Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek. Peter Schrenk

Читать онлайн.
Название Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek
Автор произведения Peter Schrenk
Жанр Зарубежные детективы
Серия
Издательство Зарубежные детективы
Год выпуска 0
isbn 9783745212532



Скачать книгу

ist eine Koordinierungsinstitution der polizeilichen Zusammenarbeit im EG-Rahmen. Es verfügt über einen geschützten Datenverbund und ein spezielles Fernmeldenetz zwischen den beteiligten EG-Staaten.

      Der Innenminister der Bundesrepublik Deutschland informierte am Wochenende die TROIKA, das aus drei EG-Ministern bestehende Führungsgremium von TREVI, über die mit dem erwarteten Staatsbesuch zusammenhängende Lage und ersuchte gleichzeitig um Benennung von Kandidaten aus Irland, England und Nordirland für das geplante Arbeitsteam in Düsseldorf. Die TROIKA gab eine entsprechende Arbeitsanweisung an TREVII, die für Fragen des Terrorismus zuständige Abteilung. Nach zwei Stunden hatten die Computer jeweils drei potentielle Mitglieder für die Düsseldorfer Arbeitsgruppe ausgespuckt, von denen nach einem weiteren Durchlauf drei Idealkandidaten ermittelt wurden. Alle neun Kandidaten waren hinsichtlich ihrer Qualifikationen als gleichrangig eingestuft worden. Die letztendlich verbliebenen hatten nur einen zusätzlichen Vorteil: Sie sprachen deutsch.

      Auf dem Schreibtisch des Innenministers in Bonn landeten am Dienstagnachmittag also drei Datenblätter mit Angaben zur Person, und der Minister bat seine Amtskollegen in der Republik Irland und im Vereinigten Königreich um die Abstellung folgender Personen nach Düsseldorf:

      O’Connell, Patrick. Detective Inspector, Garda Siochana, Dublin. 44 Jahre alt. Spezialtraining in England (Scotland Yard, SAS), Canada (Royal Mountain Police) und Nordirland (R.U.C.). Grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit nordirischen Dienststellen. Fremdsprachen: Deutsch und Französisch. Letzter Fall: O’Grady-Entführung.

      McGrath, Rory. Chief Inspector, Royal Ulster Constabulary, Belfast B-Division. 46 Jahre alt. Praktische Erfahrung im Bereich Terrorstraftaten. Kenner der nordirischen Terrorszene. Lehrgänge in England (SAS). Deutsche Mutter (geboren in Berlin). Auch als Übersetzer im Polizeidienst tätig. Letzter Fall: Mord an den englischen Armeeangehörigen Derek Wood und David Howes in Andersonstown.

      Hart, Jerry. Captain. Special Investigation Branch, BAOR, Düsseldorf Rhine Center. 42 Jahre. Cambridge-Absolvent. Anschließend Militärakademie Sandhurst. Spezialausbildung Scotland Yard, SAS und diverse amerikanische Dienststellen. Verhöroffizier der britischen Rheinarmee. Sonderermittlungen. Letzter Fall: keine Angaben.

      Noch am gleichen Abend trafen die Fernschreiben mit den Kooperationszusagen aus Dublin und London ein.

      *

      Von dem graulackierten, schmiedeeisernen Gittertor bis zur steinernen Freitreppe des Benrather Schlosses zählt Munroe genau achtundsiebzig Doppelschritte, die links an dem großen Schlossteich mit den Fontänen vorbeiführen. Munroe zählt auch die Stufen genau. Drei flache Stufen bis zum ersten Absatz. Dann wieder sechs Doppelschritte und neun Rundstufen bis zum Schlossvorplatz aus einer Art Kopfsteinpflaster. Nochmals vierzehn Doppelschritte bis zum Schlosseingang.

      Alles ist wichtig.

      Munroes Erfahrung mit ähnlichen Aktionen in der Vergangenheit bestätigten diesen Ausbildungsgrundsatz immer wieder. Und die Operation Berlin ist nicht irgendein normaler Kampfauftrag. Die Operation Berlin wird, wenn sie gelingt, das gesamte militärische und politische Aktionsfeld auf eine neue Basis stellen. Sie wird den Stoff für künftige Legenden liefern. Neue Lieder werden gesungen werden, und das Ziel, die Wiedervereinigung mit den abtrünnigen Provinzen in Ulster, wird mit einem Schlag näherrücken. Allein der Gedanke daran lässt das Herz bis in den Kopf schlagen. Munroe zwingt sich gewaltsam zur Ruhe und verlangt mit kargen Sprachkenntnissen eine Eintrittskarte.

      Der junge Mann hinter dem Schreibtisch des kleinen Eckraumes reicht gleichgültig die Eintrittskarte herüber.

      »Zwei Mark, bitte!«

      Vor ihm auf der Tischplatte steht ein Pappschild: Arbeitsplatz für einen Behinderten! Einige Broschüren und Stapel von Ansichtskarten. Aufgerollte Plakate. Gebeizte Behördenmöbel. Eine blaue Geldsammeldose der Kinderkrebshilfe e.V. Munroe steckt die drei Mark Wechselgeld hinein. Es klappert blechern.

      Der junge Kartenverkäufer spricht weiter leise mit einer jungen Frau in verblichenem Jeansanzug, die auf einem der Stühle vor dem Fenster sitzt. Als Munroe mit der Eintrittskarte in der Hand das kleine Zimmer verlässt, sieht die Frau auf ihre Armbanduhr, steht auf und folgt Munroe in die Eingangshalle des Schlosses.

      »Ziehen Sie sich bitte auch die Pantoffeln an!«

      In einem braunen Stohkorb liegen paarweise ineinandergeschobene graubraune Filzlatschen, die den blank gebohnerten Fußboden vor den harten Schlägen der Straßenschuhe schützen sollen.

      Munroe fühlt sich in die Kindheit zurückversetzt. Die ersten Rollschuhe. Die buntgemischte Besuchergruppe setzt sich unsicher hinter der Führerin herschlitternd in Bewegung. Vierzehn Besucher zählt Munroe. Sich selbst eingeschlossen.

      Eine kompakte Frau in einem grünen Lodenmantel und mit einem fasanenfedergeschmückten Jägerhütchen auf dem Kopf zwingt drei kichernde Mädchen mit einem räuspernden Laut zu andächtiger Ruhe. Ein schmaler Asiate sieht über den Rand seiner Metallbrille angestrengt in ein blaues Wörterbuch, während die Schlossführerin monotone Erläuterungen gibt.

      »... und deshalb auch der Schmuck an den Wänden, der wieder Motive der Natur aufnimmt ... auch die Ornamente, die die Natur ausmachen ...« Sie spricht sehr leise, findet Munroe, aber die Leere der hohen Räume sorgt für einen lautverstärkenden Hall.

      »... dieses Schloss war zunächst als Sommerschloss gedacht. Man wollte Türen und Fenster möglichst weit öffnen, um dann auch die Gerüche des Parkes einzulassen ... dachte aber schon an kalte Tage, weil nämlich ... in jedem Raum Kamine installiert wurden ...«

      Mühsam rutschend verfolgen die Teilnehmer der Schlossbesichtigung die gelangweilten Worte der lässig gekleideten Expertin. Ein pickliger Bursche mit stufig geschnittenem Blondhaar schiebt seiner vollbusigen Begleiterin die rechte Hand von hinten zwischen die Oberschenkel. Deren Gesicht färbt sich zuerst tomatenrot, als sie Munroes Blick auf sich gerichtet fühlt, dann aber reckt sie trotzig triumphierend ihren runden Hintern der Hand ihres Galans entgegen. Warum auch nicht, denkt Munroe neidvoll, dafür ist dieser Ort so gut wie jeder andere auch.

      »... über den Spiegeln, auf den ovalen Gebilden ... die Köpfe der beiden ... einmal hier links Carl Theodor und hier rechts, das ist die Elisabeth Auguste aus dem Geschlecht der Wittelsbacher. Durch diese Heirat wurde er dann später Kurfürst von Bayern ...« Die Gruppe ist über den polierten Marmorboden des Vestibüls unter einer ausladenden Deckenrosette aus Eichen- und Rosengirlanden hindurchgeschlurft und steht jetzt in einem hohen Kuppelsaal.

      Ein leiser Schrei.

      Die dickere der beiden tief verschleierten Araberfrauen ist über ihr langes taubenblaues Gewand gestolpert. Das männliche Familienoberhaupt, ein feister Ölprinz in hellem Sommeranzug und mit viel Gold an den Fingern, stützt die Verschleierte mit starken Armen. Misstrauisch schaut er dabei die wenigen Männer der Touristengruppe an. Aber keiner hatte sich der Araberin in helfender Absicht genähert.

      Lakonisch setzt die Schlosskennerin ihre halblauten Erklärungen fort. »... die Leuchter in diesem Raum sind bereits Kopien der Originale von vorhin. Dann oben in der Kuppel, die kleine runde Öffnung ganz oben ... dahinter liegt die Galerie. Das kann man von hier aus aber nicht sehen. Die Musiker saßen dort und spielten zu Ehren der Gäste, wobei die Musik eine ganz besondere Rolle im Leben Carl Theodors spielte ... er gründete verschiedene Musikschulen ...«

      Aus den Berichten des Informanten weiß Munroe, dass Musiker dort auch heute noch während der Festbankette spielen. Am gleichen Platz. Munroes Blick ruht gebannt auf dem zweiflügeligen Mittelfenster des Kuppelsaales. Noch jeder Staatsgast hat bis jetzt die Aussicht auf den 700 Meter langen, rechteckigen Spiegelweiher im Schlosspark bewundert, bevor er sich an dem langen Tisch zu Reden, Speisen und Musik niederließ. Nachdenklich fixiert Munroe die vier weißen Bänke am schmalen Ende des Weihers und die dahinter stehende Baumreihe. 800 Meter Entfernung. Knapp. Auch für einen guten Schützen mit elektronischer Zieleinrichtung nicht ganz einfach. Sehr hohe Risiken. Zu dieser Zeit des Jahres sind heftige Regenschauer keine Seltenheit. Selbst mit