Sprachwandel - Bedeutungswandel. Sascha Bechmann

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Название Sprachwandel - Bedeutungswandel
Автор произведения Sascha Bechmann
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783846345368



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      Tabelle 3

      Intra- und intersprachliche lexikalische Gemeinsamkeiten und Unterschiede im englischen, französischen und deutschen Grundwortschatz (nach MCMAHON 1994)

      Um auf die Eingangsfrage zurückzukommen, welche Sichtweise die richtige sei, wenn man Einzelsprachen voneinander abgrenzen möchte, lässt sich sagen:

      [bad img format]Die Ausdifferenzierung verwandter Sprachen zu eigenständigen Einzelsprachen und die Veränderungen ihrer Sprachsysteme sind kulturell bestimmte Prozesse. Dabei bleiben Ähnlichkeiten im Sprachsystem erhalten, die man durch eine sprachhistorische Brille erkennen kann — bei gleichzeitiger Entwicklung von sprachsystematischen Unterschieden.

      Identifikation als gesellschaftliches Phänomen bewirkt eine kulturelle Einheit, die Auswirkungen auf das jeweilige Sprachsystem hat. Kulturelle Identifikation und Sprachsystem sind somit zwei Seiten einer Medaille. Differenzierte Einzelsprachen sind kulturell-gesellschaftliche und sprachsystematische Einheiten, bei denen ausdifferenzierte Wortschätze Resultat von kulturell-gesellschaftlichen Identifikationsprozessen sind. Mit anderen Worten: Das Schweizerdeutsch unterscheidet sich sprachsystematisch nur marginal vom Deutschen, aber die Unterschiede, die es z.B. im Wortschatz gibt, sind das Ergebnis einer kulturell-gesellschaftlichen Identifikation über einen Sprachwandelprozess.

      Halten wir an dieser Stelle fest:

      [bad img format]Sprachwandel findet nicht nur innerhalb von Einzelsprachen statt (systemimmanenter Sprachwandel); aus einer historischen Perspektive führte er auch unter bestimmten ökologischen Umständen (kulturelle RahmenbedingungenBedingungenRahmen-) zur Entstehung und Entwicklung von Einzelsprachen aus ursprünglich verbundenen Sprachfamilien (systemformender Sprachwandel).

      1.3 Weiterführende und vertiefende Literatur

      [bad img format]Als Einführung in das Forschungsfeld Sprache im Allgemeinen eignen sich MÜLLER 2009: 19ff. sowie 223ff. und SCHLOBINSKI 2014: 31ff.

      Wenn Sie sich intensiver mit der Frage nach dem Gegenstand der Sprachwissenschaft befassen möchten, lesen Sie VATER 1999: 11–27 und ebenfalls MÜLLER 2009: 33ff. oder SCHLOBINSKI 2014: 15ff.

      Für eine sprachhistorische Vertiefung empfehle ich Ihnen den sehr gut verständlichen und hervorragend illustrierten dtv-Atlas Deutsche Sprache (KÖNIG 2011). Lesenswert ist zudem die Deutsche Sprachgeschichte von GERHART WOLFF. Zudem lohnt jederzeit ein Blick in die umfangreiche (3 Bände) Deutsche Sprachgeschichte vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart von PETER VON POLENZ. Interaktiv und damit zum Lernen gut gestaltet ist die CD-ROM Interaktive Einführung in die Historische Linguistik von DONHAUSER 2007. Einen guten Überblick über die germanisch-deutsche Sprachgeschichte bekommt man bei SCHWEIKLE 2002.

      Wenn Sie sich näher mit der Etymologie von deutschen Wörtern beschäftigen möchten, sollten Sie über die Anschaffung des Etymologischen Wörterbuches der deutschen Sprache von KLUGE nachdenken.

      Eine sehr detailreiche Überblicksdarstellung über die Entwicklung der deutschen Sprache liegt seit 2014 mit UTZ MAAS’ Buch Was ist Deutsch? vor. Ein Blick in dieses Buch ist äußerst lohnenswert.

      2 Was ist das Wesen der Sprache?

      Dass ich erkenne, was die Welt im Innersten zusammenhält. Schau’ alle Wirkenskraft und Samen, und thu’ nicht mehr in Worten kramen.

      JOHANN WOLFGANG GOETHE (1749–1832)

      [bad img format]Ziele und Warm-up

      In diesem Kapitel wollen wir an unsere Überlegungen aus dem Eingangskapitel anknüpfen und uns noch ein wenig intensiver mit dem Wesen von Sprache befassen. Wir müssen zu einem angemessenen Sprachbegriff finden, damit wir verstehen können, auf welche Weise, also durch welche Prozesse und auf der Basis welcher Grundprinzipien, Sprachwandel abläuft.

      Dazu ist es wichtig, dass wir uns mit SprachauffassungenSprachauffassung vertraut machen, die in der Forschung bekannt und akzeptiert sind. Sie werden sehen: Nicht jede Auffassung davon, was Sprache ist, taugt dazu, sprachliche Veränderungen zu erklären. Sie werden auch feststellen: Eine Sprachauffassung, die den Sprecher und dessen kommunikative Ziele mit in den Blick nimmt, kann auch sprachliche Veränderungen plausibel begründen. Deshalb sind die nachfolgenden Überlegungen nicht rein wissenschaftstheoretischer Natur, sondern sie helfen uns, Sprachwandel im Kern zu verstehen. Denn: Wenn wir wissen, wie etwas beschaffen ist, können wir auch leichter verstehen oder schlussfolgern, wie etwas funktioniert. Wie also ist die Sprache beschaffen und was ist sie? Darum geht es in diesem Kapitel.

      Um in die Thematik einzusteigen, bitte ich Sie, die folgenden Fragen intuitiv zu beantworten:

       Was unterscheidet Ihre Muttersprache von anderen Sprachen, die Sie kennen?

       Haben Sie Haustiere? Können Ihre Tiere mit Ihnen sprechen?

       Wie unterscheidet sich die Sprache der Menschen von den Lauten der Tiere?

       Was ist die Funktion der menschlichen Sprache? Wozu verwenden Sie Ihre Sprache im Alltag?

       Woher wissen Sie, was sprachlich richtiges Handeln ist? Wer schreibt uns vor, wie wir zu sprechen und zu schreiben haben?

       Kann man auch ganz ohne Sprache kommunizieren? Finden Sie Beispiele.

      2.1 Welche SprachauffassungenSprachauffassung gibt es?

      Sprache ist grob gesagt ein „auf kognitiven Prozessen basierendes, gesellschaftlich bedingtes“ (BUSSMANN 2002: 616) Werkzeug, damit wir uns mit anderen Menschen, die dieselbe Sprache wie wir sprechen, verständigen können. Wie alle Werkzeuge unterliegt auch dieses im Laufe der Zeit historischen Entwicklungen. Es ist nie vollkommen und kann und wird sich im Laufe der Zeit verändern. Man geht davon aus, dass die Fähigkeit, Sprache in diesem Sinne als Werkzeug nutzen zu können, genetisch vorgegeben ist und auf neurophysiologischen Prozessen beruht. Sprache ist aber nicht einfach nur eine biologische Anlage, die wir Menschen haben und nutzen, sie ist zudem eine artspezifische Ausdrucksform, „die sich durch KreativitätKreativität, die Fähigkeit zu begrifflicher Abstraktion und die Fähigkeit zu metasprachlicher Reflexion von anderen Kommunikationssystemen unterscheidet“ (BUSSMANN 2002: 616). Mit anderen Worten: Sprache ermöglicht es uns, unsere Gedanken mit anderen Menschen zu teilen und anderen unsere Perspektive auf die außersprachliche Welt zu vermitteln. Zudem können wir über (die eigene oder fremde) Sprache sprechen, unser eigenes Sprechen kritisch beleuchten und auch