Afrikanische Mythen und Magie. Leo Frobenius

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Название Afrikanische Mythen und Magie
Автор произведения Leo Frobenius
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783849615048



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ist es Spinne. Spinne kennt alles!" Man suchte Spinne. Man fand Spinne nicht. Der Häuptling sagte: "Spinne ist nicht da; ich weiß es, denn ich habe ihn fortgesandt, die Sonne und den Mond machen zu lassen."

      Der Vögel auf dem Baum oben sagte darauf: "So will ich es euch denn sagen: Ich bin es selbst. Ich bin Spinne. Ich dachte, der Häuptling wollte mich mit seinem Auftrag nur anführen. Jetzt will ich aber machen, daß ich fortkomme und meinen Auftrag ausführe."

      Spinne flog fort. Spinne legte das Vögelkleid ab. Dann langte Spinne aus dem Versteck die acht Hackeneisen hervor und begab sich auf die Wanderung zu Unumbotte (Gott). Als Spinne mit den acht Hackeneisen zu Unumbotte kam, sagte er: "Ich habe den Auftrag, aus diesen acht Hackeneisen Sonne und Mond schmieden zu lassen. Ein anderer kann es nicht. Willst du es aber tun?" Unumbotte sagte: "Zeig die acht Hackeneisen her." Spinne gab sie hin. Unumbotte begann die Arbeit. Unumbotte fertigte aus den acht Hackeneisen Sonne und Mond. Er gab sie dann Spinne.

      Spinne nahm Sonne und Mond, um sie zur Erde zu tragen.

      Sonne und Mond waren aber heiß. Spinnes Finger konnten die Hitze nicht lange aushalten. Spinne lief ein Stückchen, dann legte er Sonne und Mond ein wenig hin und wartete, bis die Finger sich ein wenig abgekühlt hatten. Sobald er es vermochte, nahm er Sonne und Mond wieder auf und lief damit ein Stück weiter, bis die Finger wieder zu schmerzen begannen. Da er also immer von Zeit zu Zeit anhalten mußte, kam er nicht schnell von der Stelle.

      Endlich kam Spinne mit der Sonne und dem Mond auf der Erde an. Er warf den Mond zunächst in das Wasser. Da kühlte er ab. Die Sonne warf er auf die Erde, da ging sie unter. Der Mond aber ging auf. Nachher warf er die Sonne an den Himmel. Als es zu heiß war, lief er in das Haus. Seitdem gehen Sonne und Mond regelmäßig auf und unter. Mittags ist die Sonne heiß.

      Spinne aber ist seitdem in den Häusern.

      Streit zwischen Sonne und Mond

      In ganz alten Zeiten waren Sonne und Mond immer zusammen. Am Morgen ist die Sonne rot und der Mond weiß. Die Leute sagten: "Ach, ist die Sonne schön!" Der Mond hörte das. Er sagte zur Sonne: "Weshalb hast du den Leuten gesagt, daß sie mich so schmähen und dich so loben sollen?" Die Sonne hörte dies. Die Sonne ging schnell in das Wasser. Die Sonne (Tangu) nahm von dem schwarzen Schlamm auf dem Grund. Die Sonne warf nach dem Mond. Der Mond ist bis heute mit Flecken versehen. Man kann es gut erkennen. Der Mond sagte: "Das ist jetzt gut, man wird mich nicht mehr bei Tage sehen. Ich komme nur noch nachts."

      Der Mond beschimpfte die Sonne: "Was machst du eigentlich, du bist höchstens dazu gut, Mais wachsen zu lassen. Sieh mich dagegen an. Wenn ich nicht wäre, wüßte keine Frau, wann sie ihre Kinder zur Welt bringen wird." Die Sonne sagte: "Wenn ich nicht da wäre, woher sollten die Menschen ihre Nahrung nehmen?"

      Die Fesselung der Gestirne

      Kadifukke (ein Mann) hatte weder Vater noch Mutter. Er hatte sich selbst gemacht. Kadifukke traf eines Tages auf der Wanderschaft Tschauke. Tschauke sagte: "Wer bist du?" Kadifukke sagte: "Ich bin Kadifukke. Mich hat nicht Fidi Mukullu (Schöpfergott) gemacht. Mich hat keine Mutter geschaffen, ich bin aus mir selbst gekommen." Tschauke sagte: "Ich bin Tschauke, die Tochter Fidi Mukullus." Kadifukke sagte: "Ich würde dich gern heiraten." Tschauke sagte: "Es ist gut."

      Sie gingen in das Dorf Kadifukkes. Tschauke sagte: "Kennst du den Weg zum Himmel?" Kadifukke sagte: "Gewiß, ich kenne ihn." Tschauke sagte: "Ich gehe heute abend zu meinem Vater Fidi Mukullu. Komm morgen früh nach." Tschauke ging. Kadifukke legte sich schlafen. Am andern Morgen machte Kadifukke ein Feuer aus trockenen Palmblättern. Es stieg Rauch zum Himmel. In dem Rauche ging er zum Himmel auf. Er kam im Himmel am Platz Tschaukes an. Tschauke sagte: "Wir wollen zu meinem Vater gehen." Kadifukke sagte: "Heute will ich noch einmal zur Erde zurückkehren." An dem Tag kehrte Kadifukke noch einmal zur Erde zurück. Am dritten Tag kam er wieder am Platz Tschaukes an. Er sagte zu Tschauke: "Nun wollen wir zu deinem Vater Fidi Mukullu gehen." Sie gingen zu Fidi Mukullu. Fidi Mukullu machte Biddia (Brei). Er machte Tschingu (Fliegen) als Beigabe. Kadifukke aß ein wenig. Kadifukke betrachtete die Tschingu. Er sagte: "Ist das alles, was dein Vater als Zutat gibt?" Tschauke sagte: "Laß nur, laß nur, laß doch nur!" Kadifukke sagte: "Fidi Mukullu kann viel geben." Kadifukke begann zu singen: "Weshalb tötet mir Fidi Mukullu nicht eine Ziege? Weshalb tötet mir Fidi Mukullu nicht ein Huhn?" Dann ging Kadifukke zur Ruhe.

      In der Nacht bekam Kadifukke Magenweh. Er ging aus seiner Hütte ganz in die Nähe hin und entleerte sich. Dann ging er in das Haus zurück. Es begann auf allen Seiten die Tschonde (Holzpauke) zu ertönen. "Er hat auf die Erde gekackt. Er hat auf die Erde gekackt." Tschauke sagte: "Weißt du, was das ist?" Kadifukke sagte: "Ja, das ist, weil ich auf die Erde gekackt habe." Kadifukke ging hinaus. Er nahm Palmblätter und umwickelte seinen Unrat damit. Er steckte das Paket in seinen Sack. Dann ging er in sein Haus zurück. Die Leute Fidi Mukullus sangen nun: "Du hast gekackt, kack nicht noch einmal!" Darauf schliefen alle bis zum Morgen.

      Am andern Tage sagte Fidi Mukullu zu Kadifukke: "Du willst Tschauke zur Frau haben?" Kadifukke sagte: "Ja, ich möchte Tschauke zur Frau haben. Was soll ich geben!" Fidi Mukullu sagte: "Pack mir Diba (Sonne), sie macht mir alle Tage Streit! Pack mir Gondo (Mond), er macht mir alle Tage Streit! Pack mir Tschidiminasaschi und Niama (Plejaden), Muntu und Mboa (Orion), denn sie machen mir alle Tage Streit! Pack mir Nguffu (Nilpferd), denn er macht mir alle Tage Streit! Pack mir Kaphumbu (Elefant), denn er macht mir alle Tage Streit! Nachher will ich dir meine Tochter zur Frau geben." Kadifukke sagte: "Es ist gut." Kadifukke ging zur Erde zurück.

      Kadifukke ging zur Erde zurück. Kadifukke rief Kapullukussu (die kleine Fledermaus). Kadifukke aß Freundschaft mit Kapullukussu. Kadifukke sagte zu Kapullukussu: "Ich will Tschauke, die Tochter Fidi Mukullus heiraten." Kapullukussu sagte: "Was will Fidi Mukullu?" Kadifukke sagte: "Ich soll Diba, Gondo, Tschidiminasaschi und Niama, Muntu und Mboa, Nguffu und Kaphumbu fangen. Dann will er mir Tschauke geben." Kapullukussu sagte: "Das könnte ich sogleich machen." Kadifukke sagte: "Ich will dir meine Schwester schenken." Kapullukussu sagte: "Es ist recht."

      Kapullukussu machte eine Schnur. Die Schnur war nicht aus Ananasfaser, sie war nicht aus Rotang. Sie war aus Eisen. Sie war gedreht wie ein Strick und reichte weit, weit fort. Kapullukussu machte eine große, große Schlinge. Am Abend ging er fort. Der Regen hörte ein wenig auf. Der Regen ging ein wenig zur Seite. Kapullukussu legte seine Schlinge auf den Weg des Gondo. Gondo ging seinen Weg. Er ging in die Schlinge. Gondo war in der Schlinge. Kapullukussu rief: "Bantu, Bantu! alle Menschen müssen an der Schnur ziehen!" Alle Leute kamen herbei. Alle Leute zogen an dem eisernen Strick. Sie zogen den Mond ganz nahe heran und banden ihn an einen starken Baum. Kapullukussu machte eine (andere) Schnur. Die Schnur war nicht aus Ananasfaser, sie war nicht aus Rotang. Sie war aus Eisen und gedreht wie ein Strick. Sie war so stark wie ein Arm und reichte bis dahin, wo sich Erde und Himmel berühren. Kapullukussu machte eine große Schlinge in den eisernen Strick. Er trug die Schlinge dahin, wo die Sonne morgens einhergeht. Er ging hin und legte nachts seine Schlinge auf den Weg. Dann kam die Sonne und machte gewaltiges Feuer nach allen Seiten. Nach allen Seiten gingen gewaltige Flammen aus. Dann trat die Diba in die Schlinge. Kapullukussu rief: "Bantu! Bantu! Bantu! Alle Menschen müssen an der Schnur ziehen! Alle Menschen müssen stark ziehen!" Alle Leute kamen und alle Leute zogen an dem eisernen Strick, der so dick war wie ein Arm, und die Diba warf Feuer nach allen Seiten. Doch die Leute zogen. Sie zogen Diba heran, bis sie ganz dicht war und dann schlangen sie die Schnur aus Eisen um einen großen Stein. Diba war gebunden.

      Kadifukke sagte zu Kapullukussu: "Für Tschidiminasaschi und Niama, Muntu und Mboa (Plejaden und Oriongruppe) brauchst du nicht eine so starke Schnur zu nehmen." Kapullukussu sagte: "Nein, das mach ich so!" (Der Erzähler spuckt in die Hand und fährt dann erst langsam, dann schnell zupackend vor sich hin, genau wie wir etwa eine Fliege fangen.) Kapullukussu fing so Tschidiminasaschi und steckte ihn in seinen Sack. Kapullukussu sagte: "Den habe ich." Kapullukussu spuckte wieder in die Hand, holte aus, fing Niama und steckte ihn in den Sack. Kapullukussu spuckte wieder in die Hand, holte aus, fing Muntu und steckte ihn in den Sack. Kapullukussu spuckte wieder in die Hand, holte aus, fing Mboa und steckte ihn in den Sack. Kapullukussu band den Sack fest zu. Er hielt ihn an Kadifukkes Ohr und fragte: "Hörst du?" Kadifukke hörte hin. Die Sterne machten: "Tué té! Tue té! Tue té!" (Der erste Ton dreieinhalb Ton höher als der zweite und das ganze gesprochen, wie wir das Uhrticken nachahmen.) Kadifukke