Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek. Peter Schrenk

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Название Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek
Автор произведения Peter Schrenk
Жанр Зарубежные детективы
Серия
Издательство Зарубежные детективы
Год выпуска 0
isbn 9783745212532



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meint Ganser: »Aber der hat ja das Steuer auf der rechten Seite! Was ist das überhaupt für ein Wagen? Wo hast du den her?«

      »Moment, erklär’ ich dir gleich drinnen. Hilfst du mir mal, die Abdeckplane drüberzulegen? Sonst haben wir hier den ganzen Tag Kirmes!« Nachdem sie die graue Persenning festgezogen haben, sitzen beide in der kleinen Küche am Tisch. Gansers Blick geht wiederholt zum Telefon.

      »Nu mach schon. Ruf dein Schätzchen schon an!«

      »Aber du wolltest doch von dem Wagen ...«

      »Ja, ja - ist schon gut. Die Nummer weißt du noch, oder?«

      Erleichtert zieht Ganser den weinroten Apparat zu sich heran. Nach dem Wählen kommt ein langes Freizeichen. Nanu, am Freitagnachmittag? Er legt auf und wählt eine andere Nummer.

      »Tag, kann ich mal den Leiter 1. K sprechen? Wissen Sie, ob der im Hause ist? ... Ach so ... nein, sonst möchte ich niemanden sprechen ... tschüs!« Frustriert schiebt er den Apparat wieder an seinen Platz zurück.

      »Also, dann erzähl mal!«

      Spöttisch ist der Blick aus den blauen Augen, den der Kriminalhauptmeister da über den Tisch zugeworfen bekommt. Aber dann ist das Bedürfnis, der eigenen Freude Ausdruck zu verleihen, groß genug, und aus Angela von Suttner sprudelt es heraus: »Also, in dem Rallyeclub, in dem ich sonst immer fahre, hat mich ein Clubkamerad ein paar Mal zu Rallyecross-Rennen mitgenommen. Und nach ’ner Zeit habe ich das auch mal probiert und fand das ganz witzig und spannend. Langer Rede kurzer Sinn: Vor einem Vierteljahr bin ich bei einem Rallyecross-Rennen in Brands Hatch mit einem der besten englischen Rallyecross-Fahrer zusammengetroffen, und der hat mir angeboten, sein altes Fahrzeug zu kaufen, weil er sich mit einem neuen Wagen auf die nächste Saison vorbereitet. Und das da draußen ist er. Ein Ford Escort mit Spezialmaschine, 560 PS, Vierradantrieb und Supersprintqualitäten. Nimmt es bis 150 km/h mit jedem Formel-1-Renner auf! Und im nächsten Jahr werde ich neben Grace Ließfeld auf dem Manta die zweite Rallyecross-Fahrerin in Deutschland sein! Was sagst du?«

      »Aber der hat doch Rechtslenkung!«, ist alles, was Ganser dazu einfällt. Dann überredet Angela von Suttner ihn doch, am Samstagmorgen mit ihr und dem Rennwagen auf dem Hänger nach Buxtehude zu fahren, wo sie auf dem Estering das Fahrzeug unter Anleitung des englischen Vorbesitzers einfahren will. »Und Stephanie? Kommt die auch mit? Wo ist sie überhaupt?« Sein Verhältnis zu der siebenjährigen, etwas vorlauten Tochter Angelas aus ihrer Ehe mit dem reichen Düsseldorfer Immobilienmakler ist zwar noch etwas unsicher, aber sie haben sich langsam aneinander gewöhnt. »Die ist bei meiner Mutter und kommt erst Montag wieder!«

      Der Freitagabend wird dann doch nicht ganz so, wie er ihn sich vorgestellt hat. Angela hat ihre Tage, und auf dem Weg in die Pommes-Bude auf der Berliner Straße berichtet sie ihm kurz, dass die nette Verkäuferin dort vor zwei Wochen von ihrem Mann mit einem Messer umgebracht wurde. »Die lebten getrennt, und er hat sie mit 145 Messerstichen getötet. Musst du dir vorstellen. Es ging um Unterhaltszahlungen, und die beiden Kinder mussten den Mord an ihrer Mutter mit ansehen! Fürchterlich!«

      Routinemäßig fragt Ganser: »War jemand von den Kollegen aus Düsseldorf hier?« Aber seine Gedanken sind bei Madeleine und seinen beiden Töchtern Désiré und Melanie. Nein, so weit würden sie es nie kommen lassen. Die Hähnchen sind zwar knusprig wie immer, aber heute wollen sie trotzdem nicht richtig schmecken.

      *

      Fahl scheinen die letzten Reste des herbstlichen Tages durch die verschmutzten Oberlichter unter der Decke. Der trübe Schein überalterter Neonröhren flackert bläulich von rauverputzten Wänden herab auf den staubigen Hallenboden.

      Es quietscht laut, als die große Tür am Ende der weitläufigen Halle geöffnet wird. Eine junge Frau tritt mit zögernden Bewegungen in den hohen Raum. Nervös klimpert ihre behandschuhte Rechte mit den Wagenschlüsseln. Der linke Ellenbogen presst verkrampft die unförmige Hängetasche an den zierlichen Körper.

      Je näher sie dem markierten Areal des Parkplatzes kommt, desto hölzerner und hastiger werden ihre Schritte in den Sportschuhen. Im kalten Licht wirbelt grauer Staub. Die junge Frau hüstelt. Die Pupillen ihrer grünen Augen zucken nach links und rechts, als sie die Schlüsselhand ängstlich vor den keuchenden Mund hält.

      »Hhaaa...!«

      Mit einem bösartigen Grunzen tritt die klobige Gestalt hinter einem der Stützpfeiler hervor. Das Gesicht im Schatten einer breiten Hutkrempe verborgen, der muskulöse Körper in einen Jogginganzug gekleidet und die Arme leicht abgespreizt, kommt der Mann griffbereit auf die zitternde Frau mit dem Autoschlüssel zu. Unter der Hutkrempe quillt es höhnisch hervor: »Schließ deinen Wagen auf, du kleine Zitterfotze! Drinnen wirst du durchgegeigt, dass dir der Saft nur so rausspritzt! Los!« Mit dem letzten Wort aus dem sabbernden Mund steht der Mann vor der erstarrten Frau und umschlingt sie fest mit seinen tentakelartigen Armen. Er drängt sie zielsicher auf ihre Wagentür zu, sein heißer, klebriger Atem ist ganz dicht an ihrem Ohr, die fremde Haut an ihrer Wange, die großen Hände überall, und sie fühlt dieses geschwollene Ding von ihm durch den leichten Stoff der Trainingshose. Sie droht in diesem zähen Brei von erzwungener Nähe, Angst, Entsetzen, Ekel, Scham und Schuld zu versinken. Willenlos lässt sie sich bis zum Wagen drücken, dann sammelt sie mit einem ruhigen Atemzug alle noch verfügbare Energie zu einem aus den Tiefen ihres Bauches herausbrechenden Schrei: »Nein. Nein! Neeiiiin!«

      Gleichzeitig reißt sie das linke Knie hoch, trifft irgendwohin, in dieses gewalttätige Stück Fleisch, sodass sich der brutale Griff der Klammerpranken etwas lockert. Ein schriller, hoher Schrei! Die eben noch zitternde Frau taucht mit einem tänzelnden Schritt in die Hocke ab und aus der Reichweite der gierigen Männerarme heraus in die schützende Halbdistanz. Ein gezielter Stoß mit der harten Sohle des linken Schuhs nach dem rechten Knie des Angreifers. Der verliert den Halt und stürzt mit einem kleinen Aufschrei der Verblüffung zu Boden. Jetzt setzt die Frau nach. Keuchend vor Wut und am ganzen Körper bebend, rammt sie ihre Schuhspitzen immer wieder in den Leib des Mannes, der sich auf dem staubigen Boden windet. Aus dem bleichen, zuckenden Frauengesicht bricht die Wut erlittener Demütigungen hervor, schafft sich in schrill herausgestoßenen Fluchkaskaden Ausdruck: »Du alte Drecksau! Du Arschloch! Ich zermatsch’ dir deinen Schwanz! Du Schwein! Du ...!«

      »Stopp! Stopp! Lass den Günther noch leben, den brauchen wir noch!«

      Der Kurs hat die Nummer 1173a im Programm der Volkshochschule Hilden-Haan und heißt Einführung in die Selbstverteidigung für Frauen<. Hinter >Kursleitung< steht kein Name. Nur die beiden Buchstaben N.N. Der Lehrgang umfasst neben allgemeiner Lockerungsgymnastik einen Karatekurs und ein psychologisches Training. Was nützen schließlich die besten Schlagtechniken, wenn die innere Barriere vor der Anwendung von Gewalt so hoch ist, dass die Karatetechnik im Ernstfall nicht angewendet wird.

      Die Kursleiterin, deren vollständiger Name dem Direktor der VHS bekannt ist, hilft dem am Boden liegenden >Angreifer< von eben wieder auf die Füße, teilnahmsvoll fragt sie: »Alles in Ordnung, Günther? Alles noch dran?«

      Der Mann im Jogginganzug schiebt sich die verrutschten Schutzpolster wieder zurecht und sagt, das Gesicht mit der Gitterschutzmaske dem Opfer von vorhin zugewandt: »Mmm, das war schon ganz ordentlich, Jutta! Aber wenn der Typ am Boden liegt, darfst du die Kontrolle nicht so verlieren. Gezielte Fußstöße. Ich sage nochmals, gezielte Fußstöße, in die Nierengegend zum Beispiel. Dann zurück in die Distanz. Wirkung abwarten. Wieder zustoßen, wieder zurück! Du musst aus der Reichweite von Armen und Beinen, sonst bringt der dich doch noch auf den Rücken, und dann blüht dir was! Also cool bleiben, Mädchen!«

      Die Frau, deren Atem noch immer schneller geht, wendet sich mit einem Schulterzucken an die Kursleiterin in dem weißen Kampfanzug. »Cool bleiben ist gut, Nina! Ich bin heilfroh«, ihre Stimme färbt sich jetzt leicht hysterisch, »dass ich überhaupt den Mut habe zurückzuschlagen! Und dann soll ich auch noch cool bleiben. Du bist ja auch noch nie so angemacht worden, Günther!«

      Die anderen zwölf an der Turnhallenwand stehenden Frauen murmeln halblaute Zustimmung,