Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek. Peter Schrenk

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Название Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek
Автор произведения Peter Schrenk
Жанр Зарубежные детективы
Серия
Издательство Зарубежные детективы
Год выпуска 0
isbn 9783745212532



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Suche nach einem vernünftigen Arbeitsplatz für das Team. Sowohl der Polizeipräsident als auch der >Leitende< hatten sich aus unterschiedlichen Gründen erfolgreich dagegen gewehrt, dass das Internationale Sonder-Arbeits-Team, ISAT, einen der kostbaren Diensträume im Präsidium bezog. Der Präsident, weil ihm die Anwesenheit dieser in seinen Augen unpolizeilichen Gruppe absolut nicht behagte, und der »Leitendes weil ihm das Verständnis dafür abging, dass »wir das 8. und das 9. K wegen Raummangels aus dem Präsidium ausgliedern, dann aber für solche >Euro-Bonds< hier Extrawürste braten!«.

      Schließlich war es Benedict gelungen, nach zähen Gesprächen mit dem Leiter des 8. K und dem Chef der Verwaltung einen Raum im >Weißen Haus< zu ergattern. Das mehrstöckige Geschäfts- und Wohnhaus auf der Lorettostraße, dem Präsidiumseingang gegenübergelegen, beherbergte seit mehreren Monaten in einer Großwohnung des ersten Stocks Teile des 8. K und wurde intern als das >Weiße Haus< bezeichnet. Hier fand er also schließlich einen geeigneten Raum für das Operations-Zentrum des ISAT.

      Den Rest der Woche wetzte er sich die Hacken ab, um an so profane Dinge wie Aktenordner, Filzstifte und Büroklammern zu kommen. Aber auch drei Telefone mit Direktleitung, Schreibmaschine, Kartenmaterial, Handfunkgeräte, Tische und Stühle waren zu beschaffen. Das Schwierigste waren schließlich die verdammten Fahrzeuge gewesen, aber hier hatten die Prioritätsforderungen des Ministeriums wahre Wunder vollbracht. Und als er am Freitagnachmittag erschöpft, aber zufrieden auf sein Werk herabsah, fiel ihm ein, dass er die Unterbringungsfrage überhaupt noch nicht bedacht hatte. Nach Rücksprache mit Captain Hart im Rhine Center verwarfen sie beide die anfängliche Idee, die beiden Polizeibeamten in der englischen Flughafenkaserne unterzubringen, und Benedict buchte für die beiden Iren vorsorglich im Hotel Kastens. Bequemer ging’s nun wirklich nicht, denn das Hotel Kastens befindet sich zwei Häuser weiter in direkter Nachbarschaft des »Weißen Hauses<.

      Es ist also alles geschafft, und Benedict wartet voll Spannung auf die am Montag beginnende Zusammenarbeit.

      Der Verkehr wird lebhafter, als er die Bereiche der Innenstadt durchfährt. Am Samstagabend sind die Düsseldorfer unterwegs und toben sich tüchtig aus. Als Benedict wieder aus seinen Gedanken auftaucht, steht der Wagen schon auf dem Parkplatz vor dem Präsidium. Gewohnheitsmäßig ist er den Wegweisern zum Jürgensplatz gefolgt. Obwohl es schon fast Mitternacht ist, kann er es nicht lassen. Schnell geht er noch mal die vertrauten Stufen hoch. Das Gesicht des Pförtners sieht grau und schläfrig aus.

      »Ist irgendwas Besonderes, Herr Hauptkommissar?«

      »Nein, nein. Will nur mal kurz reinschauen!«

      Auf der Kriminalwache im Erdgeschoss sitzt ein junges Mädchen und redet mit einer Beamtin von der Sitte. Auch der Leiter der Kriminalwache ist noch da und mustert Benedict erstaunt. »Kümmern Sie sich also doch selber drum? Ich dachte, der Doemges bearbeitet die Spritzer-Sache jetzt!« Auf Benedicts Gesicht zeigt sich Unverständnis.

      Das Mädchen ist dreizehn Jahre alt. Wurde gegen 19 Uhr auf der Straße Am Schönenkamp im Düsseldorfer Stadtteil Reisholz von einem Mann angefallen und mit einem Messer bedroht. Er hatte sie in ein Gebüsch an der Autobahnzufahrt gezerrt und sie aufgefordert, sich auszuziehen. Das zierliche Mädchen hatte sich trotz des Messers erfolgreich zur Wehr gesetzt und den knapp Dreißigjährigen in die Flucht geschlagen.

      »Wie kommt sie auf diese Altersangabe?«

      »Na ja, sie hat ihn erst als alten Knacker bezeichnet. Aber wir haben das dann mit der Kollegin eingrenzen können. Die jungen Leute haben da wohl heute etwas andere Ansichten.«

      Alle auf der Wache anwesenden Kollegen waren erstaunt darüber, dass diese zierliche Person einen Mann, der sie noch dazu mit dem Messer bedroht hatte, so einfach vertreiben konnte. Aber sie machte bei irgend so einem Karatekurs für Frauen in Unterrath mit und konnte sogar eine ordentliche Täterbeschreibung liefern: schütteres, dunkelblondes Haar, weiche, dickliche Gesichtszüge, Strumpf über dem Gesicht. Sie hatte auch Nikotinfinger gerochen und einen Ring mit einem merkwürdig bunten Stein gesehen. Gelbes T-Shirt, Jeans und Turnschuhe, vielleicht eine Brille.

      Die Beschreibung stimmte mit ähnlichen Beschreibungen überein. Der Spritzer war diesmal an die Falsche geraten. Würde ihn das beunruhigen? Vielleicht mehr als die Tote am Rhein? Mutig, die Kleine, wirklich. Da muss man sich wundern, wo so viel Kaltblütigkeit herkommt.

      Beunruhigt geht Hauptkommissar Benedict doch noch hoch in sein Dienstzimmer im ersten Stock. In Reisholz war das, ganz in der Nähe von Benrath, wo Madeleine gerade im Dunkel der Straße verschwunden ist. Und der Stadtwald liegt nur wenige Meter weiter.

      Es klingelt sehr lange. Als sich Madeleines schlaftrunkene Stimme räuspernd am Telefon meldet, legt Benedict den Hörer leise auf. Gott sei Dank, alles in Ordnung, aber reden wollte er doch nicht mit ihr.

      6

      Übers Wochenende hat jemand auch noch eine runde Küchenuhr mit großem Sekundenzeiger ausgegraben. Am Montagmorgen hängt das Ding an der vorher leeren Wand des ISAT-Büros im »Weißen Haus< und zeigt auf acht Uhr.

      Benedict wählt die Nummer des 1. K, aber Kriminalhauptmeister Ganser ist noch nicht aufgetaucht. Verärgert legt der Hauptkommissar den Hörer wieder auf die Gabel. Schon komisch, dass sich Ganser nicht mal am Wochenende gemeldet hat. Das Präsidium gegenüber ist kaum zu sehen. Nur umrissartig sind die Konturen des altertümlichen Kolosses zu erkennen, so dick wälzen sich die ersten Herbstnebel von den Rheinufern herüber durch Düsseldorfs Straßen.

      Auf dem noch fast leeren Schreibtisch liegt eine Zettelnotiz: 11 Uhr Begrüßung durch PP, anschließend Gespräch im Innenministerium. Vorher dort anrufen! Dahinter ist eine Durchwahlnummer gekritzelt.

      Es ist kalt in dem noch nicht ausgefüllten Arbeitszimmer des Spezial-Teams.

      Auch um neun Uhr ist Ganser noch nicht eingetroffen, und Benedict lässt sich mürrisch in dem schwarzen Dienst-Scorpio des >Leitenden< durch den Herbstnebel nach Lohausen chauffieren, um die beiden Polizisten aus Irland abzuholen. Als er am Flughafen ankommt, hat er Grund, sich über sich zu ärgern. Hätte er sich ja auch denken können, bei dem Nebel: Die hereinkommenden Maschinen sind entweder auf andere Flughäfen umgeleitet worden, oder sie haben ihre Abflughäfen erst gar nicht verlassen und warten auf bessere Sichtverhältnisse in Düsseldorf.

      »Hat es denn Zweck zu warten, oder sind die Flüge gestrichen?«, fragt Benedict in das Getümmel vor dem Schalter der British Airways hinein. Abwesend zuckt die überforderte Angestellte der Fluggesellschaft mit den Schultern und wendet sich dann wieder einem Fluggast zu, der ein dickes Bündel Flugscheine auf den umlagerten Schaltertisch wirft. Benedict sagt dem wartenden Fahrer Bescheid und geht rüber zu den Kollegen von der Flughafenwache.

      Von da aus ruft er wieder im Präsidium an und gibt Nachricht an das Vorzimmer des Polizeipräsidenten. »Nein, ich kann jetzt noch nicht sagen, wann die beiden eintreffen werden. Informiere Sie dann sofort. Können Sie das Innenministerium verständigen? Der Termin verschiebt sich ja auch. Ja, ich komme dann noch mal über Draht. Und ... Frau Böttchens, können Sie mich noch mal ins 1. K runterlegen? Danke!«

      Nein, der Kollege Ganser hat sich immer noch nicht gemeldet.

      In der Flughafenwache stehen zwei Monitore, die die Abflugs- und Ankunftszeiten der Maschinen und deren Landepositionen auf dem Flugfeld wiedergeben. Vor diesen Bildschirmen macht sich’s Benedict halbwegs gemütlich. Er lässt sich einen Becher Automatenkaffee