Friedrich Schiller: Literatur- und theatertheoretische Essays. Фридрих Шиллер

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Название Friedrich Schiller: Literatur- und theatertheoretische Essays
Автор произведения Фридрих Шиллер
Жанр Документальная литература
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Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9788027204274



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das Thier lief heulend zu dem König und blieb tod zu seinen Füßen liegen. Rasend sprang der König auf, ein schrecklicher Befehl beruft die ganze Dienerschaft des Hofes den Thäter zu erfragen. Der Monarch schwört einen fürchterlichen Schwur, den Mord des Thiers, und wärs an seinem eignen Kinde, barbarisch zu bestrafen. – Damals sah ich dich zitternd in der Ferne stehn, und jezt, jezt trat ich vor, und warf mich zu den Füßen des Königs hin „Ich that es, rief ich aus, an deinem Sohn erfülle deine Rache.“

      Marquis. Nichts mehr, um Gotteswillen Prinz –

      Karlos. Sie wards. Im Angesicht des ganzen Hofgesindes, das mitleidsvoll im Kraise stand, ward sie auf Sklavenart an deinem Karl vollzogen. Ich sah auf dich und weinte nicht. Mein Blut, das Blut von dreißig königlichen Ahnen floß schändlich unter unbarmherzgen Streichen, ich weinte nicht – des Schmerzens Uebermaaß schlug meine Zähne knirschend aneinander, ich sah auf dich, und weinte nicht. Mein Stolz empörte sich, ich sagte zu mir selbst: „Bin ich nicht ein gebohrner Fürst? Ists nicht der Boden meines Erbreichs, wo ich jezt gleich einem Wurm mich winden muß? Wer sind sie, die diese knechtische Begegnung sehn? Wie heißen sie, wenn ich ein Mann seyn werde?“ Jezt fühlt ich keine Ruthe mehr, nur diese zermalmende Erinnerung – ein Blick – ein Blick auf dich, ich war vergnügt. Den König erbitterte des Knaben Heldenmut. Drei fürchterliche Stunden zwang er mich auf hartem Holz ihn knieend abzubüßen. So hoch kam mir der Eigensinn zu stehn, von Rodrigo geliebt zu seyn – Du kamst, lautweinend sankst du mir zu Füßen: „Ja, Ja! – riefst du aus – Mein Stolz ist überwunden – ich will bezahlen, wenn du König bist.“

      Marquis. (in der heftigsten Aufwallung) Und mich verleugne zwischen Tod und Leben die himmlische Barmherzigkeit – das Thor des Paradieses schlage eilend zu, wenn einst mein abgeschiedner Geist dort landet, die Auferstehung misse mein Gebein, Gott meine Seele, wenn ich je – –

      Karlos. Halt ein, du sollst nicht schwören –

      Marquis. Wenn ich je vergesse, was Karl für seinen Rodrigo gethan, was Rodrigo dem Karlos zugeschworen – Auch meine Stunde schlägt vielleicht.

      Karlos. Jezt, jezt, O zögre nicht – jezt hat sie ja geschlagen. Die Zeit ist da, wo du vergelten kannst, ich brauche Liebe.

      Marquis. Liebe, bester Prinz, ists ja allein, woran Dom Rodrigo nicht ärmer ist, als seines Königs Sohn.

      Karlos. Ein unerträgliches Geheimniß brennt auf meiner Brust – es soll – es soll heraus, ich will und muß das Urtheil meines Todes in deinen todenbleichen Mienen lesen. Hör an – erstarre – doch erwiedre nichts – ich liebe meine Mutter.

      Marquis. O mein Gott!

      Karlos. Nein! Diese Schonung will ich nicht. Sprichs aus, sprich, daß auf diesem großen Rund der Welt kein Elend an das meine gränze – sprich, gesteh, daß eines Rasenden Gelüste, der sich an seiner Kette Klang ergözt, bescheidener, als meine Wünsche lauten. Was du mir sagen kannst, errath ich schon – der Sohn liebt seine Mutter – Weltgebräuche, die Tafeln der Natur und Roms Geseze verklagen diese Leidenschaft. Mein Wunsch stößt fürchterlich auf meines Vaters Liebe, Ich fühls und dennoch lieb ich. Dieser Weeg führt nur zu Wahnsinn oder – Blutgerüste, ich liebe ohne Hoffnung – lasterhaft – mit Todesangst, und mit Gefahr des Lebens, das seh ich ja, und dennoch lieb ich.

      Marquis. Weiß die Königin um diese Neinung?

      Marquis. Prinz – Prinz – was sie auch Willens sind zu thun, bei dem Allmächt’gen bitt ich – schonen sie der Ruhe ihres Vaters –

      Karlos. Meines Vaters? Unglücklicher! warum an den mich mahnen? Sprich mir von allen Schrecken des Gewissens, von meinem Vater sprich mir nicht – Unheilbar auf ewig sprangen zwischen mir und ihm die demantstarken Bande der Natur.

      Marquis. Sie hassen ihren Vater!

      Karlos. Nein! o Gott! ich hasse meinen Vater nicht – doch Schauder (kann ich dafür?) und Höllenangst ergreifen bei den zwo fürchterlichen Silben mich als hört ich alle Sünden meines Lebens am Tag des Weltgerichts herunterlesen. Kann ich dafür, wenn eine viehische Erziehung schon in meinem jungen Herzen der Kindesliebe zarten Keim zertrat? Mein Vater sagst du? Recht! mit diesem Namen erschröckten meine Ammen mich – das war von allen Künsten ihrer Kinderzucht die wirksamste, wenn alle Ruthenstreiche an mir verloren waren – Sieben Jahre hatt’ ich gelebt, als mir zum erstenmal der Fürchterliche, der, wie sie es nannten, mein Vater war, vor Augen kam – es war an einem Morgen, wo er steh’nden Fußes vier Bluturtheile unterschrieb – nach diesem sah ich ihn nur, wenn mir für ein Vergeh’n Bestrafung angekündigt ward – o Gott! hier fühl ich, daß ich bitter werde, weg, weg, weg von dieser Stelle.

      Marquis. Nein! sie sollen, jezt sollen sie sich öfnen Prinz. In Worten verblutet sich der stille Gram so gern.

      Karlos. Oft hab ich mit mir selbst gerungen, oft um Mitternacht, wenn meine Mohren schliefen, mit heißen Tränengüßen vor das Bild der Hochgebenedeiten mich geworfen, sie um ein kindlich Herz gefleht – doch ohne Erhörung, eißkalt stand ich wieder auf. Was ist das? Wer erklärt mir das? – Sonst ist die Welt zu eng, die Liebe aufzufassen, die hier in meinem Busen für sie quillt – – Hier schlägt ein Herz, wie keins in allen Ländern, die meinem Vater zinsbar sind. Diß Herz, groß wie mein Rang, der Menschheit aufgethan, und weit genug, die Schöpfung zu umschließen, diß Herz allein – nicht meine Erstgeburt, nicht meiner Ahnen pralerische Kette, die tief im Heidenthum sich untertaucht – diß Herz allein ist mein Beruf zum Tron, und dieses Herz – O weint um mich ihr Armen – verschließt sich einem Menschen nur – nur einem – und wer ist das?

      Marquis. Abscheulich!

      Karlos. Rodrigo, enthülle du diß wunderbare Räzel der Vorsicht mir – Warum von tausend Vätern just eben diesen Vater mir? und ihm just diesen Sohn von tausend bessern Söhnen? Zwei unversöhnlichere Gegentheile fand die Natur in ihrem Umkreis nicht, wie mochte sie die beiden lezten Enden des menschlichen Geschlechtes – mich und ihn durch ein so heilig Band zusammen schmieden? Furchtbares Loos! warum mußt es gescheh’n? Warum zween Menschen, die sich ewig meiden, in einem einz’gen eigensinn’gen Wunsch, auf einem Brett, das keine Theilung duldet, in unglücksel’ger Harmonie sich finden? Hier Rodrigo siehst du zwei feindliche Gestirne, die, im ganzen Lauf der Zeiten ein einzigmal, in scheitelrechter Bahn zerschmetternd sich berühren, dann auf immer und ewig auseinander flieh’n!

      Marquis. Mir ahndet ein schreckenvoller Augenblick.

      Karlos. Mir selbst. Wie Furien des Abgrunds folgen mir die schauerlichsten Träume – Zweifelnd ringt mein guter Geist mit gräßlichen Gelüsten, durch labirinthische Sophismen kriecht mein unglücksel’ger Scharfsinn, bis er plözlich vor eines Abgrunds gähem Rande stuzt – – – O Rodrigo,