, wäre ein Frevel, den ich nicht begehen werde. Wenn ich etwas ändern könnte, würde ich vielleicht jede einzelne Sekunde dieser Nacht noch intensiver genießen. Ich würde mich ganz auf Umock einlassen, ihn näher erforschen, ihn mit meiner Magie durchleuchten, bis ich alles von ihm wissen würde. Und dann würde ich seine geheimsten Wünsche