Afrikanische Mythen und Magie. Leo Frobenius

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Название Afrikanische Mythen und Magie
Автор произведения Leo Frobenius
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783849615048



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hinter dem Lager." Gossi, der andere, ergriff das Gewehr, aber er zitterte vor Wut und Aufregung derart, daß er nicht abzudrücken vermochte. Nach einigen Stunden sagte Gossi, der Held: "Höre, wenn du nicht schießt, hat es auch keinen Zweck, daß ich hier bleibe." Er nahm Abschied von der Frau des anderen Gossi, ging hinaus, zog sich an und ritt fort. Als der Held nach Hause kam, nahm er wahr, daß er eine Schnur mit einem Schnuramulett am Hauseingang des anderen Gossi hatte liegen lassen. Er sagte: "Sende ich einen anderen, es zu holen, so wird man sagen, ich hätte Furcht. Laß ich es liegen, so wird man sagen, ich hätte Furcht – reite ich schnell vorbei und nehme es im Vorüberreiten mit mir, so wird man sagen, ich habe Furcht." Er sattelte sein Pferd, ritt langsam zurück, stieg am Hause des anderen Gossi ab, unterhielt sich mit diesem eine Weile und sagte dann: "Ich ließ heute morgen eine Sache hier liegen." Er ging zu der Stelle, nahm das Schmuckstück, hängte es um, sah, ob es gut hing, nahm von seinem Vetter Abschied und ritt langsam nach Hause.

      Dies war das zweitemal, daß Gossi erschrak. Aber außer Allah und ihm hat es niemand gemerkt.

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      Bakari, ein Fulbe, hörte von den Heldentaten Gossis. Er kam aus großer Ferne herbei und sagte zu Gossi: "Ich habe gehört, du sollst ein ganz außerordentlicher Held sein und große Unerschrockenheit besitzen. Würdest du mich wohl einmal mitnehmen, so daß ich mit dir etwas Außerordentliches erleben und deine Taten selbst mitansehen kann?" Gossi sagte: "Komm, wir können uns sogleich auf den Weg machen." Sie bestiegen die Pferde und ritten von dannen.

      Nach einer Weile kamen sie an einen Busch, in dem gingen sieben Jäger ihres Weges. Bakari sagte: "Wollen wir die nicht angreifen?" Gossi sagte: "Diese Leute sind zu gefährlich. Ich fürchte mich vor solchen Leuten." Nach einer Weile kamen sie zu Ackerbauern, die bestellten einen Acker. Bakari sagte: "Wollen wir die nicht angreifen?" Gossi sagte: "Ich fürchte mich. Diese Leute sind so sehr gefährlich. Und außerdem, wenn wir hier den Kampf beginnen, haben wir vor uns die Ackersleute und im Rücken die Jäger." Darauf sagte Bakari: "Ich sehe, daß du gar nicht ein tapferer Held bist, du fürchtest dich vor allem. Du bezahlst wohl sehr reichlich den Spielleuten, daß sie dir so gewogen sind und so große Sachen von dir singen?" Gossi sagte: "Siehst du, so und nicht anders ist es."

      Nach einiger Zeit kamen sie an eine Stadt; vor den Toren gingen einige Leute dem Busch zu, um sich zu entleeren. Bakari sagte (spöttisch): "Wollen wir nicht vielleicht diese Leute angreifen!" Gossi sagte zu Bakari: "Du bist ein solcher Feigling, daß ich mich fast schäme, mit dir ausgeritten zu sein. Hast du keine Scham und nicht Angst, daß die Fulbefrauen dich auslachen werden, wenn wir harmlose Jäger und Ackersleute überfallen? Pfui ich schäme mich deiner!" Bakari sagte: "Was hast du denn eigentlich vor?" Gossi sagte: "Vor uns liegt die Stadt eines Königs. Der hat da drinnen zwei wertvolle Pferde. Nimm du eines, wie ich eines nehmen werde. Damit reiten wir nach Hause zurück. Das ist eine würdige Sache, denn jedes der beiden Pferde ist von zwölf bewaffneten Sofa (Dienern) bewacht." Bakari sagte: "Du willst das am hellichten Tag ausführen? Da mache ich nicht mit!" Gossi sagte: "Dann laß es sein! Dann will ich allein hineinreiten und die Pferde herausholen." Bakari sagte: "Nein, warte bis zur Nacht, dann machen wir es gemeinsam." Gossi sagte: "Gut, wenn du es durchaus nicht anders willst."

      Also ritten sie am Abend in die Stadt hinein. Sie kamen unbehelligt an den Sofa vorüber; denn die Sofa hielten sie für ganz harmlose Reisende. Sie kamen an die Stelle, wo die beiden Pferde angebunden waren. Es war Mondschein. Im Mondschein gingen sie zu der Stelle hin und banden die Pferde los. Die Sofa hörten die Pferdetritte und schrien: "Die Pferde haben sich losgerissen, haltet sie! Die Pferde haben sich losgerissen!" Andere riefen: Haltet die Pferde! Fangt die Pferde!" Gossi rief: "Der Pferde wegen braucht ihr nicht solche Sorge zu haben; die sind nicht allein, sondern ich, der ich sie losgebunden habe, bin dabei!" Als die Sofa das hörten, liefen sie schnell hin und schlossen alle Tore, fingen Gossi und Bakari ein und übergaben sie dem Aufseher der Gefangenen. Die Leute sagten: "Morgen früh können wir diese beiden Menschen über dem Baschi (Heiligtum) des Königs töten." Gossi und Bakari wurden in Eisen gelegt. Gossi sagte zu den Leuten: "Geht zum König und sagt ihm, daß ich gewohnt bin, abends meine Milch zu trinken." Die Leute sagten: "Milch gibt es nicht für Pferderäuber." Sie sagten es aber dem König. Der König sagte: "Es ist ein Fulbe, gebt ihm die Milch." Man brachte Gossi die Milch. Er trank die Hälfte und reichte die andere Bakari. Bakari sagte: "Ich mag nicht. Milch kann ich jetzt gar nicht trinken." Dann nahm der Sklavenaufseher die beiden in seine Obhut. Beide wurden in ein Eisen geschmiedet.

      Als es Nacht war, rief Bakari: "Gossi!" Gossi antwortete aber niemals auf den ersten Anruf. Bakari rief nochmals: "Gossi!" Gossi sagte: "Weshalb störst du mich im Schlaf?" Bakari sagte: "Was, in der Nacht vor deinem Tode kannst du schlafen?" Gossi sagte: "Gewiß. Wie soll ich morgen etwas bestehen können, wenn ich heute nicht schlafe?" Bakari sagte: "Wenn es dir paßt, wollen wir doch jetzt entfliehen. Ich wiederhole: wenn es dir paßt, denn ich habe schon sehr wohl gesehen, daß du deinen Kopf für dich hast." Gossi sagte: "Ärgere mich nicht! Wie sollen wir wohl fort, da wir doch angeschmiedet sind. Wenn du solchen Unsinn noch einmal sagst, rufe ich den Gefangenenaufseher." Bakari sagte: "Nun, sei doch nur gut, – ich meine, wir könnten doch nur …" Gossi wollte rufen, aber Bakari hielt ihm den Mund zu.

      Es begann ein heftiges Gewitter. Der Sturm jagte starke Staubwolken über die Stadt hin. Bakari sagte nach einer Weile zu Gossi: "Höre, Gossi, wir können so einfach fortkommen. Wir sind ja beide zusammengeschmiedet, aber wir können doch zusammen gehen, wenn wir die Füße vorsichtig setzen. Wir können hier hinüber und können dann über die Mauer. Willst du mich begleiten, daß wir es ansehen?" Gossi sagte: "Es ist gut. Wir wollen gehen." Es war ganz dunkel. Es stürmte. Gossi und Bakari gingen Schritt für Schritt langsam zur Mauer.

      Sie kamen an die Mauer. Bakari sagte: "Da brauchen wir nur hinunterzuspringen. Dann sind wir draußen." Gossi sagte: "Nein, das mache ich nicht. Das Fußeisen können wir nicht zerbrechen. Wenn wir aber herunterspringen, werden wir die Füße brechen und ewig wird man dann an meinem Fuß die Narbe sehen, die vom Fußeisen kommt. Dann werden sich die Fulbefrauen über uns lustig machen. Nein, das will ich nicht. Eher sterbe ich morgen über dem Baschi des Königs." Das Gewitter brauste über die Mauer hin. Der Donner rollte. Der Regen prasselte zur Erde. Blitze zuckten herunter. Da gab Bakari Gossi einen Stoß. Beide stürzten von der Mauer herab.

      Unten war eine Löwin, die hatte lange Zeit nichts zum Fressen gehabt, so daß ihre Brust leer war. Sie stand unten mit ihren Jungen. Als Bakari und Gossi die Mauer herunterstürzten, fielen sie auf die Jungen und unter dem Aufschlagen der Fußeisen wurden beide Jungen getötet. Die Löwin aber stürzte sich auf Bakari und biß ihm die Kehle durch.

      Die Blitze zuckten vom Himmel herab. Die Löwin hatte sich auf Bakari gestürzt und begann ihn zu fressen. Wenn die Blitze aufleuchteten, wandte sie sich gegen Gossi, der an Bakari angeschmiedet war und zeigte ihm die blutigen Zähne. Gossi schlug ihr dann ins Gesicht, so daß sie wieder und immer wieder ihre Zähne in den Leib Bakaris hieb und ihn zermalmte. Die Blitze zuckten nieder. Gossi schlug die Löwin. Die Löwin fraß Bakari. Gossi lag daneben. Endlich hatte die Löwin die Füße Bakaris durchgebissen. Gossi konnte mit dem Fußeisen aufstehen und gehen. Er gab der Löwin noch einen Schlag, dann machte er sich auf den Heimweg. Er konnte nicht schnell gehen, aber er konnte vorwärtskommen. So kam Gossi heim.

      Das war das dritte Mal, daß Gossi erschrak. Aber außer Allah, der Löwin und ihm selbst hatte es niemand gemerkt. Nachher erschrak Gossi nie wieder.

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      Gossi lebte im Land Bakunu. Zu Gossis Zeit war Hamadi König der Fulbe von Bakunu. Hamadi hielt in zwei Punkten streng auf die alten Gebräuche des Landes. Die eine Fürsorge galt einem heiligen Stier. (Die Fulbe nennen solche heiligen Stiere Ngare togo scholi. Es ist ein junger Stier, der aber nie eine Kuh besteigen darf. Er wird als eine Art Schutzgeist angesehen. Wird er zu alt, so wird ein junger Stier, ein ganz junges Wesen, als Ersatz ausgewählt. Der neue "Heilige" wird mit dem Kopf gegen den alten gestoßen. Von nun an kann der alte Ngare togo scholi zur Viehzucht verwendet werden, und alle Fürsorge wird dem neuen Ngare togo scholi zuteil.) Diesen Stier durfte niemand schlagen oder stoßen, und es stand darauf die Todesstrafe. Zum zweiten aber war der König strengstens auf die Respektierung der Frauen seines Hofes bedacht. Nicht weniger als siebenhundert Soldaten bewachten ständig die Tore, die zu seinem Häuserviertel führten.

      Zweimal in der Woche, am Montag und am Freitag, wurden