Manipuliert. Teri Terry

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Название Manipuliert
Автор произведения Teri Terry
Жанр Книги для детей: прочее
Серия
Издательство Книги для детей: прочее
Год выпуска 0
isbn 9783649629078



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das Mädchen. »Wir sind alle immun! Nur unsere Mummy nicht …« Ihr bricht die Stimme weg. »Daddy ist nicht krank geworden wie Mummy.«

      Wütend und verängstigt funkeln die Leute die Kinder an. Bobby fixiert sie so lange, bis sie den Blick senken. »Ihr solltet euch schämen. Das sind doch Kinder!«

      Bobby kniet sich vor die beiden. »Tut mir leid, aber wir wissen nicht, wo euer Daddy ist. Soldaten haben ihn abgeführt.«

      Eine Frau, die am Boden liegt, schaut lustlos herüber. »Heute Morgen, als ich kam, hat auch jemand den Test nicht bestanden. Den haben sie mit den Toten zum Scheiterhaufen gebracht, gefesselt und ins Feuer geworfen.«

      Ungläubig sehe ich die Frau an. Musste sie das sagen? Die Kinder heulen beide und ich möchte mit einstimmen. Ihre Mutter ist schon tot, nun auch noch ihr Vater … war das wirklich meine Schuld?

      »Das können die doch nicht machen, bloß weil einer den Test nicht besteht«, meint Kai. »Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.«

      »Der hat nur so getan, als wäre er immun. Deshalb haben sie ihn ins Feuer geworfen«, entgegnet die Frau.

      »Er war ein Überlebender, muss so sein«, flüstert jemand und krümmt sich vor Schmerzen. »Ich dachte, ich wäre immun, aber da habe ich mich wohl geirrt. Der Mann hat im Warteraum neben mir gesessen. Er hat mich angesteckt.«

      Bobby nimmt die weinenden Kinder in den Arm, versucht, sie zu trösten; Kai steht hilflos daneben. Er weiß nicht, was er tun soll. Ich auch nicht.

      Neben dem Mann, der sich gerade zu Wort gemeldet hat, gibt es noch weitere Erkrankte, die auf Matratzen am Boden liegen, weinen. Sie haben es.

      Unter ihnen ist auch ein Mädchen, das im Sterben liegt. Sie ist vielleicht dreizehn oder vierzehn, etwas älter als ich.

      Hi, sage ich.

      Ihr fallen gleich die Augen aus dem Kopf, so überrascht ist sie, mich zu sehen. Zum Glück schreit sie nicht los.

      »Hi«, raunt sie. Leckt sich über die Lippen, sieht mich verschüchtert an. »Was bist du?«

       Ich bin ein Geist. Könntest du meinem Bruder eine Botschaft übermitteln? Ohne dass es die anderen im Raum mitkriegen?

      Sie zuckt die Achseln. »Sonst habe ich ja nichts zu tun. Wer ist es denn?«

      Kai. Einer von den beiden, die gerade hereingekommen sind. Der Jüngere.

      Das Mädchen gestikuliert, bis Kai auf sie aufmerksam wird. Sie winkt ihn zu sich ran. »Kai?«

      Er ist erschrocken. »Woher weißt du, wie ich heiße?«

      »Deine Schwester hat es mir gesagt. Ich soll dir was ausrichten.«

      Kai kniet sich zu ihr. »Wie heißt du?«

      »Jody.«

      »Hi, Jody.« Er nimmt ihre Hand. »Okay, was will meine Schwester mir denn sagen?«

      Sag ihm: Ich finde Shay. Egal, wo sie ist, ich finde sie.

      Jody wiederholt meine Worte.

      »Danke«, antwortet Kai. »Ich danke euch beiden.«

      Jody lässt seine Hand nicht los. »Bleib. Ich habe Angst. Werde ich wie sie enden?« Dabei sieht sie mich an, als wäre das schlimmer als der Tod. Womöglich hat sie recht. Aber sehe ich denn so furchterregend aus?

      »Das glaube ich nicht«, sagt Kai. »Meine Schwester ist eine Ausnahme, die einzige, von der ich je gehört habe.«

      Da hat er recht. Es gibt nur mich, mich und wieder mich.

      »Wenn ich sterbe, sehe ich da meine Mum wieder?«

      »Auf jeden Fall, da bin ich ganz sicher«, antwortet Kai.

      Das Mädchen nickt und blinzelt. Blut tritt in ihre Augen. Ihr Blick gleitet ins Leere und dann ist sie tot.

      Der Nachmittag zieht sich dahin. Ein paarmal geht die Tür auf und entweder werden Neue gebracht oder Namen von Leuten aufgerufen, die es bereits vierundzwanzig Stunden geschafft haben. Leichen wie die von Jody werden abgeholt. Kisten mit Wasser und Nahrungsmitteln werden gebracht.

      An der Wand hängt ein Fernseher, in dem in einer Endlosschleife Zeichentrickfilme laufen. Sobald jemand mal auf die Nachrichten umschaltet, ertönt lauter Protest.

      Ein Nachrichtensprecher verkündet, dass die neuen Maßnahmen zur Einhaltung der Quarantänezonen erfolgreich seien.

      Neue Maßnahmen: Zäune, Wachen, Scans und ein übler Schlag auf den Kopf, wenn der Alarm geht. Und dann? Tod auf dem Scheiterhaufen?

      Und schlimmer noch, der Berichterstattung zufolge haben sie nach wie vor keinen Schimmer, was die Krankheit auslöst. Heißt das etwa, dass niemand nach Dr. 1 sucht?

      Angeblich sind die neuen Zonen sicher. Die Regierung bildet sich ein, sie könnte die Leute einfach einsperren und warten, bis es vorbei ist.

      Aber jetzt bin ich hier. Die täuschen sich.

      Wenn es sich über die Quarantänezonen hinweg ausbreitet, strengen sie sich vielleicht mehr an, die Ursachen und auch Dr. 1 zu finden.

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      Die Tür geht auf und endlich sind wir dran, die vierundzwanzig Stunden sind um. Eine Wache mit einer Liste ruft uns aus und auch die beiden Kinder Adriana und Jacob.

      Wir stehen auf, laufen zur Tür. In … die Freiheit?

      Nein, jedenfalls noch nicht.

      Mit dem, was jetzt kommt, ist Bobby so ganz und gar nicht einverstanden.

      »Echt jetzt? Schlimm genug für uns, aber die Kinder wollen Sie auch tätowieren?«

      »Die Immunitätspässe lassen sich leicht stehlen oder fälschen. Es muss schon etwas sein, das sich nicht fälschen lässt.«

      »Das Tattoo kann man nicht nachmachen?«

      »Nein. Das wird mit einer besonderen Farbe gestochen, zu der nur wir Zugang haben und die auf einem Handscan sichtbar ist. Sie können sich gerne weigern, nur dann werden Sie hier in der Quarantänezone versauern.«

      »Wir kriegen ein Tattoo?« Jacob ist begeistert. »Kann ich einen Dinosaurier?«

      Doch seine Schwester ist entsetzt. »Die haben keine Aufkleber, das sind echte Tätowierungen mit Nadeln.« Jacob verzieht ängstlich das Gesicht.

      »Ich gehe als Erster. So schlimm ist das nicht, ihr werdet schon sehen«, sage ich.

      Wir werden alle vier in einen Raum gebracht, in dem ein Typ sitzt. Als er die Kinder sieht, seufzt er. Mit seinen langen Haaren und den bunten Tattoos auf den Armen wirkt er jetzt nicht gerade wie der typische Regierungsmitarbeiter.

      »Ich zuerst«, sage ich und setze mich vor ihm auf den Stuhl.

      »Halt still, dann ist es gleich vorbei.«

      Dünne Nadeln, Tinte in einem kleinen Glas. Die Nadel durchdringt die Haut, winzige Stiche, rein, raus, rein, raus. Der Tätowierer hat geschickte Hände. In dem Glas ist die Farbe durchsichtig, in der Haut entfaltet sie einen silbergrauen Ton, der sich schon bald zu einem großen I formiert.

      Und ich muss mich wirklich zusammenreißen still zu sitzen. Nicht, weil es wehtut – das tut es, aber der Schmerz macht mir nichts –, sondern weil ich hier mit achtzehn mein erstes Tattoo bekomme, das ich mir nicht mal selbst ausgesucht habe. Keine Ahnung, ob ich mich überhaupt je für ein Tattoo entschieden hätte, bloß wenn, dann garantiert nicht für so ein lahmes I für immun mit Gott weiß was für einer fiesen chemischen Regierungsfarbe gestochen. Und mich aufregen kann ich auch nicht, denn Adriana und Jacob sehen mit offenen Mündern zu.

      »Tut’s weh?«, will Adriana wissen.

      »Nicht sehr,