Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek. Peter Schrenk

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Название Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek
Автор произведения Peter Schrenk
Жанр Зарубежные детективы
Серия
Издательство Зарубежные детективы
Год выпуска 0
isbn 9783745212532



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Scheint mir ziemlich weit hergeholt, oder? Was ist mit Kaiserswerth, Angermund und Wittlaer? Und wo die nicht angezeigten Fälle stattgefunden haben, wissen wir auch nicht!«

      Leicht resigniert lässt der Kriminalhauptmeister die Schultern fallen. »Wittlaer, Angermund und Kaiserswerth gehören doch sowieso nicht mehr richtig zum Stadtgebiet Düsseldorf. Aber möglicherweise hast du recht. Trotzdem ... vielleicht ...« Ganser scheint sich über irgendetwas unschlüssig zu sein. Er kämpft ganz offensichtlich mit sich selbst, dann greift er zögernd in die Innentasche seiner Lederjacke, zieht ein rosa Stück Papier heraus, faltet es langsam auseinander und legt das bedruckte DIN-A 4-Blatt vor Benedict auf den Tisch. »Das finden die Leute seit gestern Nachmittag in ihren Briefkästen. Ich bin sicher, dass auch die Zeitungen schon ihre Exemplare haben!«

      FRAUEN WEHREN SICH!, schreit Benedict die fettschwarze Überschrift des rosa Flugblattes ins Gesicht. >In den vergangenen Monaten sind über 100 Düsseldorfer Frauen und Mädchen Opfer eines sexistischen Gewalttäters geworden. Nicht genug mit den Angriffen auf unsere Menschenwürde und Unversehrtheit: Eine unserer Schwestern, Brigitte Craatz, wurde von diesem Schwein in Männergestalt viehisch hingeschlachtet. Die Düsseldorfer Polizisten in ihrer Mehrzahl Männer, haben bisher wenig Interesse gezeigt, den verängstigten Frauen zu helfen und das sexistische Schwein zu fassen!<

      Benedicts Rückenmark gebiert einen neuerlichen Eisklumpen, der sich als Drilling zu den schon vorhandenen zwei Eisbällen gesellt. In seinen dröhnenden Ohren glaubt er Dr. Lenzfrieds Worte am Tag des japanischen Feuerwerks zu hören. »Es haben sich ... Frauengruppen gebildet, die sogenannte Selbstverteidigungskurse organisieren ... die, wenn die Polizei nicht bald Erfolg hat, selber auf die Jagd gehen wollen ... eine Frauenmiliz in Düsseldorf!« Die letzten Sätze des Flugblatts verflimmern vor seinen Augen. >Aus diesem Grund haben Düsseldorfer Frauen Folgendes beschlossen: Von heute an wird eine entschlossene Gruppe von Kämpferinnen der Polizei die Jagd nach dem Sex-Schwein abnehmen! Wir warnen alle Männer, die uns weiterhin als Freiwild betrachten! Wir schlagen gnadenlos zurück! Gruppe Düsseldorfer Frauenkampf.<

      Als Vitus H. Benedict das rosa Blatt auf die Schreibtischplatte zurückfallen lässt, sind am linken und rechten Rand zwei hässliche, feuchte Flecken zu sehen. Mit kratzender Stimme sagt er dann: »Heute Abend, achtzehn Uhr! Ich will alle verfügbaren Leute hier sehen! Und warn' den Stüchow vor!«

      *

      Am 27. August 1979 wird in dem kleinen Hafenflecken Mullaghmore, Co. Sligo, Republik Irland, dem Ausgangspunkt der Überfahrt zur malerischen Insel Inishmurry, Earl Louis Mountbatten das bis dahin höchste Opfer der IRA.

      Seit dem Mord am Onkel des britischen Thronfolgers werden für die Mitglieder der Königlichen Familie regelmäßige Übungen abgehalten, bei denen sie über das richtige Verhalten in Momenten der Gefahr informiert werden.

      Im walisischen Hereford auf dem SAS-Übungsgelände Sterling Barracks setzt sich an diesem 1. Oktober ein kleiner Wagenkonvoi in Bewegung. Angeführt von zwei Motorrädern und zwei dunkelblauen Ford Granadas, fährt der schwarze Rolls Royce mit dem königlichen Stander langsam in die kleine Ortschaft ein. Zwei weitere Fahrzeuge mit Sicherheitsbeamten bilden den Schluss der Kolonne. Jetzt, da die Eskorte und die beiden vorausfahrenden Sicherungsfahrzeuge um die scharfe Kurve in der Ortsmitte biegen, bricht hinter ihnen das Inferno aus. Vor und hinter dem Rolls Royce explodieren krachend grelle Feuerbälle. Nebelschwaden hüllen in Sekundenschnelle das noble Gefährt in einen schwarzen Vorhang. Scharfer Sprengstoffgeruch legt sich beißend über die Szene. Von links und rechts stürmen vermummte Gestalten auf die Kolonne zu. Feuerstöße aus ihren Maschinenwaffen und weitere Explosionen splitternder Handgranaten halten die Sicherheitsbeamten in den Begleitfahrzeugen fest. Als sich der Nebel halbwegs legt, schaut ein blondes Frauengesicht neugierig aus dem Fenster des königlichen Wagens, fährt aber erschrocken zurück, da immer noch Splitter von Darstellungsgranaten an das Wagenblech des gepanzerten Fahrzeugs prasseln.

      Wütend reißt Colonel Rupert D. Smites das Megafon an die Lippen. »Damned! Gehen Sie von dem verdammten Fenster weg, Prinzessin! Legen Sie sich auf den Wagenboden! Das könnte Ernst sein! Wollen Sie sich in Schwierigkeiten bringen, Hoheit?«

      Und mich dazu, ergänzt der Mann im Kampfanzug noch in Gedanken. Entnervt wischt sich der SAS-Colonel den Schweiß von der Stirn. Nein, in Zukunft würden sie das wohl besser mit einer Doppelgängerin üben.

      *

      »Das Gelände hier ist relativ einfach zu sichern«, meint Chief Inspector McGrath nach der Besichtigungsrunde trocken, »ab heute Nacht, null Uhr, werden Schloss einschließlich Park und Teich für den öffentlichen Zugang gesperrt!«

      »Sicher doch«, ergänzt Benedict in fast dem gleichen Tonfall, »und im Meterabstand stellen wir rundum eine Kette aus Polizeiposten auf!«

      Detective Inspector O’Connell fährt sich laut kichernd mit der gespreizten Hand durch seinen widerspenstigen Haarschopf. »Vom Gegner eingesetzte Boden-Boden-Raketen oder Angriffe aus der Luft werden mit SDI-Laserwaffen von unserer Weltraumbasis vernichtet!«

      Aber so richtig fröhlich klingt das nicht, was die ISAT-Männer an diesem kühlen Oktobertag von sich geben. Und von Captain Hart, dessen Miene sich während des dreistündigen Besichtigungsrundganges in und um Schloss Benrath mehr und mehr verfinstert hat, ist im Moment überhaupt nichts zu hören. Mit ärgerlich zusammengekniffenen Augen starrt er auf die von der Decke baumelnden Ballonnachbildungen, die dem Café Ballon am Benrather Marktplatz seinen Namen geben.

      »Die Königlichen Hoheiten werden Punkt zwölf im Schloss erwartet. Am Abend davor, um 19 Uhr, werden die Zugänge verschlossen, und wir dürfen mit den Absperrungen anfangen! Lächerlich! Da ist es doch für jeden ernsthaften ... Interessenten geradezu ein Picknick, vorher auf dem Gelände was auszuhecken!«

      Mit steigender Erregung rührt der blasse Engländer in seiner milchigen Teebrühe herum.

      »Na ja, das Schloss selbst wird ja vierundzwanzig Stunden früher schon für den Publikumsverkehr dichtgemacht. Ab diesem Zeitpunkt können wir es mit den BKA-Kollegen auf den Kopf stellen. Und mit deinen englischen Kollegen!«

      »Nein, das ist unmöglich!« Entschlossen schüttelt McGrath seinen kantigen Kopf. Mit heftigen Rüttelbewegungen lässt er die Eisstückchen in seinem Whiskyglas gegen die Wände klackern. »Da müssen wir uns etwas einfallen lassen. Dieser Platz stinkt!«

      »Andererseits ... sicher können wir noch nicht sein. Da gibt es immer noch Berlin, Bonn, Köln und München, die für einen Anschlag in Frage kommen. Die können wir auf keinen Fall jetzt schon ausschließen!« Der Mann aus Dublin muss was am Magen haben. Vor ihm auf dem Tisch steht eine Flasche stilles Wasser.

      Hauptkommissar Benedict sieht auf seine Taschenuhr und steht dann eilig auf. »Entschuldigt mich für ’ne halbe Stunde, ja? Hab' hier um die Ecke was zu erledigen!«

      Einige Strahlen nachmittäglicher Herbstsonne bringen die Fontänenkaskaden im Schlossteich zu kurzlebigem Sprühglanz. Die Fassade des Hauptschlosses erscheint in backfischigem Rosa, als schämte sie sich ihrer aus der Zeit geratenen fürstlichen Herkunft. Aber die vier grimmigen Löwen auf ihren stabilen Sockeln werden wohl noch ein paar Jahre dafür sorgen, dass ihr niemand an den Verputz geht.

      Ungeduldig sieht Vitus H. Benedict auf die goldenen Uhrziffern über dem dreispitzigen Giebel des Schlossportals.

      »Tut mir leid, Benny! Wir hatten einen Notfall, Kreislaufkollaps, Setz dich doch!«

      Dr. Lenzfried nimmt hinter dem mit Patientenberichten, Arzneischachteln, Karteikarten und Rezepten übersäten Schreibtisch Platz, setzt dann mit einer mechanischen Bewegung seine Brille auf und studiert die engbeschriebene Karte des langjährigen Freundes und Patienten Benedict.

      »Die Laborbefunde sind so weit ganz ordentlich. Keine wesentlichen Veränderungen!«

      »Na,