Der Beschützer - Psychothriller. Inger Frimansson

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Название Der Beschützer - Psychothriller
Автор произведения Inger Frimansson
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788726445084



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auf seine Schultern zu setzen. Sie nahm leicht den Geruch von Achselschweiß wahr. Ihr Unterleib wurde gegen sein Hemd gepresst und unter ihr wurde es warm und hart, wie ein angespannter, kontrollierter Schwindel. Als er sich erhob, hielt sie sich schnell an seiner Stirn fest, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.

      »Geht’s?«, hörte sie seine Stimme.

      »Ja«, murmelte sie. »Ich denke schon.«

      Langsam und vorsichtig richtete er sich auf, stand breitbeinig da. Sie hatte die ganze Zeit ein wenig Angst, aber er hielt ihre Beine in festem Griff.

      »Franki, du fällst doch nicht hin«, flüsterte sie.

      »Dazu sind schon andere Dinge notwendig, dass ich hinfalle!«

      Schließlich stand er kerzengerade da und sie kam oben an. Da wurde sie ganz ruhig.

      »Was für ein Glück, dass du gerade jetzt gekommen bist«, rief sie in einer Art fröhlichen Übermuts. »Als ob ich dich bestellt hätte!«

      »Ach, ich habe das eben gespürt. Waltraut needs me, habe ich gedacht. Und dann habe ich alles stehen und liegen lassen und bin losgelaufen.«

      »Sonst hilft mein Vater mir immer«, erklärte sie. »Mit allem, was ich nicht kann.«

      »Hast du keinen Freund?«

      »Nein. Im Augenblick nicht.«

      Während sie da oben auf seinen Schultern saß und die Decke bearbeitete, brach sie plötzlich in lautes Lachen aus.

      »Wenn uns jetzt jemand sehen könnte!«, prustete sie los.

      »Reiß dich zusammen«, ermahnte er sie, lachte dann aber auch los, seine Schultern hüpften unter ihren Schenkeln.

      »Was für ein Anblick das wohl ist!«

      »Darüber können wir uns später Gedanken machen. Jetzt schraube die Haken rein. Und pass auf, dass wir dabei nicht umkippen!«

      Schließlich war alles fertig. Die Engel hingen dort, wo sie hängen sollten. Franki und Waltraut standen in der Türöffnung und bewunderten sie.

      »Danke für deine Hilfe«, sagte sie.

      »Aber du warst es doch, die die Arbeit gemacht hat.«

      »Das stimmt ja so nun nicht.«

      Er sagte, er müsse jetzt gehen. Er habe seiner Mutter versprochen, nach der Lichterkette in ihrem Schaufenster zu sehen. Die würde die ganze Zeit ausgehen, irgendwas war daran kaputt.

      »Bis bald«, sagte sie und streckte ihm die Hand entgegen. Er nahm sie und hielt sie fest.

      »Wirklich, Waltraut? Bis bald?«

      Sie nickte.

      »Ja, das hoffe ich doch.«

      Nein. Sie hatte im Augenblick niemanden. Früher war es Staffan gewesen, er sang im Chor und sie waren mehrere Jahre lang zusammen gewesen. Das ist keine leidenschaftliche Sache gewesen, eher eine Freundschaft mit kurzem, peinlichen Beischlaf, weil das nun einmal dazu gehörte. Eine Zeit lang war sie in einen Gastdirigent verliebt gewesen, aber das hatte sich nicht weiter entwickelt. Er hatte sie eines Abends, als sie in einem Krankenhaus gesungen hatten, geküsst und sie dann in seinem Auto zu dem Hotel gefahren, in dem er wohnte.

      »Du bist schön, Waltraut«, hatte er gemurmelt und ihren Kopf zwischen seine schlanken Hände genommen.

      Er hatte sauer aus dem Mund gerochen. Das hatte sie zur Besinnung gebracht.

      »Willst du mit hochkommen und einen Drink mit mir nehmen oder so?«, hatte er sie gefragt.

      »Darf man das denn?« Sie war sich plötzlich ganz billig vorgekommen.

      »Ja, natürlich. Natürlich darf man das. Schließlich bezahle ich fürs Zimmer. Dann kann ich auch darüber verfügen, wie ich will.«

      Verfügen hatte sie gedacht.

      »Oder möchtest du etwas anderes haben? Kaffee oder so?«

      »Nein. Gar nichts. Es ist schon gut so.«

      Sie hatte sich verabschiedet und war voller Wut nach Hause gefahren. Dort hatte sie sich ein Bad eingelassen und war im Wasser liegen geblieben, bis es fast kalt war. Alle ihre Freundinnen waren zu diesem Zeitpunkt schon lange verheiratet. Mehrere von ihnen hatten Kinder. Sollten Mann und Kinder jemals in ihrem Leben einen Platz haben?

      Sie war eine Künstlerin. Sie war mehr als nur Fleisch und Blut. Sie ging auf den Flur und stellte sich vor den Spiegel. Ihr gefiel der eigene Anblick. Schmal wie ein Knabe, flache Brüste, blond und zerzaustes Engelshaar. Als hätte auch sie es sein können, die sie da drinnen aufgehängt hatten, Franki und sie.

      Würde er doch ... sie wieder packen und hochheben, sie wie eine Katze beim Nacken fassen. Ihr die Hose herunterreißen, alles zerreißen bis hin zur dünnen Haut.

      Sie zog sich vor dem Spiegel aus, blieb dort eine Weile stehen, streichelte sich. Krümmte die Finger und kam in einer tiefen, jagenden Explosion.

      5

      Johnny Karlsson taten alle Glieder weh. Er hatte das Gefühl, als wäre eine Erkältung im Anzug. Er war morgens direkt nach Hause gefahren und ins Doppelbett geschlüpft, das von Lottas Körper noch warm war. Sie machte das Bett nie, wenn er nachts gearbeitet hatte, stopfte nur die dicke Daunendecke fest, sodass die Wärme sich drin halten konnte. Manchmal lag ein eilig geschriebener Zettel auf seinem Kopfkissen. »Küsschen, ich liebe dich.«

      Aber nicht an diesem Morgen.

      Sie war vor einer halben Stunde gegangen. Die Kinder waren in der Schule. Das Haus war leer. Er suchte im Badezimmerschrank nach Lottas Sobril, fand aber keine, nur die Folienpackung mit den Antibabypillen. Er nahm zwei Fiebertabletten und kroch ins Bett. Es pochte wie von Fieber hinter seiner Stirn. Jedes Mal, wenn er die Augen schloss, kam die Nacht zurück. Engen, der da im Schnee lag, seine weißen, von der Trockenheit aufgerissenen Lippen.

      Und dann Almis. Ohne Helm. Die Atemmaske herunterhängend, schaukelnd wie ein Jojo, als sie ihn trugen.

      Er war tot. Da gab es keinen Zweifel.

      Der Feuerwehrmann Stefan Almgren, sein Kollege seit elf Jahren, war nicht mehr am Leben.

      Johnny drehte sich auf den Bauch, als ob er sich nicht in der gleichen Position wie der tote Stefan Almgren befinden wollte, die Toten liegen immer auf dem Rücken, den Mund offen. Es war schwarz von Ruß um seine Nase gewesen, das typische Zeichen für Rauch in der Lunge, der Rußkuss des Todes.

      Almis. Er musste in Panik geraten sein.

      »Wir werden drüber reden, wenn wir zurück auf der Wache sind«, hatte LB, der Gruppenleiter gesagt. Immer ganz cool und unberührt. Als ob es darum ging, die Sauerstoffflasche bei einer Uniform auszutauschen.

      »Nein«, hatte Johnny erwidert. »Ich fahre nach Hause und hau mich aufs Ohr. Mir steckt ’ne Grippe in den Knochen.«

      Wo war Almis jetzt?

      Vermutlich in irgendeinem Untersuchungszimmer im Södersjukhuset. Frisch gewaschen von Krankenschwesternhänden. Mit irgendwelchen blöden Rosen auf der Brust. Friedlich. Als schliefe er. Er sollte nicht schlafen. Das war ungerecht. Almis war jung. Er sollte vielmehr leben.

      Und LB würde anrufen, das gehörte zu den Aufgaben des Gruppenleiters. Oder wohl eher hinfahren. Zu den Angehörigen. Wenn er es schaffte. Vielleicht mussten es auch welche von der Polizei übernehmen. Die waren das eher gewohnt.

      Eine blöde Geschichte fiel Johnny dabei ein. Von dem Priester, der eine Todesnachricht überbringen sollte. »Entschuldigen Sie, sind Sie die Witwe Almgren?« »Die Witwe? Nein.« »Oh doch. Wollen wir wetten?«

      Nein, verdammt noch mal. Almis lebte ja in Scheidung. Maria war abgehauen. Maria mit dem großen Busen.

      Johnny fror. Er hatte sich nur in Unterhose hingelegt, jetzt musste er aufstehen und etwas Warmes suchen. Die Wolldecke aus Gotland hing über