Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek. Peter Schrenk

Читать онлайн.
Название Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek
Автор произведения Peter Schrenk
Жанр Зарубежные детективы
Серия
Издательство Зарубежные детективы
Год выпуска 0
isbn 9783745212532



Скачать книгу

läuft hinter der energischen Menschentraube hinterher, als gehörte er überhaupt nicht dazu. Auch draußen ist es kalt. Ihn fröstelt wieder. Na ja, so nah am Osten.

      Unterwegs halten sie noch an, um eine Currywurst zu essen. Benedict, der die rheinische Version dieser Schnellspeise im Regelfall meidet, genießt ausnahmsweise das Berliner Original mit klammen Fingern und großem Appetit. Dann fahren sie weiter nach Spandau. Mittlerweile hat sich dort das anfängliche Chaos aus Lautsprecherwagen, Umleitungsschildern, aufgeregten Hausbewohnern und Beamten der Berliner Bereitschaftspolizei zu einer gut organisierten Straßensperrung entwickelt. Die Bewohner des Hauses auf der Falkenseer Chaussee sind entweder mit Kleinkindern und Gebrechlichen vorübergehend in einer nahegelegenen Schule untergebracht worden oder stehen mit gemischten Gefühlen an den von Uniformierten bewachten Absperrgittern.

      Benedict hat sich mit dem Rest der Mannschaft in einen gepanzerten Einsatzbus der Berliner Kollegen zurückgezogen.

      Im Flur des ersten Stocks haben die LKA-Leute eine ferngesteuerte Video-Kamera installiert, über die die Gruppe im Bus auf einem Monitor die Arbeit der beiden Sprengstoffspezialisten verfolgen kann. Aus einem Innenlautsprecher wird die Busbesatzung über die jeweiligen Schritte unterrichtet.

      Im Moment ist die Kamera noch starr auf das Türschild mit dem Namen Hafis gerichtet. Der Mann an der Kontrolleinrichtung steuert das Objektiv in einem Schwenk auf die linke Nachbarwohnung. Auf dem Bildschirm erscheint ein neues Türschild. Hadi Asitanelioglu. Ein weiterer Schwenk nach rechts. A. Giardelli. Mit einer nochmaligen Bewegung der Fernsteuerung richtet sich das Objektiv jetzt in den Treppenaufgang. Mehrere Uniformierte schleppen keuchend einen schweren Gegenstand hoch: einen metallenen Schutzschild, den sie vorsichtig vor der Wohnungstür aufrichten. Danach verschwinden sie schnell wieder aus dem Sichtfeld der Kamera.

      Die Tür ist nun fast vollständig von dem dunklen Metallschutz abgedeckt. Benedict fühlt, wie ihm der Schweiß den Nacken hinunterläuft. Die Hitze in dem kleinen Fahrzeug wird immer größer. Und er hat sich auch noch diesen dicken Rolli angezogen.

      Aus dem Treppenaufgang übertragen die Mikrofone das Stampfen und Schlurfen schwerer Schritte. Die Kamera schwenkt auf die unförmigen Golemsgestalten der zwei Spezialisten in ihren gepanzerten Schutzanzügen. Sie tragen eine große Kiste mit sich. In ihren Helmen, die nur einen schmalen Sehschlitz für die Augen offenlassen, erinnern sie an die ersten Astronauten auf dem Mond. Ein kleiner Schritt ... Ihre Bewegungen sehen genauso tolpatschig aus. Jetzt stehen sie vor dem Arbeitsschild und stellen die Kiste ab.

      »15 Uhr 16 Minuten. Wir fangen jetzt an!«, meldet sich eine der beiden Gestalten über das Innenmikrofon. Die Stimme klingt flach und blechern aus dem Lautsprecher der Einsatzleitung.

      Der Mann muss eine Uhr im Helminnern haben, wundert Benedict sich.

      »Okay«, antwortet Lankmann leise und drückt auf die Stoppuhr.

      »15 Uhr 17. Ich gehe jetzt mit dem Generalschlüssel an das Türschloss!« Auf dem Bildschirm tastet sich ein rechter, unförmig geschwollener Arm in Zeitlupe an dem Stahlschild vorbei. Leise Atemzüge kommen aus dem Lautsprecher. Gefolgt von metallischen Schabe- und Knackgeräuschen. Dann klirrt etwas.

      »Scheiße!«

      Der Arm kommt wieder hinter der Metallwand zum Vorschein,

      »15 Uhr 18 und 50 Sekunden. Mit dem Schloss stimmt was nicht. Der Schlüssel scheint nicht zu passen. Außerdem ist das Miststück runtergefallen. Ich versuch's noch mal!«

      Allen kommt es wie eine Ewigkeit vor, bis der Sprengstoff-Astronaut, der mühsam in die Hocke geht, den kleinen Schlüssel wieder in seiner klobigen Hand hält.

      »15 Uhr 19 Minuten. Wir starten den zweiten Versuch!«

      Wieder sieht Benedict gebannt auf den rechten Arm. Wieder Knacken und Quietschen aus dem Lautsprecher.

      »15 Uhr 20 Minuten. Der Schlüssel passt definitiv nicht! Kann es sein, dass du uns aus Versehen den Wohnungsschlüssel deiner Freundin gegeben hast, Lankmann?«

      Die Anspannung im Inneren des Einsatzwagens macht sich durch befreiendes Gelächter Luft.

      »Wir klären das mit dem Hausmeister. Schicken euch jemanden, der den Schlüssel abholt.«

      »Und 'ne Molle mit Korn!«

      »Schnauze!«, giftet Lankmann gereizt ins Mikro.

      Dann erscheint auch schon ein Uniformierter auf dem Bildschirm, um den Schlüssel in Empfang zu nehmen.

      Ein Vergleich beim Hausmeister zeigt, dass der Schlüssel richtig ist. »Ist es möglich, dass ohne Ihr Wissen das Schloss ausgewechselt wurde?« Der Mann in dem grauen Kittel kratzt sich bedächtig am Hinterkopf. »Naa, also jestattet is det aba nich!«

      »Aber es könnte doch passiert sein. Wenn Sie mal nicht da sind, oder?«

      Der Alte nickt nachgiebig vor sich hin. »Natierlich, natierlich. Meechlich soll woll alles sinn. Aba, erlaubt is det nich!«

      Lankmann bläst genervt die Backen auf und schiebt den Alten aus dem Einsatzwagen.

      »Also passt auf«, spricht er wieder ins Mikrofon, »wahrscheinlich hat der Knabe ein anderes Schloss eingebaut. Also hebelt das Ding auf, aber Holzauge hat besonders wachsam zu sein jetzt!«

      Nummer zwei macht sich bereits an der Kiste zu schaffen und reicht dem anderen Golem ein Stemmeisen.

      »15 Uhr 32 Minuten. Holzauge tranchiert jetzt das Hühnchen!«

      Der Pullover ist klitschnass. Benedict zieht sein Jackett aus. In dem engen Raum ist kein Platz. So lässt er das teure Stück einfach vor sich auf den Boden fallen.

      »15 Uhr 32 und 20 Sekunden. Setze an!«

      Es quietscht und schrapt aus dem Lautsprecher. Dazwischen schwere Atemstöße. Benedict möchte sich am liebsten die Ohren zuhalten.

      Dann ein Knall.

      »15 Uhr 43 Minuten. Die Tür ist auf. Nur laue Luft und Pappmachee!«

      Die massige Gestalt mit dem Stemmeisen in der Hand wendet den Sehschlitzkopf in Richtung Kamera. »Ich übernehme die Kamera jetzt und zeige euch, wie der Kollege die Wohnung abcheckt! Schickt aber vorher jemanden hoch, der die Schutzplatte wegtransportiert. Wir brauchen hier Bewegungsfreiheit!«

      Als der Mann die Kamera aus der Halterung nimmt, bricht das Bild auf dem Monitor für kurze Zeit wackelnd zusammen.

      Um 16 Uhr 01 können dann endlich auch die anderen die Wohnung betreten. In dem Zwei-Zimmer-Apartment ist nichts von einem Sprengsatz zu finden. Auch die erste Grobuntersuchung durch LKA und ISAT fördert nichts Verdächtiges zutage.

      Jerry Hart läuft mit gerunzelter Stirn durch die Räume und stellt misstrauisch Blickkontakt zu McGrath und O’Connell her. Auch die beiden machen keine wirklich erleichterten Mienen.

      Danach machen sich die Spurensicherer an die Arbeit. Gegenstände werden in Plastiktüten gepackt und abtransportiert. Im LKA wird es eine lange Nacht geben.

      Die ISAT-Leute fahren dann zusammen wieder in die Meinekestraße zurück. Bis halb neun ist Individualprogramm angesagt. Für danach hat Benedict seine drei Kollegen zu Deftigem bei Hardtke eingeladen. Das hat den Vorteil, dass sie nicht weit zu laufen haben, und so ein bisschen Berliner Fresskultur sollten die ausländischen Kollegen wenigstens mit nach Düsseldorf zurücknehmen. Wenn schon sonst nichts ist.

      *

      Der junge Mann in dem altmodischen Dufflecoat beobachtet aufmerksam, wie die letzten Sperrgitter an der Falkenseer Chaussee wieder abgebaut werden. Viele Neugierige treiben sich noch herum. Einige Reporter befragen Hausbewohner. Diskutierende Menschengrüppchen stehen vor dem Haus und tauschen aufgeregt Abenteuerliches aus.

      Schließlich geht der Mann mit dem ungewöhnlichen Mantel zu seinem abgestellten Vespa-Motorroller