Wenn du dieses Buch liest, ist alles zu spät. Pseudonymous Bosch

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Название Wenn du dieses Buch liest, ist alles zu spät
Автор произведения Pseudonymous Bosch
Жанр Учебная литература
Серия Das geheime Buch-Reihe
Издательство Учебная литература
Год выпуска 0
isbn 9783401800349



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an den beiden völlig gleich aussehenden Karotten, an denen er gerade kaute. Dann wurde er sehr blass.

      Verstohlen blickte Amber zu dem Gitarrenspieler, um zu sehen, ob er das alles auch mitbekäme. Was er aber anscheinend nicht tat.

      »Wir sind kein Pärchen«, erwiderte Kass, so ruhig sie konnte, und das obwohl so viel Blut in ihre Ohren schoss, dass es sich anfühlte wie eine Feuersbrunst. (Wenn es eine richtige Feuersbrunst gewesen wäre, dann hätte sie eine Asbestdecke dabeigehabt, um sich davor zu schützen.)

      »Oh, das ist zu schade. Ihr beide würdet so ein nettes Pärchen abgeben«, mischte sich Veronika ein. »Komm weiter, Am…«

      Die beiden Mädchen unterdrückten ein Kichern und schlenderten davon.

      »Tut mir leid, ich hab nicht auf die Lautstärkeregelung geachtet, jo!«, sagte der Gitarrenspieler und klang dabei alles andere als japanisch. Er langte nach unten, um seine Gitarre vom Verstärker zu trennen, dabei schaute er zum bescheuerten Tisch hinüber. »Ich hab gehört, Amber soll das netteste Mädchen der ganzen Schule sein. Ich hatte eben gar nicht den Eindruck.«

      »Ja, das ist ein bisschen k-k-komisch, hm?«, stotterte Kass und versuchte dabei, die Haare über die Ohren hängen zu lassen (was ziemlich schwierig war, denn sie hatte die Haare zu Zöpfen geflochten.) »Egal, mach dir keine Gedanken deshalb. Ich fand es …«, sie suchte nach einem passenden Wort, »cool, wie du gespielt hast.«

      »Danke«, sagte er und grinste dabei übers ganze Gesicht. »Ich bin Jo-schi. Du weißt schon, der Neue.«

      »Ja, haben wir uns fast schon gedacht«, sagte Kass und hoffte inständig, ihre Ohren würden wieder ihre normale Farbe annehmen.

      »Du kannst mich Jojo-schi nennen. Wenn du willst. Alle meine Freunde nennen mich so …«

      »Okay. Ähm, Jojo-schi, tut mir leid, dir das so deutlich sagen zu müssen, aber ich glaube, du wirst dich gleich noch mal entschuldigen müssen …«

      Kass deutete mit dem Kinn in Richtung Schulleiterin, die über den Schulhof direkt auf Jojo-schi zukam; ihr riesiger gelber Hut schwankte bei jedem Schritt.

      Jojo-schi zog eine Grimasse und tat, als würde er vor Angst gleich sterben. »O-oh! War jedenfalls nett, euch kennengelernt zu haben.«

      »Ja, war nett, dich kennengelernt zu haben … Oh, warte! Beinahe hätte ich es vergessen – ich bin Kass. Und das ist Max-Ernest … Sag hi, Max-Ernest.«

      Sie zupfte ihren Freund am Ärmel.

      »Hi, Max-Ernest«, sagte Max-Ernest, der in stummer Wut dasaß, seit Amber ihn gefragt hatte, ob er und Kass ein Pärchen wären.

      Ehe Jojo-schi etwas darauf antworten konnte, stand Mrs Johnson schon an seinem Tisch.

      »Aufstehen!«, kommandierte sie. »Da lang …« Sie zeigte in die Richtung, in der sich ihr Büro befand. Jojo-schi zuckte die Schultern und marschierte los, die Gitarre auf dem Rücken.

      Kass sah ihm nach und fragte sich, welche Rolle diese unerwartete Verschiebung in ihrem sorgfältig geknüpften gesellschaftlichen Umfeld der Schule spielen würde. Sollte sie womöglich irgendwelche Vorsichtsmaßnahmen treffen?

      Plötzlich setzte sich Max-Ernest kerzengerade auf. »Ich hab’s!«

      »Was?«, fragte Kass zerstreut.

      »Schwarte«, sagte Max-Ernest geheimnisvoll. »Die Einkaufsliste auf dem Zettel. Da steht: Schwarte – aber nur vom Metzger, der kein Sch sprechen kann. Du hast gerade warte gesagt, das hat mich auf eine Idee gebracht. Was, wenn man bei Schwarte einfach das Sch weglassen muss?«

      »Du meinst, wir sollen irgendwohin gehen und warten? Wusste ich’s doch!«, rief Kass und verschwendete keinen Gedanken mehr an Amber, Jojo-schi und ihre roten Ohren. »Und was ist mit der zweiten Zeile? Bier und in Klammern 3?«

      »Aber nur das vom Bootshafen«, las Max-Ernest weiter. »Das könnte doch auch ein Hinweis sein. Ein Bier am Hafen. Vielleicht ist damit gar kein Bier gemeint, sondern –«

      »Ein Pier!«, unterbrach ihn Kass. »Und zwar Nummer drei. Es bedeutet also: Warte am Pier 3.«

      Max-Ernest nickte. »Der Rest ist einfach. 12 pürierte Mehlkartoffeln, das heißt so viel wie 12 p. m., und das heißt so viel wie 12 Uhr mittags. Und Paprika und Butter stehen für die Anfangsbuchstaben P und B, also für Pietro Bergamo.«

      »Pietro Bergamo!«

      »Wie findest du das?«, sagte Max-Ernest. »Aber ich wundere mich trotzdem, dass er keinen normalen Code verwendet hat mit dem dazugehörigen Schlüsselwort.«

      »Na wennschon, du hast es auch so rausgekriegt. Ich habe nichts anderes von dir erwartet.«

      Max-Ernest nickte, lächelte und schrieb die entzifferte Nachricht auf die Einkaufsliste:

       Warte am Pier 3, 12 Uhr mittags, Pietro Bergamo.

      Der Streich am Gezeitentümpel

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      Verrückt!«, sagte Jojo-schi.

      Er stand bis über die Knöchel im Wasser und stocherte vorsichtig mit einem Stecken an einer großen Seeanemone herum. Sofort schlossen sich die durchscheinenden Tentakel fest darum.

      Kass, Max-Ernest, Amber und ein paar andere Schüler, die du wahrscheinlich nicht kennst, standen auf den nassen, mit Moos überwachsenen Felsen und sahen zu.

      »Verrückt? Ich finde, es sieht hübsch aus«, widersprach Max-Ernest. »Wie ein außerirdischer –«

      »Ich glaube, mit verrückt meint er, dass es ihm eigentlich gefällt«, sagte Kass.

      »Ach ja?«, murmelte Max-Ernest ein wenig irritiert.

      »Also ich finde es widerlich – und ich meine es auch so«, sagte Amber. »Es sieht aus wie ein Hundehintern!«

      Kass wollte eigentlich nicht streiten, aber dann konnte sie doch nicht widerstehen. »Es ist gar nicht widerlich. Es ist ganz natürlich. Es ist eine Abwehrreaktion.«

      »Ich vermute vielmehr, sie hält den Stecken für etwas Fressbares«, sagte Max-Ernest. »Die Tentakel sind giftig und sie zieht mit ihnen kleine Fische und anderes