Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek. Peter Schrenk

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Название Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek
Автор произведения Peter Schrenk
Жанр Зарубежные детективы
Серия
Издательство Зарубежные детективы
Год выпуска 0
isbn 9783745212532



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kaum Fluchtprobleme für den Schützen geben.

      Links neben dem hohen Flügelfenster steht eine metallene Klappleiter, auf deren oberster Sprosse ein Mann im weißen Malerkittel sitzt. Er hat seinen Farbpinsel aus der Hand gelegt und scheint geduldig zu warten, bis die störenden Besucher den Kuppelsaal verlassen haben werden.

      Der Asiate, in seinem angestrengten Bemühen, den Erklärungen der Kunstführerin zu folgen, hat wohl die am Fuße der Leiter stehenden Farbeimer und Töpfe übersehen. Mit einem verdutzten »Ahhh« stolpert er über einen runden Plastikeimer und greift strauchelnd nach einem Leiterholm.

      »Vooors...«

      Die Warnung des Weißkittels auf der Leiter kommt zu spät. Der Doppelbelastung durch den Halt suchenden Japaner und den die Balance verlierenden Restaurateur hat die Klappleiter >Made in Taiwan< nichts entgegenzusetzen. Wie ein Pilot seine abstürzende Maschine noch über die letzten Häuser der Ortschaft wegzieht, um weitere Menschenopfer zu vermeiden, klammert sich der Stuckausbesserer bis zum letzten Moment an der fallenden Leiter fest, um diese im Kippen von den wertvollen Wänden weg in die leere Raummitte zu ziehen. Der Restaurateur landet inmitten der Farbtöpfe auf dem schachbrettgemusterten Marmorboden. Mit einem hässlichen Knirschen scheppert die Leiter über den gepflegten Boden. Die Lächerlichkeit des Zufalls will es, dass sein Kopf im Zentrum des Marmorsterns, der im Boden verlegt ist, zu liegen kommt. So sehen die erschrockenen Schlossbesucher von oben auf einen gefallenen, weißkitteligen Heiligen mit einem großen Heiligenschein herunter.

      Der Japaner verbeugt sich schuldbewusst und stößt dabei wieder und wieder »I am so sorry, I am so sorry!« hervor. Die drei Mädchen beginnen spontan zu prusten. Ein scharfes Klatschen beendet diese an sich normale Reaktion, und nur die Fasanenfeder auf dem grünen Jägerhut wippt noch im Nachhall plötzlicher Erregung.

      Munroes Gesicht ist zwar auch dem Ereignis zugewandt, aber ein sehr geübter Beobachter würde erkennen, dass die Augen in diesem Gesicht auf etwas ganz anderes gerichtet sind. Der Gegenstand, den die braunen Augen Munroes unauffällig betrachten, steht auf dem dunklen Marmor des Kaminsims an der Wand und erwacht ausgerechnet in diesem Augenblick zu melodiösem Leben. Aus dem Inneren der goldenen Kaminuhr der Pariser Uhrenkünstler Joly et Roy ertönt ein klingendes Glockenspiel. Erschrocken starrt Munroe auf die Armbanduhr. Zwei Uhr. Damned! Niemand sonst achtet auf die schönen Klänge. Die Schlossdame richtet mit Hilfe des Pickligen den Oberkörper des Weißkittels auf und redet hilflos auf den Gefallenen ein. Der verzieht schmerzhaft das Gesicht.

      Das Glockenspiel verklingt. Der feiste Olprinz spricht mit beruhigenden Rachenlauten auf die schlankere seiner beiden vermummten Frauen ein. Diese fächelt sich aufgeregt mit einem großen weißen Tuch vor dem Augenschlitz herum. Dann kippt sie mit einem kehligen Aufschrei um, sie greift noch Halt suchend nach dem Marmorsims, wird aber durch den festen Griff eines blonden Mädchens vor einem harten Fall auf den Marmorboden bewahrt.

      Die Schlossführerin blickt leicht verzweifelt um sich, aber sie bekommt Hilfe von der blonden Samariterin, die sich eben noch bei der gestrauchelten Araberin nützlich gemacht hat, »Ich sage vorne am Eingang Bescheid. Vielleicht sollten wir einen Krankenwagen rufen lassen! Sie müssen ja hier aufpassen!«

      »Ja, ja. Danke. Das ist nett von Ihnen!« Erleichtert wendet sie sich wieder dem bleichen Gesicht des Restaurateurs zu und streichelt vorsichtig über dessen Arm.

      Der Araberin scheint es besser zu gehen. Sie steht vor dem Kamin und redet lauter und lauter mit ihren beiden Landsleuten. Schließlich geht der Ölprinz mit den Goldhänden auf die am Boden hockende Schlossführerin zu, drückt ihr einen Geldschein in die Hand und sagt mit traurigem Gesichtsausdruck: »My wife sick. Have to go. Sorry!« Dann schliddert er mit seinen beiden vermummten Damen durch das Vestibül Richtung Schlosseingang davon.

      Während die Schlossführerin neben dem Weißkittel erschrocken auf den blauen Hundertmarkschein in ihrer Hand starrt, bewundert Munroe zufrieden lächelnd die zierliche Golduhr auf dem dunklen Kaminsims. Wunderschön. Ein Meisterwerk. Eine gelungene Kopie.

      *

      Maria Leiden-Oster hat ihre Beine lang von sich gestreckt und starrt missmutig auf die Wandkarte von Düsseldorf und Umgebung. Sie kaut an ihren Fingernägeln. Kommissar Doemges nimmt ein letztes Vivil aus dem Silberpapier, schiebt es sich in den Mund und wirft das Packungskügelchen in Richtung Papierkorb. Daneben. Er knurrt enttäuscht.

      Läppert hält eine aufgeschlagene Zeitung vors Gesicht und liest halblaut einen Leserbrief vor: »Wie lange werden unsere Frauen und Töchter noch den Angriffen dieser Bestie ausgesetzt sein? Und die Polizei, dein Freund und Helfer, ist mit ihrem ganzen gewaltigen Apparat damit beschäftigt, ausländische Staatsgäste und Atomkraftwerke zu beschützen! Mein Vorschlag: Statt Hunderte von Beamten auf Knöllchenjagd zu schicken und die Abschleppunternehmer reich zu machen, sollten die lieber für die Jagd auf die Sex-Bestie eingesetzt werden! Name des Einsenders ist der Redaktion bekannt.« Läppert wirft die Zeitung verärgert auf den leeren Stuhl neben sich, und Bernwart Neumann stöhnt gequält auf. »Gewaltiger Apparat. Mir kommen die Tränen!« Sein Bruder bläst die Backen auf und poltert: »Alles Quatschköppe! Das hat doch überhaupt nichts miteinander zu tun! Was sollen denn die Hipos dabei!«

      »Scho' recht«, reagiert Läppert mit unterdrückter Erregung auf Neumanns Ausbruch, »aber das ischt halt die öffentliche Meinung!« Unwillkürlich ist er wieder in seinen Heimatdialekt zurückgefallen, und Staatsanwalt Grüberle, der sechste in der Runde des 1. K, horcht erfreut auf. Heimatliche Klänge. Aber Läppert hat sein langweiliges Geburtsnest im Schwarzwald schon vor dreizehn Jahren verlassen. Er betrachtet sich mittlerweile als richtigen Ratinger und ist sogar aktiver Karnevalist. Heute ist ihm allerdings weniger nach Karneval zumute. Nein. Keiner verströmt hier rheinischen Frohsinn.

      Im Laufe der Woche hatten sie die inzwischen neunzehn Spritzer-Fälle wieder und wieder durchgekaut, und heute Morgen, bei der großen Mittwochs-Frühbesprechung, konnte das 1. K immer noch keine Ermittlungsfortschritte vorweisen.

      »Warten. Wir können nur auf den nächsten Überfall warten.«

      Staatsanwalt Grüberle schüttelt mit dem Kopf. »Sie hoffen darauf, dass der Spritzer einen Fehler macht, Herr Doemges?«

      »Wieder so einen Fehler, bei dem eine tote Frau das Ergebnis ist?« Maria Leiden-Oster hat sich ruckartig aufgesetzt.

      Doemges stöhnt resigniert auf. »Das haben wir doch schon besprochen, Kollegin. Wir waren uns doch alle einig, dass das mit der Craatz ein ... ein Ausreißer gewesen sein muss. Panik ... Schock ... oder was anderes. Jedenfalls war das nicht typisch für das von uns erarbeitete Psychogramm des Spritzers!«

      »Aber wer sagt uns, dass er nicht Gefallen daran gefunden hat? Oder dass sich jemand anderes jetzt als Nachahmer betätigt?« So schnell gibt sich die Kölner Kommissarin nicht geschlagen, auch wenn ihr die Unterstützung durch die beiden Kolleginnen des 2. K. fehlt.

      Die weiblichen Beamten werden nämlich gebraucht, um bei den sich häufenden Sexualfällen die Aussagen der Opfer aufzunehmen.

      Grüberle mischt sich vermittelnd ein. »Haben Sie denn einen Vorschlag, wie wir in der Sache weiterkommen könnten, Frau Leiden-Oster?«

      »ZFK!«

      »Ha, ha, ha«, bellt Doemges trocken und sucht in seinen Hosentaschen verzweifelt nach einer neuen Packung Pfefferminzdrops.

      »Nee, nee, so verkehrt ist das gar nicht!«, mischt sich auch einer der Neumänner wieder ein und erntet von der verschnupften Kollegin einen freundlichen Blick.

      »Habe ich doch auch nicht so gemeint«, Doemges hat eine neue Packung gefunden, »das Zentrale Fahndungskommando ist nur so hoffnungslos mit Einsätzen überlastet, dass wir die dafür bestimmt nicht bekommen. Jedenfalls nicht, solange die jetzt auch noch in die Vorfeldfahndung für den Staatsbesuch eingeschaltet sind. Nein, das ist völlig unrealistisch!« Erschöpft lehnt sich der Leiter der SpriKo wieder auf seinen Stuhl zurück. Reden ist wirklich nicht seine Sache.

      »Und