Tödliche Leidenschaft | Erotischer Roman. Henry Nolan

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Название Tödliche Leidenschaft | Erotischer Roman
Автор произведения Henry Nolan
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783862774456



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erzählt er mir im Konversationston, dass er damit letzte Woche in Odessa eine Nutte von ihren nichtsnutzigen Titten befreit habe. Nur ein Schnitt pro Seite war notwendig gewesen.

      »NEIN!«

      – Flash –

      Mein Stiefvater nimmt mich brutal auf dem alten Sofa im Wohnzimmer und grunzt dabei wie ein Schwein. Meine Schmerzenslaute werden von der schäbigen Polsterung nur teilweise geschluckt, während meine Mutter im angrenzenden Zimmer halb bewusstlos vor dem lärmenden Fernseher liegt.

      – Flash –

      O Gott, o Gott, o Gott!

      – Flash – Flash – Flash –

      »NEEEEEEEIIIIIIIIINNNNNNNNNNN!!!!«

      Ein Teil meines Verstandes hat diese Bilder bereits als das erkannt, was sie sind: nur Erinnerungen! Alte, für sich genommen harmlose Gedankenfetzen. Flashbacks, die mich immer mal wieder überkommen, wie einen ehemaligen Junkie. Kein Grund zur Aufregung, alles längst bekannt. Vor allem kein Grund, mitten in einem Auftrag unprofessionell zu werden.

      Aber mein Körper ist noch voll im Griff des schlagartig freigesetzten Adrenalins. In blanker, glubschäugiger Panik werfe ich mich nach vorn, runter vom Sofa, weg von ihm, nur weg! Mein Kopf schlägt hart an ein hölzernes Tischbein, die dünnwandigen Sektgläser zerklirren auf dem edlen Parkett, gleißende Funken tanzen am Rande meines Gesichtsfeldes entlang. Wie aus weiter Ferne schaue ich mir selber zu, wie ich mich in dem völlig derangierten Kleid an einer Wand schlotternd zusammenkauere und die Hände vor das Gesicht schlage.

      Unter Aufbietung aller Willenskraft, die ich irgendwie mobilisieren kann, nehme ich einen abgrundtiefen, zittrigen Atemzug und drücke den Schachtdeckel wieder dorthin, wo er hingehört. Die schwarzen Dämonen darunter toben und kreischen, aber die kurzzeitige Öffnung ist wieder ordentlich versiegelt. Der Schrecken fällt von mir ab, wie verdorrte Blätter von einem Herbstbaum, und ich bin wieder klar, wieder voll da.

      Was nun?

      Ich spähe zwischen den Fingern hindurch. Georg ist aufgesprungen, sein Schwanz hängt aus der notdürftig geöffneten, völlig zerknitterten Anzughose. Er starrt mit offenem Mund auf mich herab.

      Was nun?

      Lachen und das Ganze als ein neues Sexspiel darstellen? Unglaubwürdig.

      Den Plan über Bord werfen, abhauen, und auf eine andere Gelegenheit für den Abschluss warten? Zu riskant!

      Denk nach, du Profi, denk nach!

      Ich entscheide mich für die nächstliegende Möglichkeit und schluchze einige Male trocken auf. Dann sehe ich aus jammervollen Augen zu Georg auf und flüstere: »Es tut mir leid. Es tut mir leid. Es tut mir leid ...« Die Tränen kommen verdächtig schnell geschossen, und ich vergewissere mich sicherheitshalber nochmals, dass der Schachtdeckel auch hundertprozentig schließt. Heulend lasse ich es zu, dass sich Georg neben mich kauert, mich in den Arm nimmt und mir mit tröstenden Lauten über die Haare streicht.

      Einige Minuten später, nachdem ich ein paar Mal lautstark in sein Taschentuch geschnäuzt habe und etwas ruhiger bin, da sagt er leise: »Jana, wir müssen das nicht tun. Wenn du nicht willst, dann ist das völlig in Ordnung! Soll ich dich nach Hause bringen?«

      Ich schließe kurz die Augen, um die grelle Wut zu verbergen, die mich plötzlich durchschießt. Er will sich um mich kümmern? Mein Opfer soll etwas für mich, den Täter, tun? Ich soll nicht mehr die letzte Instanz sein? Unmöglich!

      Zusammenreißen!

      »Ach Georg. Ich will doch!« Mein piepsiger Ton klingt sehr überzeugend, finde ich. »Aber ich bin wohl doch nicht so ein scharfer Killervamp, wie ich dachte oder wie ich mir vielleicht wünsche.«

      Ein gelungenes Wortspiel!

      Georg sieht mich etwas ratlos an.

      »Aber ... du bist doch ... scharf! Ich meine, so schnell ist mir selten heiß geworden, wie gerade mit dir!«

      »Ja. Mir ja auch! Aber plötzlich war mir alles zu schnell und ich bin einfach in Panik verfallen. Weiß auch nicht genau, warum. Schlechte Erinnerungen vielleicht ...« Etwas schlägt hart von unten gegen den Schachtdeckel, ich halte mit aller Macht dagegen. Der Schatten, der dabei über mein Gesicht zieht, überzeugt Georg davon, besser nicht nachzufragen.

      »Schhhh. Alles gut. Alles gut ...«, redet er mir zu, wie einem ängstlichen Fohlen, und streicht wieder über mein Haar. Ich lehne mich vertrauensvoll an seinen warmen Körper und nutze die kurze Pause, um mich zu sammeln. Um meine Rolle wiederzufinden. Schließlich habe ich einen Job zu erledigen. Und zuvor will ich ihn noch ein wenig genießen.

      Als ich mich wieder einigermaßen in der Gewalt habe, drücke ich Georg einen sanften Kuss auf die Lippen und rapple mich hoch.

      »Schon besser. Danke ...«, meine ich mit einem verzagten Lächeln. »Ich muss mal kurz auf’s Klo. Es wäre toll, wenn du mich danach im Bett etwas wärmen könntest. Nackt meine ich ...« Ein Augenzwinkern, zwischen bemühter Verlockung und echter Vorfreude, und schon schnappe ich meine schwere Handtasche und bin im Bad verschwunden.

      »Frauen!«, sagt der resignierte Blick, mit dem er mir nachsieht.

       Kapitel 5 - Sonntag, 17.08.08, 21:35 Uhr

      Noch während ich auf de kühlen Brille sitze und es unter mir plätschert, rufe ich die erste abgespeicherte Nummer auf dem Handy an. Es ist kurz nach halb zehn, sagen mir die kleinen Digitalziffern darauf. Gut. Zeit genug.

      »Denise? Schön, dass Sie gleich dran sind! Hier ist noch Mal Anne Spreuw. Mijnheer van Brueggen ist im ›Metropole‹ in Zimmer fünfhundertneunzehn untergebracht. Er erwartet Sie Punkt dreiundzwanzig Uhr – bitte seien Sie pünktlich, ja? Sie haben das weiße Outfit, um das er Sie gebeten hat, ja? Und die offenen Haare? Sehr schön! Ihr Honorar liegt wie besprochen bereit. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen gemeinsamen Abend. Wiederhören!«

      Dann schnell eine weitere Nummer.

      Piep. Piep. Piep.

      Los, geh ran, John! Du siehst doch, dass ich anklopfe! Mit Deinen »World of Warcraft«-Kumpels kannst du später noch klönen! Noch Mal wählen ...

      »Ah, hallo John! Hier ist noch mal Jana. Sag mal, der Drucker ist die ganze Zeit so langsam. Jetzt habe ich dieses Kästchen angeklickt ›Ohne Spooler direkt drucken‹. Hilft das, oder mache ich da möglicherweise etwas kaputt? Ja? Okay. Gut. Ganz lieben Dank! Bis morgen oder so!«

      Die Spülung rauscht, ich wasche mich flüchtig, entferne die schlimmsten Schäden an meinem zerlaufenen Make-up und husche wieder zurück zu Georg. Der liegt inzwischen tatsächlich nackt im Bett, die Arme hinter dem Kopf verschränkt, die Beine bequem ausgestreckt. Fragend zieht er die Augenbrauen hoch.

      »Musste nur noch kurz mit einer Freundin telefonieren. Sie unterstützt mich immer bei den Papers, feuert mich mit Durchhalteparolen an und so. Ich wollte nicht, dass sie mich heute Abend nicht erreicht und sich Sorgen macht, von wegen Kurzschlussreaktion.«

      »Hm, aha. Und – geht es dir wieder besser?«

      »Ja!«

      Ich schlüpfe neben ihm auf das blütenweiße Laken, kuschle mich vertrauensvoll an seinen warmen, festen Körper und ziehe die Decke über uns hoch. Er heißt mich mit einer warmen Umarmung willkommen und küsst mich zärtlich auf den Kopf.

      »Ich verspreche, dass ich nicht mehr so ausflippen werde«, flüstere ich an seinem Hals. Ein schwacher Hauch von teurem Rasierwasser kitzelt dabei meine Nase.

      »He, das ist wirklich kein Problem!«, beruhigt er mich mit seiner Verlässlichkeit verbreitenden Stimme. »Ich halte das aus, wirklich!« Neuer Kuss. »Für viele Frauen ist es so, dass beim Sex alte Sachen hochkommen können. Das ist sozusagen therapeutisch, das sollte man nicht unterdrücken.«

      »Im Ernst?«, frage ich langsam und denke nach. So hatte ich das noch nie gesehen.

      »Ja, im Ernst. Und ich betrachte das eher als Auszeichnung.