Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek. Peter Schrenk

Читать онлайн.
Название Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek
Автор произведения Peter Schrenk
Жанр Зарубежные детективы
Серия
Издательство Зарубежные детективы
Год выпуска 0
isbn 9783745212532



Скачать книгу

nicht täuscht, sind Sie die neue Expertin aus Köln, die Kollegin Maria. Also dann, Maria, ich stehe voll und ganz zu Ihrer Verfügung! Wenn Sie wollen, habe ich sogar die ganze Nacht Zeit ...«

      »Wie bitte?«

      »... um von Ihnen alles Erforderliche über diesen, wie mir scheint, sehr heiklen Fall zu erfahren. Immerhin hat mir der Chef schon gesagt, dass Sie eine Spezialistin für solche Sachen sind und sich da auch ganz besonders mit befasst haben. Ich teile übrigens, nach dem wenigen, was ich weiß, Ihre Einschätzung der Situation weitgehend und bin da mit dem Chef nicht ganz auf einer Linie ...«

      Nein, die ganze Nacht wird es nicht, aber als die beiden Polizeibeamten vom 1. K das Präsidium verlassen, ist es doch schon fast 22 Uhr, und das Hallo der Kollegen im Schlossturm hat einen Beiklang von Erstaunen, als Ganser mit der Kommissarin Leiden-Oster noch auf ein Bier vorbeikommt. Jedenfalls macht das am nächsten Morgen die Runde im Präsidium, und so kommt es schon gegen neun Uhr auch an Benedicts Ohren, der im ISAT-Büro darauf wartet, dass seine drei Kollegen von ihrem >Fototermin< gegenüber zurückkommen.

      Nein. Sie hatten am Montagabend nicht mehr viel zustande gebracht, die Herren Hart, O’Connell, McGrath und Benedict. Nachdem das beabsichtigte Informations-Briefing erst durch die Kommissarin Leiden-Oster und dann durch den doch noch auftauchenden Kriminalhauptmeister Ganser gestört worden war, löste der Hauptkommissar die abgeschlaffte Runde gegen 7 Uhr abends auf.

      Die drei >Gastarbeiter< hatten’s dankbar vernommen und waren unter der kundigen Anleitung des in Düsseldorf stationierten Captains zu einem Kneipenbummel durch die Altstadt aufgebrochen.

      Vitus H. Benedict war durch den warmen Abend über die Rheinbrücke nach Oberkassel geschlendert, hatte sich Jeans und ein weites Flatterhemd angezogen und den restlichen Abend bei einer Flasche rotem Geisweiler auf der kleinen Terrasse seiner Rheinwohnung verbracht.

      Trotz dieses Genusses ist er heute Morgen mit klarem Kopf und voller Tatendrang erwacht. Seine erste Amtshandlung im ISAT-Büro ist die Anordnung einer zusätzlichen Türsicherung, die das Spezialisten-Team vor weiteren Überfallbesuchen schützen soll. »Nein, wir haben uns schon beim Briefing im Yard gewundert. Das ist nicht die normale Aktionsweise der >Provisionals<. Sie bomben, oder sie schießen. Natürlich auch Exekutionen von Verrätern, in ihren Augen, oder besonders ... exponierten Leuten von der Gegenseite. Aber nicht so etwas wie bei euch in Düsseldorf. Stimmt's, O’Connell?«

      McGrath fährt sich mit den kräftigen Fingern durch die langen, nach hinten gekämmten Haarsträhnen. Das ISAT-Büro ist knapp zwei Stunden später völlig verqualmt von Zigaretten- und Tabakrauch, der gnädig die restalkoholischen Ausdünstungen der drei nächtlichen Altstadtgänger überlagert.

      Der Nordire steckt sich schon die fünfte Zigarette aus der weiß-blauen Senior-Service-Packung an, wirft dann die Schachtel Swan-Vestas-Streichhölzer dem Detective Inspector am anderen Schreibtisch zu. Der bemüht sich, seine erloschene Pfeife wieder in Gang zu setzen, und starrt aus rotgeäderten Augen zwinkernd auf Benedict.

      »Damned right! Zwei Sachen sind hier nicht IRA-like. Okay. Es gab ein, zwei Fälle, wo sie ihre Opfer ausgezogen haben. Aber das machten sie, weil sie damit einen bestimmten Zweck verfolgten. Haben die Leute dann auch noch kahl geschoren oder geteert und gefedert. Zur Abschreckung oder weil sie ... Exempel ... machen wollten. Hier aber ... nur so ... gar keine Hinweise, was das soll ... schon komisch.« Der Pfeifenmann mit den Krollehaaren schüttelt den Kopf.

      »Und das zweite?«, fragt der Hauptkommissar vorsichtig in den graublauen Zimmerdunst hinein.

      Der Dubliner sorgt erst mal für Rauchnachschub aus seiner qualmenden Pfeife. »Die IRA-Leute wollen immer Publicity. Sie übernehmen immer und sofort die Verantwortung für solche Aktionen. Davon leben sie. Und in diesem Fall ... nichts. Nein, das ist nicht die Handschrift der IRA ... normalerweise. Wenn nichts von den anderen Dingen bekannt wäre, hätte ich auf eine Mafia- Angelegenheit getippt oder so was!«

      Captain Hart, dessen bleiche Gesichtsfarbe nicht nur auf die Kneipentour der vergangenen Nacht zurückzuführen ist, räuspert sich, klopft mit den Fingern auf das vor ihm liegende voluminöse Filofax-Notizbuch und schüttelt energisch seinen Kopf. »Forget it! Wenn es auch nicht der üblichen Vorgehens weise der Provos entspricht ... die Sache ist klar für uns. Und es gibt für unsere Dienststellen auch eine Begründung dafür!«

      O’Connell und McGrath sehen den Engländer noch mit verhaltener Skepsis an.

      »Ja?«, sagt Benedict auffordernd, dabei den Oberkörper leicht vorbeugend.

      Der Engländer klappt das in rotes Narbenleder gebundene Merkbuch auf, berichtet dann mit leiser, gleichförmiger Stimme, den Blick fest auf die engbeschriebenen Seiten des Kalendariums gerichtet.

      »Sergeant Green vom IntCorps wurde während einer Mission getötet. Diese Mission hatte zum Ziel, spezielle Informationen über einen geplanten Anschlag während des Staatsbesuches des englischen Thronfolgers in Westdeutschland oder West-Berlin herauszubekommen. Im Auftrag des IntCorps hatte Green in den letzten zwei Jahren Kontakte zur irischen Szene in Nordrhein-Westfalen auf genommen. Es war ihm gelungen, sich dabei auch an das IRA- und Sympathisantenumfeld heranzumachen ...« Der blasse Captain mit dem schmal geknoteten rosa Schlips über dem gestreiften Hemd gleichen Farbtons unterbricht seinen monotonen Redefluss, fügt in kaum verhohlenem ironischen Tonfall ein: »Das ist nicht so schwer wie bei euren RAF-Leuten. Die Iren quatschen gern und viel, sind bekanntermaßen Aufschneider und Sprücheklopfer!«

      Der Düsseldorfer Hauptkommissar hält den Atem an. Dieser letzte Satz, mit plätschernder Belanglosigkeit in den Dunst nächtlichen Altbiers und täglichen Nikotins hineingesprochen, verliert sich in den erstarrten Lachgrübchen des Dubliners. Der setzt schließlich so etwas wie eine Jammermiene auf.

      »Ein nationales Problem. Wie unser Klima, welches uns so schläfrig macht. Eine Bürde, an der nicht nur die IRA zu tragen hat ... auch die Herren James Joyce, Oscar Wilde, G. B. Shaw, Sean O’Casey, W. B. Yates und einige andere waren damit geschlagen!«

      Das Lachen in den Augen des GARDA-Mannes sieht jetzt wieder echt aus. Benedict sackt entspannt auf seinem Sitz zusammen. Der Nordire zupft angelegentlich an den rotblonden Härchen auf dem Rücken seiner linken Hand.

      Als sei nichts geschehen, setzt der S.I.B.-Captain seinen eintönigen Redefluss wieder fort. »Meine beiden Kollegen von der RUC und der GARDA haben völlig recht, diese Exekution ist keinesfalls typisch für die IRA. Die Verfahrensweise ist aber angemessen und logisch, wenn man von den folgenden Prämissen ausgeht: Ein Anschlag auf Prince Charles und Lady Diana während ihres Deutschland-Besuches ist von den Provos geplant. Der IntCorps-Mann bekommt Wind davon, wird aber enttarnt und getötet, bevor er nähere Einzelheiten an das IntCorps-Hauptquartier weiterleiten kann. Warum aber das Szenario mit der nackten Begleiterin, welches die deutsche Kripo offensichtlich in Richtung Sexualverbrechen lenken sollte? Zumindest kurzzeitig?«

      Captain Hart blickt von seinem dicken Notizbuch auf und sieht die drei anderen Mitglieder der ISAT-Gruppe der Reihe nach an. Dann versenkt er den Kopf wieder in den Blätterwust und spricht zufrieden weiter. »Zeit! Sie brauchten aus irgendeinem Grund Zeit, um die wirklichen Tatmotive zu verschleiern. Nicht lange, denn es muss ihnen klar gewesen sein, dass die Ungereimtheiten irgendwann auch den deutschen Dienststellen auffallen würden und außerdem ja auch wir nicht schlafen. Aber so ein oder zwei Tage wollten sie damit versuchen rauszuschinden.«

      »Ein oder zwei Tage Zeit? Wozu?«

      »Jemand eine Idee? Ein Pfennig für eure Gedanken!«, wirft der Engländer Benedicts Frage zurück in den Raum.

      »Um laufende Vorbereitungen einer Operation nicht zu gefährden, nehme ich an. Einer sehr wichtigen Operation!«, unterbricht O’Connell sein angestrengtes Pfeifengepaffe.

      Der Belfaster McGrath zischt leise die Anfangstöne von Rule Britannia durch die Zähne. »Sure! Wenn sie schon ein Kommando in Marsch hatten, mussten sie unbedingt verhindern, dass die Grenzen zu stark bewacht würden, und so groß ist ihr Reservoir an dafür geeigneten Leuten ja auch nicht ...«

      »Zwischen zwanzig und