Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek. Peter Schrenk

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Название Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek
Автор произведения Peter Schrenk
Жанр Зарубежные детективы
Серия
Издательство Зарубежные детективы
Год выпуска 0
isbn 9783745212532



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durch die Zähne. »Ist ja ’n Ding. Ihr werdet von der nordirischen Polizei trainiert? In Belfast?«

      »Was ist groß dabei?«, versucht O’Connell die sensationelle Information herunterzuspielen. »Eure GSG-9-Leute werden ja auch ab und zu in die Stirlings Barracks zum Training geschickt!«

      Der Deutsche schüttelt verständnislos den Kopf, bevor er sich aus dem Holzkästchen vor ihm auf dem Küchentisch eine dünne, braune Zigarre nimmt. Während er mit der kleinen Guillotine das Ende der Juan Clemente abschneidet, denkt er darüber nach, ob ihm der Name Stirling Barracks irgendwas sagen sollte. Dann beißt der scharfe Rauch der Havanna an seinen Nasenwänden und bringt ihn zum Husten. Ein richtiges, kleines Miststück. Kein Vergleich mit der ausgereiften, füllig würzigen Sanftheit einer großen Davidoff-Zigarre. Ein richtiges, kleines Miststück, ja. Jemand hatte diese Worte kürzlich in einem anderen Zusammenhang gebraucht, aber der fällt Benedict jetzt nicht ein.

      »Sterling Barracks? Was soll das bedeuten?«

      »Ach, Kommissar. Man merkt, dass du nicht im Geschäft bist. Warum bist du nicht bei deinen alltäglichen Mordfällen geblieben? Die Sterling Barracks befinden sich in Hereford, im schönen England. Es sind die Ausbildungscamps der SAS-Truppe. Da wird jeder mal auf Lehrgang geschickt, der was mit Anti-Terroreinsätzen zu tun hat, Delta Force, GSG 9, nur die Israelis nicht, dafür aber unser ach so feiner Pinkel, Sir Jerry, der ein Faible für gelungene Theaterauftritte hat. Soll ich dir mal erzählen, wie ich Jerry vor vier Jahren das erste Mal während der Close Quarter Battle im Killing House erlebt habe, da ...«

      »Als Chief Inspector bei der RUC habe ich so knapp 20000 Pfund im Jahr. Dazu kommen dann noch spezielle Nordirland-Zulagen und Wohngeld. Alles zusammen komme ich damit auf 25000 Pfund.«

      Gernot Ganser versucht die Beträge im Kopf umzurechnen. Runde 80000 Mark im Jahr.

      »Gar nicht so schlecht«, meint er dann, »und wie lange hast du bis zum Chief gebraucht?«

      Rory McGrath blickt sehnsüchtig zu dem großen Küchentisch, wo Benedict und O’Connell in einer Wolke Tabakrauch und Bierdunst schwatzen. Wer schützt ihn bloß vor diesem mineralwassertrinkenden Polizisten aus Deutschland, der ihn mit seiner Neugier schon seit einer halben Stunde nervt?

      »Also, um deine Neugier zu befriedigen, in aller Kürze: Bin mit 21 zur Grundausbildung ins RUC Training Center in Garnerville gegangen. Die dauert 13 Wochen und umfasst das Übliche, Dann als Police Constable zur Probe für zwei Jahre nach Enniskillen. Nach Ablauf der Probezeit als ordentlicher Constable übernommen und weiter auf der Station Enniskillen Dienst gemacht. Mit 25 habe ich mich um eine Stelle als Detective Aid beworben. Prüfungsgespräch und Zuteilung zur B-Division in Belfast. Ach ja. Die B-Division ist zuständig für das Gebiet mit den größten terroristischen Aktivitäten in Nordirland. IRA und UD A, wenn dir das was sagt. Mit 27 Bewerbung beim Crime Investigation Department CID. Mit 30 Beförderung zum Detective Sergeant, mit 35 Detective Inspector und mit 44 zum Chief Inspector befördert. Und wenn dir das noch nicht ausreicht«, Rory McGrath sieht nervös auf das leere Glas in seiner rechten Hand und räuspert sich trocken, »mit 29 habe ich Fiona, eine Krankenschwester am Ulster Hospital, geheiratet. Wir haben drei Kinder und wohnen in einem Einfamilienhaus an der Küste, in Bangor. Wir sind Mitglied im Ballyholme Yacht Club und teilen uns ein Segelboot mit Freunden. Ich wähle konservativ, und wenn ich jetzt nicht was zu trinken bekomme, wähle ich die Flucht, junger Freund!«

      Gegen zwei Uhr morgens finden sich dann doch alle sechs an dem niedrigen Sitzgruppentisch im Wohnzimmer zusammen. Die Gespräche sind leiser und zäher geworden. Man weiß, dass man jetzt eigentlich gehen sollte, aber findet nicht den rechten Schluss. Immer wieder wirft noch jemand einen Satz in die müde Runde, der dann ein paar neue Gesprächskringel aufwirft.

      Gähnend und ein wenig ärgerlich versetzt Jerry Hart mit einer Bemerkung die lahme Runde nochmals in heftige Bewegung: »Macht’s doch wie die Ostdeutschen und baut eine Mauer quer durch euer verdammtes Irland. Dann ist das Problem erledigt!«

      Benedict hätte sich fast an seiner fünften Havanna verschluckt, als O’Connell wütend von seinem Sitz hochspringt. »The German solution ?«, brüllt er. »Das kann auch nur so einem blöden Engländer einfallen!«

      »Du musst zugeben«, versucht der Nordire seinen aufgebrachten Kollegen aus Dublin zu beruhigen, »dass das unter polizeilichen Gesichtspunkten keine schlechte Lösung wäre. Kein Banditen-Niemandsland mehr, kein unbeobachteter Terroristenverkehr von hier nach dort, die totale Kontrolle!«

      »Und keine 100 toten Terroropfer pro Jahr, keine 200 Mordversuche und keine 150 Bombenanschläge!«, bellt die Stimme von Jerry Hart bissig hinterher.

      Der Abend scheint doch noch ungemütlich zu enden. Vitus H. Benedict kratzt sich ernüchtert am Kopf. Leise seufzend putzt er seine leicht verschmierten Brillengläser. In das verbissene Schweigen hinein fragt er dann: »Habt ihr eigentlich schon mal die Mauer in Berlin gesehen? Patrick? Rory?«

      8

      Tief hängende Wolken senden Schauer kühler Nässe von der anderen Rheinseite herüber. Der hochragende Brückenpfeiler mit den stählernen Trageseilen ist kaum zu erkennen, als sie mit dem Wagen über die Fleher Brücke hinüber zum ausgemachten Treffpunkt fahren.

      »'n Wetter, fast wie bei uns«, meint Sean South nach einem mürrischen Seitenblick auf die flache andere Rheinseite mit den feuchten Wiesen. Er sitzt auf dem Rücksitz und spielt gelangweilt am Mechanismus einer matt schimmernden Neun-Millimeter-Browning-Pistole auf seinem Schoß.

      Jack Donahue beobachtet aufmerksam die Scheinwerferlichter der nachfolgenden Fahrzeuge im rechten, von Regentropfen fast blinden Außenspiegel des ruhig über die Autobahn gleitenden Wagens. »Mmm«, antwortet er nur kurz nach hinten und lässt sich nicht ablenken, aber um sie herum fließt nur der ganz normale Vormittagsverkehr eines Werktages.

      Vorsichtshalber sind sie gestern die Strecke bis zum Treffpunkt schon einmal abgefahren, und Munroe kann daher heute auf die Straßenkarte verzichten. Um 10 Uhr 20 biegt der anthrazitgraue Ford Sierra von der B9 in die Neusser Innenstadt ein. An einer kleinen Trinkhalle bringt Munroe das Fahrzeug zum Stehen und parkt hinter einem hellblauen VW-Bully mit der Aufschrift >Gatzweilers Alt<.

      Zehn weitere Minuten beobachten die drei Insassen des haltenden Wagens den Obst- und Gemüseladen auf der linken Seite der Straße schräg gegenüber. Eine hochschwangere Frau mit einem Kinderwagen steht auf dem Bürgersteig und unterhält sich mit einer älteren Dame, die sich zwischendurch immer mal wieder zu einem Kind im Wagen herunterbeugt. Zwei Schornsteinfeger mit Rußkäppis betreten ein vierstöckiges Wohnhaus neben dem Gemüseladen. Mit zwei bauchigen Einkaufstaschen, aus denen grüne Gemüsestrünke herausschauen, verlässt eine alte Oma jetzt den Laden und gesellt sich zu der geschwätzigen Gruppe um den Kinderwagen. Ein südländisch aussehender Junge in einer grünen Schürze kommt mit einem Stapel Kisten auf dem Arm auf den geöffneten Ladeneingang zu. Ein gelber Kombi steht mit offener Heckklappe und blinkenden Warnleuchten in der zweiten Parkreihe.

      »Okay«, sagt Munroe knapp.

      Der junge Mann auf dem Rücksitz steckt die Pistole in die Innentasche seiner dunkelgrünen Windjacke und steigt aus dem Wagen. Während er sich an der Trinkhalle eine Dose Cola geben lässt, fährt Munroe den Wagen vorsichtig auf die andere Straßenseite und lenkt ihn in die Hofeinfahrt neben dem Gemüseladen.

      Sean South lehnt sich mit seiner geöffneten