Sprachwandel - Bedeutungswandel. Sascha Bechmann

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Название Sprachwandel - Bedeutungswandel
Автор произведения Sascha Bechmann
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783846345368



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die Frage stellen, auf welche Weise Sprache als spontane Ordnung entstehen kann und welchen Stellenwert menschliche Sprachhandlungen dabei einnehmen. Wir werden sehen, dass eben diese Sprachkonzeption der Schlüssel zur Erklärung des Sprachwandels sein kann.

      Zunächst gilt es aber, den zweiten der beiden Grundbegriffe genauer zu beleuchten: den Begriff des Wandels.

      2.4 Weiterführende und vertiefende Literatur

      [bad img format]Wenn Sie sich intensiver mit der organizistischen SprachauffassungSprachauffassungorganizistische beschäftigen wollen, dann empfehle ich Ihnen die Lektüre von SCHLEICHER 1863 oder die Prinzipien der Sprachgeschichte von HERMANN PAUL von 1920. Beide Werke sind etwas in die Jahre gekommen, dennoch lesenswert und auch für Studienanfänger verständlich. Die Sprachgeschichte von PAUL ist online über das Projekt Gutenberg kostenfrei zugänglich.

      Zur Vertiefung der Zeichentheorie nach SAUSSURE sollte die Lektüre seines Hauptwerks Grundfragen der Allgemeinen Sprachwissenschaft selbstverständlich sein. Sie werden im Studium immer wieder damit in Berührung kommen.

      Das Märchen von Karlheinz, dem Affenmenschen lässt sich nachlesen bei KELLER 2003: 37ff. Es wurde hier nur sehr verkürzt dargestellt. Bei KELLER findet sich eine sehr viel detailliertere Herleitung, die sowohl geistreich als auch unterhaltsam geschrieben ist.

      Sprechen als menschliches Handeln (Sprache als Werkzeug und Tätigkeit) wurde in diesem Kapitel über das Organonmodell KARL BÜHLERs beschrieben. Hier lohnt ein Blick in die Originalschrift Sprachtheorie. Die Darstellungsfunktion der Sprache (1934).

      Um sich weiter mit dem Konzept von Zeichen im Alltag zu beschäftigen, empfiehlt sich die Lektüre von KELLER 1995a: 9ff.

      Bei KELLER 2003 können Sie sehr ausführlich nachlesen, was spontane OrdnungenOrdnungspontane sind. Die Herleitungen sind allerdings für Studienanfänger sehr komplex.

      3 Was ist Wandel?

      Du steigst nicht zweimal in denselben Fluss.

      HERAKLIT VON EPHESOS (etwa 520–460 v. Chr.)

      [bad img format]Ziele und Warm-up

      Sprache ist ein taugliches Mittel zur Verständigung und wir nutzen sie täglich, um unsere kommunikativen Ziele zu erreichen. Damit Sprache auf diese Weise unseren Zwecken dienen kann, muss sie offen für Anpassungen sein. Denn: Unsere Ziele, die wir beim Sprechen verfolgen, ändern sich bisweilen. Dieser Umstand ist kulturell bedingt. Die Welt, in der wir heute leben, ist nicht mehr dieselbe Welt, die sie vor 100 Jahren einmal war. Technische Neuerungen machen Neubenennungen ebenso nötig wie beispielsweise veränderte Höflichkeitsformen oder kulturell bedingte Kommunikationssitten.

      Das System Sprache, das aus komplexen Zeichen und Zeichenkombinationen besteht, muss diesen Anforderungen genügen. Als spontane OrdnungOrdnungspontane ist sie ein in sich stabiles Gebilde, sonst könnten wir uns nicht verständigen. Stabil bedeutet aber nicht starr. Im Gegenteil: Sprachen sind wahre Verwandlungskünstler. Über ihren Charakter als Werkzeuge und über ihre Beschaffenheit als spontane Ordnungen sind Sprachen dynamisch; sie wandeln sich mit ihren Sprechern.

      In diesem Kapitel geht es also um Wandel. Dabei wollen wir zunächst Überlegungen zum Wandel im Allgemeinen anstellen und in einem nächsten Schritt diskutieren, was Sprachwandel ist und warum Sprachwandel im Speziellen stattfindet. In Kapitel 4 werden wir dann Theorien zum Wie des Sprachwandels, also zu möglichen Prinzipien besprechen.

      Als Einstieg in diese Einheit sollen uns einige intuitiv zu beantwortende Fragen und Aufgaben dienen:

       Denken Sie einmal fünf oder zehn Jahre zurück: Was in Ihrem Leben hat sich in dieser Zeit alles verändert?

       Spielen Sie das Spiel „Tabu“: Versuchen Sie innerhalb von 15 Sekunden einem Freund in wenigen Sätzen zu erklären, was wir im Deutschen mit dem Begriff Wandel meinen! Vermeiden Sie dabei die Begriffe Zeit, früher, heute, anders, Veränderung und Zustand!

       Nennen Sie fünf Beispiele aus dem Alltag für Phänomene, die sich gerade wandeln oder gewandelt haben!

       Nehmen Sie ein Blatt Papier und einen Stift zur Hand. Versuchen Sie einmal, das Phänomen Wandel mithilfe einer Skizze (Zeichnung etc.) darzustellen.

       Haben Sie schon einmal mit jemandem über Sprachwandel diskutiert? Worum ging es dabei und was war Ihre Position?

       Was unterscheidet Ihrer Meinung nach den Klimawandel vom Sprachwandel?

       Haben Sie ein aktuelles Beispiel für den Wandel in der Sprache?

      3.1 Warum verändern sich die Dinge in der Welt?

      Wenn Sie einmal alte Familienfotos durchstöbern, dann werden Sie feststellen, dass Ihre Eltern oder Großeltern auf diesen Bildern irgendwie seltsam aussehen. Die Kleidung kommt Ihnen wahrscheinlich altmodisch vor, möglicherweise finden Sie die Frisuren komisch und auch die Möbel, Tapeten oder sonstigen Gegenstände sehen befremdlich aus. In den 1980er-Jahren waren Dauerwellen bei Damen und auch bei manchen Herren sehr in Mode, in den 1970er-Jahren trug man weite Schlaghosen und enge T-Shirts. Man flieste in den 1960er-Jahren Badezimmer gerne grün oder altrosa und Tapeten mit schrillen Mustern waren der letzte Schrei. Heute kleiden wir uns nach einer anderen Mode, über die dann in 20 oder 30 Jahren Ihre Kinder und Enkel schmunzeln werden. Für unsere Kleidung gibt es heute eine andere KonventionKonvention und unsere Konvention, sich zu kleiden, unterscheidet sich von der in Russland, Japan oder etwa derjenigen in Mali.

      Wahrnehmbare Veränderungen stellen wir auch bei vielen Alltagsgegenständen fest, besonders bei technischen Geräten wie Handys, Fernsehern oder Computern. Als der Verfasser dieses Buches mit seinem Studium begann, wogen Handys noch so viel wie ein Viertelliter Milch und man konnte mit ihnen nur telefonieren – und das maximal eine Stunde lang, dann war der Akku leer.

      Sie sehen an diesen Beispielen: Die Welt um uns herum und auch wir selbst befinden uns in einem steten Wandel.

      [bad img format]„Zukunft ist nie eine lineare Fortschreibung von Gegenwart, zugleich ist aber Gegenwärtiges immer als Gewordenes aus etwas Gewesenem zu begreifen und ist somit Resultat einer progressiven oder regressiven Entwicklung, also eines Wandels“ (BECHMANN 2013: 93).

      Wandel, das ist grob gesagt die wahrnehmbare Veränderung einer Sache oder eines Zustandes über eine bestimmte Zeit hinweg, so dass Zeitdifferenz, Vergleich und Identität die entscheidenden Elemente des Wandels kennzeichnen. Dabei ist zum Beginn dieses Prozesses die Sache oder der Zustand oftmals ein anderer als zum Ende dieser Entwicklung. Es kommt also über eine zeitliche Differenz zu einer Identitätsveränderung, die durch den Vergleich zweier Zustände retrospektiv erkennbar wird (vgl. LÜDTKE 1980a: 4). Wandel als ein Phänomen, das neben der Sprache alle anderen soziokulturellen Sphären betrifft, lässt sich anhand dreier Parameter beschreiben:

      1 Es gibt einen Ausgangszustand A.

      2 Es gibt eine zeitliche Dimension Z.

      3 Es gibt einen Endzustand E, der sich von A in bestimmten, wahrnehmbaren Punkten unterscheidet.

      Für den morphologischen Wandel einer Sache, beispielsweise die Umformung eines Granitblocks durch Behauen und Schleifen zu einer steinernen Pyramide, lässt sich dieser Zusammenhang schematisch folgendermaßen skizzieren:

      Abb. 3

      Wandel durch Gebrauch

      Nun muss ich gestehen: An dieser Skizze sind zwei Dinge falsch bzw. zu vereinfachend dargestellt, auch wenn die Parameter A, E und Z richtig benannt und für jeglichen Wandel derart miteinander verwoben sind. Zumindest ist die Zeichnung dann falsch,