Begegnungen mit Bismarck. Robert von Keudell

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Название Begegnungen mit Bismarck
Автор произведения Robert von Keudell
Жанр Историческая литература
Серия
Издательство Историческая литература
Год выпуска 0
isbn 9783806242683



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nach dem ersten Kanonenschuß ein Umschwung der Stimmung eingetreten. Man nahm lebhaften Anteil an den Leistungen unserer und der österreichischen Regimenter, die in Schnee und Eis biwakierten, als wären sie das immer gewöhnt gewesen, und die bei berechtigtem Selbstgefühl auch den Freunden ihre glänzenden Erfolge neidlos gönnten. Die Nachrichten von Düppel zumal riefen in der ganzen Stadt freudige Erregung hervor.

      Als Abendgäste im bismarckschen Hause erschienen nach der Jahreswende auch öfters einige der Legationssekretäre, die, aus dem Auslande zurückgekehrt, eine Zeit lang im Ministerium beschäftigt werden sollten. Es waren dies: Graf Wesdehlen, Graf Limburg-Stirum, Herr von Holstein und Graf Heinrich Keyserling. Der Charakter des eigentümlich anmutenden Salons blieb jedoch immer derselbe; es schien, als sei man in einem großen Landhause versammelt.

      * * *

      Bald nach der Einnahme von Düppel wurde eine nach London zu Friedensvermittlungsversuchen einberufene Konferenz eröffnet. Vertreten waren dort die Großmächte, der Deutsche Bund, Dänemark und Schweden. Ein Waffenstillstand wurde vereinbart, welcher vom 12. Mai bis zum 26. Juni gedauert hat.

      Preußen und Oesterreich erklärten, die einzige sichere Grundlage eines dauerhaften Friedens würde in politischer Trennung der Herzogtümer von Dänemark zu finden sein. Die dänischen Bevollmächtigten aber verwarfen sofort diese Lösung auch für den Fall, daß dem König Christian IX. die Landeshoheit in den Herzogtümern zugedacht wäre.

      Durch diese Erklärung wurde das Ziel der österreichischen Aktion, nämlich die Personalunion der Herzogtümer mit Dänemark (durch den Träger der dänischen Krone), endgültig beseitigt. Man forderte daher die deutschen Mächte zu anderen Vorschlägen auf.

      Bismarck stellte nun in einer merkwürdigen, nach Wien gerichteten Depesche drei andere Lösungen zur Wahl, obwohl er natürlich voraussah, daß jede derselben von Dänemark ebenfalls abgelehnt werden würde, nämlich: Einsetzung des Erbprinzen von Augustenburg, oder des Großherzogs von Oldenburg, welcher ebenfalls Erbansprüche angemeldet hatte, als Herzog oder preußische Annexion der Herzogtümer.

      Für diese letztere Lösung waren in jüngster Zeit sowohl in Preußen als in der Ritterschaft der Herzogtümer gewichtige Stimmen öffentlich eingetreten; doch erklärte Bismarck sich weit davon entfernt, durch Bestrebungen in dieser Richtung europäische Verwickelungen hervorrufen oder das Einverständnis mit Oesterreich gefährden zu wollen.

      Rechberg gab sofort seine Zustimmung zu dem ersten dieser Vorschläge zu erkennen, und so wurde denn merkwürdigerweise am 28. Mai in London als die am leichtesten ausführbare Lösung die Einsetzung des Erbprinzen von Augustenburg als Herzog von Schleswig-Holstein bezeichnet. Aber nicht nur Dänemark, sondern auch Rußland und die Westmächte lehnten diesen Vorschlag mit aller Entschiedenheit ab. In einer späteren Sitzung teilte der russische Bevollmächtigte mit, daß der Kaiser Alexander die Erbansprüche des Hauses Gottorp auf Teile von Schleswig-Holstein an den Großherzog von Oldenburg abgetreten habe.

      Es wurden nun auf der Konferenz noch verschiedene Anträge von englischer, französischer und preußischer Seite gestellt: wegen einer Teilung Schleswigs in deutsche und dänische Distrikte, wegen bezüglicher Befragung der Bevölkerungen, wegen Vermittelung einer unparteiischen Macht in Bezug auf die Grenzlinie und wegen Verlängerung des Waffenstillstandes. Alle diese von deutscher Seite angenommenen Vorschläge wurden jedoch von Dänemark abgelehnt, welches immer noch auf materielle Unterstützung durch England hoffte.

      Die Konferenz blieb daher resultatlos und wurde am 25. Juni geschlossen.

      Eine nach wenigen Tagen folgende Besprechung des Krieges im englischen Parlament vernichtete die Hoffnung der Dänen auf fremden Beistand.

      * * *

      Bald nach Oesterreichs Erklärung zu Gunsten des Erbprinzen von Augustenburg hatte Bismarck sich mit demselben in Verbindung gesetzt, um zu erfahren, wie weit er geneigt sein würde, durch Konzessionen in Bezug auf Land- und Seewehr den preußischen und den allgemeinen deutschen Interessen entgegenzukommen. Es schien natürlich, daß ein selbständiger Herzog von Schleswig-Holstein Angriffen von Norden her in jeder europäischen Krise ausgesetzt sein und daß deren Abwehr vornehmlich Preußen zur Last fallen würde. Bismarck war daher entschlossen, die Einsetzung eines Landesherrn in den Herzogtümern nur unter der Bedingung zu gestatten, daß derselbe Bürgschaften gäbe für genügende Ausbildung der Wehrkräfte des Landes und Stellung derselben unter preußischen Oberbefehl.

      Die entgegengesetzte Auffassung war in den österreichischen Landen verbreitet. Die Bevölkerung war dort bundesfreundlich und augustenburgisch gesinnt, der Krieg an Preußens Seite immer sehr unpopulär gewesen. Als nun im Mai der Erbprinz von Preußen selbst vorgeschlagen wurde, brachten alsbald Wiener Blätter diese frohe Kunde, mit dem Hinzufügen jedoch, daß der Herzog, um als Bundesfürst anerkannt zu werden, keinerlei Hoheitsrechte an eine andere Macht abtreten dürfe.

      Solche Preßstimmen waren nach Berlin gedrungen, aber keine Kunde von einer Thatsache, die erst durch die Denkwürdigkeiten des Herzogs Ernst von Koburg21 bekannt geworden ist. Graf Rechberg selbst nämlich hat dem augustenburgischen Agenten in Wien, Herrn von Wydenbruck, heimlich mitgeteilt, Oesterreich wolle für die Einsetzung des Erbprinzen als Herzog eintreten, wenn derselbe nicht etwa Konzessionen, die mit der Stellung eines selbständigen Bundesfürsten unverträglich wären, einem anderen Bundesstaate einräumen würde.

      So eindringlich gewarnt, kam der Erbprinz nach Berlin. Es war natürlich, daß er in seiner dreistündigen Unterredung mit Bismarck (am 1. Juni) sich sehr zurückhaltend zeigte, um die Unterstützung Oesterreichs und des Bundes nicht zu verlieren.

      Die Folge dieses Gespräches war, daß Bismarck die Einsetzung des Prinzen dem preußischen wie dem allgemein deutschen Interesse nachteilig erachtete und demgemäß handelte22.

      Graf Rechberg hatte bei seiner geheimen Eröffnung an den Augustenburger Agenten anscheinend nur das formale Bundesrecht vor Augen, ohne daran zu denken, daß die Folgen dieser Instruktion für die Förderung der preußischen Annexion und die Sprengung des Bundes wirksam werden konnten.

      Bald nach dieser Unterredung beauftragte Bismarck unsere Vertreter in London und Paris, die Kandidatur Augustenburg in keiner Weise weiterzufördern, nach Petersburg und Wien aber teilte er mit, daß infolge der Ablehnung des bezüglichen Vorschlags vonseiten aller Neutralen sowie der Abtretung der gottorpschen Erbansprüche an den Großherzog von Oldenburg dieser Prätendent nunmehr in den Vordergrund trete. Auf die Vorlesung dieser Depesche durch den Gesandten erwiderte Rechberg nur mündlich, wir würden unsere Position den Neutralen gegenüber wohl nicht verbessern, wenn wir so schnell unsere Stellung wechselten.

      Am 18. Juni reiste der König nach Karlsbad; abends folgte Bismarck, begleitet von mir und zwei Beamten des Chiffrierbureaus, die sich in einen anderen Wagen des Eisenbahnzuges setzten.

      In der Abenddämmerung sagte der Minister:

      „Meine Kindheit hat man mir in der Plamannschen Anstalt verdorben, die mir wie ein Zuchthaus vorkam. Infolgedessen werden meine Jungen natürlich verzogen; vielleicht aber werden Herberts Kinder wieder sehr streng gehalten werden. Ich weiß von mehreren Familien, in denen die Erziehungsweise gewechselt hat; auf eine verprügelte Generation folgte eine verzogene und dann wieder eine verprügelte. Es ist ja natürlich, daß Eltern wünschen, den Kindern das zu gewähren, was bei ihrer eigenen Erziehung gefehlt hat.

      „Ich war vom 6. bis zum 12. Jahre in der Plamannschen Erziehungsanstalt, welche damals für eine mustergültige Verwirklichung pestalozzischer Prinzipien gehalten wurde. Bis zum 6. Jahre war ich in Kniephof fast immer in freier Luft oder in den Ställen gewesen. Ein alter Kuhhirt warnte mich einmal, nicht so zutraulich bei den Kühen herumzukriechen. Die Kuh, sagte er, kann dir mit dem Hufe ins Auge treten. Die Kuh merkt nichts davon und frißt ruhig weiter, aber dein Auge ist dann futsch. Daran habe ich später mehrmals gedacht, wenn auch Menschen, ohne es zu ahnen, anderen Schaden zufügten.

      „Die Plamannsche Anstalt lag so, daß man auf einer Seite ins freie Feld hinaussehen konnte. Am Südwestende der Wilhelmstraße hörte damals die Stadt auf. Wenn ich aus dem Fenster ein Gespann Ochsen die Ackerfurche ziehen sah, mußte ich immer weinen vor Sehnsucht nach