Friedrich Schiller: Literatur- und theatertheoretische Essays. Фридрих Шиллер

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Название Friedrich Schiller: Literatur- und theatertheoretische Essays
Автор произведения Фридрих Шиллер
Жанр Документальная литература
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Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9788027204274



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nähert er sich, auf das Geräusch ermuntert sich Karlos, und fährt unwillig auf.

      Karlos. Der Erzspion verfolgt mich überall wie die Gerichte Gottes – – Was verlangt ihr? Wen sucht ihr hier? – Dorthin, soviel ich weiß, hat sich der König mit dem Hof gezogen.

      Domingo. Der König, Prinz, und alle Grandes stehn versammelt im Zitronenwald. Die Freude herrscht allgemein, sie zu vollenden fehlt nur Karlos noch.

      Karlos. Sie plözlich zu vergiften? Ist König Philipp seiner guten Laune schon satt, daß er die Nattern seines Sohns zu Gaste ruft?

      Domingo. Mir unbegreiflich, Prinz. Der schönste Frülingstag – die muntern Gärten – und rings herum die blumenvolle Flur – Der Himmel selbst wetteifert mit der Gegend, die Kunst mit der Natur – sie aufzuheitern. Gleich einem Paradies lacht weit und breit das prächtige Aranjuez, und doch in ihrem Aug nicht eine Spur der Freude?

      Karlos. In diesem lachenden Aranjuez sieht Karlos nichts – als seine finstre Seele.

      Domingo. Doch eben dieser räzelhafte Gram, den wir schon lang in ihren Blicken lesen, der Schrecken ihres Reichs, und das Geheimniß des ganzen Hofs, hat manche Thräne schon dem König ihrem Vater ausgepreßt.

      Karlos. Fließt mir deßwegen eine einz’ge minder? heilt dieses Herz vielleicht, wenn seines blutet? Nur Thränen hat er für den einz’gen Sohn? – die giebt auch wohl ein Bettler seinem Kinde. Er presse doch nur einen Tropfen Mohn aus seines Perus unerschöpften Schachten, den Schmerz in diesem Busen einzuschläfern; – er biete doch den pralenden Tribut, den ihm sein furchtbarer Vasall, das Meer, aus beiden Indien herüberfrohnt, ob er vielleicht den Henker seines Karls damit bestechen kann? – Seht rings herum – Diß Paradies rief euer großer König in eine fürchterliche Wildniß her – er rufe doch – sein Karlos läßt ihn bitten – ein Lächeln auf mein Angesicht.

      Domingo. Er wirds. Nur brechen sie diß grauenvolle Schweigen, nur öfnen sie ihr Herz dem Vaterherzen. Was Karl dem Philipp anvertraut, wird ja der König ihm gewähren.

      Karlos. Wird er das? – Weh mir, und wenn er wollte – kann er das? und wenn ich mit des Todes leztem Lechzen es foderte? wenn der erhörte Wunsch den schon entwichnen Geist aus der Behausung des Grabs zurücke hohlte? – Nimmermehr.

      Domingo. Ich zittre Prinz – Was sagt mir dieses Räzel?

      Karlos. Bin ich nicht eines großen Königs Sohn? Mit halben Welten theil ich meinen Vater, und dennoch soll an einem einz’gen Wunsch der große Königssohn zu Tode schmachten? O welch ein Wunsch – – und doch – ich will ja wenig – will ja nicht mehr, als ich mit so viel Armen umreichen kann – –

      Domingo. Wie! Wär es möglich Prinz? Wär noch ein Wunsch zurücke, den der Himmel dem liebsten seiner Söhne weigerte? – Ich stand dabei, als in Toledos Mauren der stolze Karl die Huldigung empfieng, als graue Fürsten zu dem Handkuß wankten, und jezt in einemeinem Niederfall Sechs Königreiche ihm zu Füßen lagen. Ich stand, und sah das junge stolze Blut in seine Wangen steigen, seinen Busen von fürstlichen Entschlüssen wallen, sah sein trunknes Aug durch die Versammlung fliegen, in Wollust brechen – Prinz – und dieses Aug sprach laut: Ich bin gesättigt!

      Karlos. (nach einem tiefen Nachdenken) Jener Stunde vergeß ich nie – mit jener Stunde fieng Mein Leben an – sie floh – es war vollendet.

      Domingo. Vollendet Prinz? – ein mattes Vorgefühl der königlichen Zukunft – –

      Karlos. Es ist aus. Wenn schon das Kind von Diademen träumte, was kann der Jüngling wünschen?

      Domingo. (der ihn laurend ansieht) sie zu tragen?

      Karlos. Verwegner Mensch – Ihr sprecht mit Philipps Sohn, nichts mehr davon – mir schauert vor dem Morgen, der hinter meines Vaters Sarge nur mir scheinen kann

      Domingo. Und dennoch edler Prinz. Wenn Karlos ohne Hoffnung wünscht, was sonst was sonst als eine Krone kann er wünschen? Groß ist die Welt – der Arm der Könige reicht weit –

      Karlos. Hier bricht er.

      Domingo. Auch der Arm der Kirche? O reden sie – Die Ruhe seines Sohns kann Philipp nicht zu theuer kaufen.

      Karlos. Nicht? Auch dann nicht, wenn mein rasender Gelust geradenwegs nach seinem Herzen zielte? Auch dann nicht, wenn den frevelhaften Durst nur das abscheulichste Verbrechen löschte, worüber die besudelte Natur erschrocken beben, und in Fieberschauern sich werfen würde.

      Domingo. Das ist schrecklich Prinz.

      Karlos. Jezt wißt ihr alles – Geht, und denkt auch nie darüber nach – Hier endet Philipps Größe, kann sein Befehl die Sterne rückwärts drehn, und machen, daß sich Nord und Süd umarmen? – Ein ewiges, ein schreckliches Gesez mit Blut in unsre Brust geäzt – die starre unwandelbare Regel der Natur steht gegen mich, ein aufgethürmter Pfeiler, und keine Macht auf Erden reißt ihn um.

      Domingo. Ich steh erstaunt – Was für ein Ungeheuer liegt hier im Hinterhalt, wenn selbst die Hoffnung so vieler Throne keinen Reiz mehr hat?

      Karlos. Vergebens grübelt ihr ihm nach. Ihr müßtet, Monarch wie ich, in Mutterleib gekrönt, ihr müßtet in dem Himmelstrich des Thrones erzogen worden seyn, und an den Brüsten des Glücks gelegen haben, wenn ihrs faßtet was einen Fürsten foltert.

      Domingo. Wunderbar – Noch wunderbarer – – – daß auch ihre Mutter, die Königin, daßelbe spricht – –

      Karlos. (heftig auffahrend) Was? Mutter? – Das Wort auf deiner Zunge sei verflucht, verflucht der Name aus der Schöpfung.

      Domingo. Prinz?

      Karlos. (in großer Aufwallung herumgehend) Sie meine Mutter? – Geh Unglücklicher, an eine Mauer hast du mich geschleudert – Sie meine MutterMutter sagtest du? O Himmel gib, daß ich es dem vergesse, der sie zu meiner Mutter machte.

      Domingo. Prinz, es sind die heiligste von allen Banden die sie hier lästern.

      Karlos. Ketten wollt ihr sagen, Furchtbarer, merkts euch, raßeln sie im Abgrund der Hölle nicht – Galeeren lassen los – das Grab gibt frei – die Ketten der Verdammniß zerbrechen endlich – diese Bande nicht. Die Zärtlichkeit von allen Müttern, die gewesen sind, und die noch kommen werden, macht ewig nimmer wieder gut, was mir die einzige verdorben hat.

      Domingo. Was hör ich? Täuscht mich mein Ohr? hat mich ein Traum betrogen? Ganz Spanien liebt seine Königin bis zur Anbetung – Prinz – und Sie allein, Sie sollten sie mit solchem Haß verfolgen?

      Karlos. (hat sich gesammelt, und wird betroffen)

      Domingo. Unmöglich, Prinz – so plözlich werden sie die Stimme Spaniens nicht Lügen strafen, so unnatürlich kann der feurige, für jede Schönheit so begeisterte so offne Jüngling nimmermehr entarten. Was Prinz? – Das schönste Weib auf dieser Welt, beim ersten Blick Monarchin ohne Thron, kaum zwei und zwanzig Frühlingen entflogen, und eines Greisen Frau – von der Natur zur Zärtlichkeit, zur Wollust ausgestattet – an eines freudenlosen Ehestands tirannische Galeere angeschlossen – Französin von Geburt – und Königin – und ehmals ihre laut erklärte Braut? Unmöglich, Prinz! Unglaublich! Nimmermehr! Wo ohne Hofnung Greiß und Jüngling lodern, friert Karlos nicht mit allen Hofnungen. Wo alles liebt, kann Karl allein nicht hassen, so seltsam