Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek. Peter Schrenk

Читать онлайн.
Название Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek
Автор произведения Peter Schrenk
Жанр Зарубежные детективы
Серия
Издательство Зарубежные детективы
Год выпуска 0
isbn 9783745212532



Скачать книгу

Schreibtische stehen so, dass sich die Experten des Teams jederzeit gegenseitig in die Gesichter sehen können.

      Der blasse Engländer mit dem traurigen Dandygesicht, der blonde Belfaster mit den vielen Sommersprossen auf zu heller Haut, der kraushaarige Ire mit dem ständig verschmitzten Ausdruck in seinem Apfelgesicht und der bebrillte Düsseldorfer.

      »Ich gebe euch jetzt erst mal eine kurze Einweisung in die Lage. Dann könnt ihr vielleicht anschließend eure Informationen dazu anfügen, und am Schluss diskutieren wir unser nächstes Vorgehen. Seid ihr damit einverstanden?«

      Die Männer nickten, aber Benedict hat doch noch etwas vergessen. »Morgen früh müssten wir dann noch Fotos machen lassen, weil ihr ja ab und zu auch rüber ins Präsidium müsst. Ihr bekommt da so eine Art Zutrittsausweis, keine regulären Dienstausweise. Neun Uhr im ersten Stock beim Erkennungsdienst zum Fototermin. Ja, also dann fange ich mal an.«

      Hauptkommissar Benedict steht von seinem Schreibtischsessel auf und geht zu der an der Wand hängenden Übersichtskarte der Landeshauptstadt Düsseldorf hinüber.

      »In diesem Wäldchen an der Autobahnzufahrt der A 44 fand der zuständige Forstinspektor am Donnerstagmorgen die Leiche einer unbekleideten Frau, bei der wir anfangs die Vermutung hatten, dass sie dem Ermittlungsbereich einer Sexualstraftat zuzuordnen sei ...«

      Die Köpfe der drei Zuhörer fahren ruckartig herum, als die Tür aufgerissen wird. Verblüfft starren alle vier Männer auf die Gestalt, die so plötzlich im offenen Rahmen der Tür steht.

      Kommissarin Maria Leiden-Oster muss den kurzen Weg vom Präsidium quer über die Straße bis ins >Weiße Haus< unter Ausschöpfung aller Kraftreserven hinter sich gebracht haben.

      Sie steht da, mit keuchendem Atem und Schweißperlen auf dem roterhitzten Gesicht, die aschblonden Haare fallen strähnig über die beschlagenen Brillengläser. Noch bevor sie ihre zitternden Hände und den jagenden Atem beruhigen kann, fetzen die Worte abgehackt zwischen ihren Lippen hervor: »Herr Kollege Benedict! Ich bitte um eine Erklärung! Entweder sind Sie raus aus den Ermittlungen in der Craatz-Sache, und ich und Doemges leiten die Ermittlungen eigenverantwortlich, oder Sie ... pfuschen da weiter auch noch drin rum! Dann ... dann werde ich mich weigern, in der Kommission weiter mitzuarbeiten. Und wenn ich mich krank melden muss! So ein totales Durcheinander habe ich in meiner ganzen Laufbahn noch nicht erlebt! Sie verschanzen sich hier mit Ihren sogenannten >Spezialisten< hinter Sonderermittlungen, und bei uns geht’s nicht weiter. Von dem >Supermann<, den Sie uns zur Unterstützung angekündigt haben, ist auch nichts zu sehen! Wo bleibt er denn? Weit und breit nur Luftblasen. Schlimmer noch, bei uns fallen sogar noch wichtige Leute aus. Dunklenbroich liegt mit Gelbsucht im Krankenhaus und wird natürlich nicht mal ersetzt!«

      Die Worthalde bricht in den letzten Sätzen mit einem Anflug von Resignation zusammen. Stille. Gegenüber öffnet sich leise quietschend eine Tür. Für einen kurzen Moment schiebt sich der Umriss eines Kopfes in den Flur. Dann wird die Tür vorsichtig wieder geschlossen. »Wie sind Sie hier hereingekommen?«

      Zuerst erschrocken und fassungslos, dann mit zunehmend drückenderem Kragenknopf und endlich verlegen vor aufwallender Scham hatte Hauptkommissar Vitus H. Benedict den Ausbruch seiner Kollegin verfolgt.

      Aus den Augenwinkeln hatte er den Wechsel im Mienenspiel der drei ausländischen Polizisten im Zimmer beobachtet. Sie waren beim Eintritt der Kommissarin ebenso erschrocken wie er, wechselten dann aber ihren Gesichtsausdruck von anfangs wacher Konzentration hin zu amüsiertem Interesse. Bei einigen besonders starken Sätzen schnitten sie sogar feixend Grimassen.

      In Benedicts Gesichtszügen ist von dieser Stimmung nichts zu finden. Hinter schlecht verborgenem Zorn findet sich eher noch ein leiser Anflug nachdenklicher Gespanntheit, dessen Ursache eine kurze Bewegung der rechten Hand des Captain Hart zur linken Achsel beim unerwarteten Auftreten der Kommissarin war. Die Synchronizität der beiden Vorgänge, Eintritt der Kommissarin - Handbewegung Captain Hart, hatte zu einer kaum verzögerten dritten Aktion in Benedicts Rückgrat geführt: der Bildung eines kleinen, kalten Eisballes, der schwer und eisig die Sprossen der Wirbelleiter herunterkollerte.

      »Wie sind Sie hier reingekommen?«

      Nicht nur Kommissarin Leiden-Oster sieht ihn mit einem Ausdruck von Verwirrung an. Auch die Blicke der drei ausländischen Kollegen sind zumindest erstaunt. Aber Benedict hält krampfhaft, starrsinnig an seiner Frage fest. Sie bietet ihm Halt und die Möglichkeit nachzudenken, wie er auf den soeben geführten Angriff gegen seine Kompetenz sinnvoll reagiert, ohne Gesichtsverlust vor den drei anderen Mitgliedern der ISAT-Gruppe, ohne sich vor der MLO eine Blöße zu geben und ohne nachhaltigen Schaden für die zukünftige Zusammenarbeit des 1. K.

      Während er darüber angestrengt nachdenkt, schreibt er, beobachtet von den gespannten Bücken der restlichen Anwesenden im Raum, auf einen Zettel die Worte: Zugangssicherung für ISAT-Büro! Dann schraubt er den silbernen Füller wieder zu und steckt ihn in die Seitentasche seiner Jacke. Er zieht die an der goldenen Kette hängende Taschenuhr mit dem Porzellandeckel heraus und lässt den Decke auf schnappen. Während die Melodie von >Üb immer Treu und Redlichkeit< einen Ausdruck gereizter Nervigkeit im Gesicht der Kommissarin hervorbringt, sind die Mienen der drei Männer aus England und Irland erst ungläubig versteinert, dann reichlich verblüfft. Kein Wunder. Für sie ist es das erste Mal.

      Mit einem bedauernden Blick auf die Gravur in der Innenseite des Deckels verschließt Benedict das kostbare Kleinod wieder vor den Blicken der anderen.

      Die Musik ist verstummt. Die Geräusche der belebten Lorettostraße dringen umso deutlicher durch die vom Nachmittagssonnenschein durchfluteten doppelverglasten Thermopen-Fenster herein.

      »Na, ist auch egal. Werde mich drum kümmern«, gibt sich Benedict dann selbst die Antwort auf seine Frage, rollt den mit schwarzem Stoff bezogenen Schreibtischsessel auf die immer noch in der offenen Tür stehende Kommissarin zu und fordert sie mit einer weit ausholenden Handbewegung zum Sitzen auf. »Könnten Sie auch die Tür bitte hinter sich zumachen, Frau ... Kollegin!«

      Er selbst setzt sich gewollt locker und leger auf die Kante seines Schreibtischs und stellt dabei fest, dass er sich bei nächster Gelegenheit mal wieder auf die Waage stellen sollte. Das spannt alles ganz schön. Besonders, wenn man sich bemüht locker und leicht geben will.

      »Erstens: Es handelt sich bei den hier Anwesenden nicht um festzunehmende Gewalttäter. Ich ersuche Sie also im Nachhinein um die Befolgung wenigstens minimaler Höflichkeitsregeln, worunter ich auch das Anklopfen an eine geschlossene Tür verstehe.«

      Mit einem heftigen Kopfschütteln würgt der Leiter des 1. K eine offensichtlich hochschießende Entgegnung der weiblichen Untergebenen mit der dicken Hornbrille ab.

      »Nein! Sie hatten doch gerade Ihre Szene! Zweitens: Sie selbst provozieren durch Ihre hanebüchene Art von ... Auftritten offensichtlich immer gerade die Reaktion, die Sie dann reklamieren und als deren besonders weibliches Opfer Sie sich dann darstellen. Und das sogar auf dem Dienstweg und nicht, wie es bisher unter uns Kollegen üblich war, bei einem gemeinsamen Kneipengespräch oder anderswo, wenn Sie denn schon kein Bier mögen! Drittens: Es hat doch nie einen Zweifel daran gegeben, dass Doemges und Sie für die SpriKo verantwortlich sind! Ich möchte Sie daran erinnern, dass Kommissar Doemges die Leitung hat, und ich darf wohl weiterhin Ihr Augenmerk auf die Tatsache lenken, dass ich weiterhin der Leiter 1. K bin und ich mir somit zu jeder Tages- und Nachtzeit das Recht herausnehme, mich über den Ermittlungsstand zu informieren beziehungsweise in die laufenden Ermittlungen einzugreifen! Sollte Ihnen das missfallen, dann müssen Sie entweder die bestehenden Verantwortungsstrukturen bei der Polizei ändern oder selbst zum Leiter des 1. K. reüssieren!« Der Mann auf dem Schreibtisch macht eine Pause, um Luft zu holen, und denkt kopfnickend, dass dieses schöne Wort auch von Kriminalhauptmeister Ganser hätte kommen können, der ein Faible für ausgefallene Fremdworte an richtigen und falschen Stellen hat.

      »Zu dem von Ihnen angesprochenen Fall: rein zufällig bin ich in der betreffenden Samstagnacht noch mal auf der Kriminalwache des Präsidiums gelandet und habe dabei den Fall dieses Mädchens mitbekommen. Ich habe mich aber ganz bewusst aus der Sache herausgehalten und mir nur berichten lassen! Alles